Schon „wehren“ sich die ersten Deutschen und kaufen nicht mehr bei Hildmann. Das polit-mediale Establishment lässt fundamentale Grundrechte auch nach dem Abklingen der Viruskrise weiter erodieren.

    Deutschland spricht nicht mehr. Deutschland hetzt. Deutschland petzt. Deutschland urteilt. Deutschland verurteilt. Deutschland senkt den Daumen und möchte in der Löwen-Arena zum Fraß vorgeworfen sehen, wen es zuvor als Ketzer entlarvt hat. Der neue Begriff für Ketzer lautet „Verschwörungstheoretiker“. Eine gesteigerte Form der Intoleranz greift um sich im Lande Lessings, des Erfinders der Ring-Parabel, die vom Begriff der absoluten Wahrheit absah, um der friedlichen Koexistenz unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen das Feld zu bereiten. Doch in Zeiten von „Corona“ ist Toleranz definitiv nicht das Gebot der Stunde.

    „Warum sind viele Corona-Rebellen anfällig für faschistische Denkmuster?“, fragte das Qualitätsmedium Der Spiegel im jüngsten Heft (Nr. 21/2020) und befragte dazu mit Natascha Strobl ein 35-jähriges Politologieküken, das, in der akademischen Brutstätte der Uni Wien zur opportunen Gesinnung gereift, frisch aus dem Ei des Neomarxismus geschlüpft ist. Die Mitgliedschaft im „Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich“, die als Nebenraum der linken Uni-Echokammer ihr Studium flankierte, dürfte der Salonsozialistin den letzten Rest Zweifel daran genommen haben, allzeit das Gute, Edle und Wahre zu vertreten, und sie damit für den linksliberalen Spiegel bei der Suche nach einer „Expertin“ zum Thema Faschismus und Verschwörungstheorien zur ersten Wahl gemacht haben.

    Entsprechend unkritisch fielen die Fragen des einstigen Flaggschiffs regierungskritischer Kommentierung aus: Manfred Dworschak ist kaum mehr als ein Stichwortgeber für die erwünschte Botschaft. Kostprobe: „SPIEGEL: Eine Art Selbstermächtigung zum Kampf mit allen Mitteln? – Strobl: Genau.“ Hätte der Interviewer keine Angst vor der Wahrheit, hätte er sich mit Strobl aus der eigenen Echokammer hinausbewegt und zu dem Gespräch Ken Jebsen gebeten, den der Spiegel-Mann als Pars-pro-toto der als faschistoid verunglimpften gesellschaftlichen Gegenfraktion anführt. Kritikern des Regierungskurses wirft Strobl undifferenziert und pauschal vor, „sich erleuchtet“ zu fühlen und „im Kampf zwischen Gut und Böse“ auf der „richtigen Seite“ zu sehen, doch sie ist blind und taub für den Subtext dieser Formulierung: dass selbstverständlich in Wahrheit sie und ihr Interviewpartner vom klugen Spiegel die „richtige Seite“ vertreten.

    Das macht diesen Spiegel-Beitrag zum Musterbeispiel für die Verwechslung von Krankheit und Therapie: Interviewer und Interviewte wähnen sich im Besitz der Wahrheit, und das ermächtigt sie, mit den Meinungen und Argumenten anderer totalitär umzugehen, indem sie sie herablassend als dummes Gewäsch abtun. Mit dieser Haltung gegenüber kritischen Stimmen in der Gesellschaft meinen sie zu allem Überfluss auch noch die Demokratie zu retten. Sie wollen den Splitter aus dem Auge ihres Nächsten ziehen, sehen dabei aber gar nicht den Balken im eigenen.

    Nächstes Beispiel: Unter der Überschrift „Warum Corona-Verschwörungsgläubige keine Rücksicht verdienen“ erteilte der Berliner Tagesspiegel am 11. Mai dem Ansinnen, mit Andersdenkenden das Gespräch zu suchen, eine klare Absage. Schließlich impliziert ein solcher Meinungsaustausch, „dass beide Seiten ihre Argumente vortragen und am Ende stolz sind, dass sie wenigstens im Gespräch waren.“ Für eine solche Gesprächskultur hatten sich der Bundespräsident und die Zeit-Stiftung 2018 mit der Verständigungs- und Versöhnungsaktion „Deutschland spricht“ noch engagiert eingesetzt, um der konfrontativen Lager- und Filterblasenbildung in der Gesellschaft entgegenzuwirken. „Corona“ lässt diesen demokratiefreundlichen Ansatz nun als Schnee von gestern erscheinen. Mit Häretikern zu sprechen, so argumentiert der Tagesspiegel in Gestalt seines Autors Sebastian Leber, das führe zu einer unerwünschten Balance zwischen Wahrheit und Lüge, zu „einer Fehlannahme, die Außenstehende im schlimmsten Fall glauben lässt, die Wahrheit liege schon ‚irgendwo in der Mitte‘. Das tut sie nicht. In der Frage, ob man Menschen ermorden darf oder lieber nicht, liegt die Wahrheit schließlich auch nicht irgendwo in der Mitte. An eine Seite wird in der Debatte, wie mit Verschwörungsgläubigen am besten umzugehen ist, praktisch überhaupt nicht gedacht: Diejenigen, die sich den ganzen Quatsch anhören müssen.“

    Das Zuhören und das Gehörtwerden hatte Schirmherr Frank-Walter Steinmeier am 23. September 2018 in seiner Eröffnungsrede zu den Grundprinzipien von „Deutschland spricht“ erklärt. Leber sagt diesem Prinzip nun offen den Kampf an. Sein Credo: „Diskutieren ist Zeitverschwendung. Was dagegen hilft, ist Druck.“ Dass „Verschwörungstheoretiker“ Attila Hildmann durch mediale Meinungsmache seine Umsätze eingebrochen sind, feiert der Tagesspiegel-Autor als rechten Weg, um „Menschen davor“ zu „bewahren, selbst in diese Fantasiewelten abzudriften“.

    Der Weg der Ausgrenzung ist auch für das von der SPD über ihre Medienbeteiligungsgesellschaft kontrollierte Redaktionsnetzwerk Deutschland der richtige. In dem RND-Online-Kommentar „Die Karriere von Xavier Naidoo ist am Ende – aber warum erst jetzt?“ redete Autor Matthias Schwarzer einem Boykott für „Verschwörungstheoretiker“ wie Xavier Naidoo das Wort. Dem „rassistischen“ Sänger sei, so der Tenor des Beitrags, doch viel zu lange mit Nachsicht und Toleranz begegnet worden. Offenbar ist es für linke Journalisten besonders tragisch, wenn jemand trotz der erwünschten Multikulti-Identität kein linker Gefolgsmann wird. Erklärt das den Hass auf Naidoo? Der Ton jedenfalls, der in den zitierten Beiträgen herrscht – insbesondere die verdeckte Parallelisierung von „Verschwörungstheoretikern“ und „Mördern“ –, befremdet in einem Zeitalter, das von führenden Politikern und Medienschaffenden zum Zeitalter der „Weltoffenheit und Toleranz“ proklamiert wurde.

    Entweder man verabschiedet sich jetzt von dem Begriffsduo, weil es sich als Worthülse oder als einseitige Framing-Finte zur geschickt getarnten Durchsetzung des eigenen politischen Standpunkts entpuppt hat, und bekennt sich endlich offen zu Anfeindung und Ausgrenzung, oder man lässt diese Toleranz endlich auch gegenüber denen walten, die ihr Recht auf Glaubensfreiheit und eine – durchaus auch irrige – eigene Meinung in einer Weise ausüben, die den anderen Pol in der Gesellschaft irritiert. Was nicht irritiert, bedarf schließlich auch keiner Toleranz. Schaut man genauer hin, wird rasch klar: Bei vielem, was heute als „Verschwörungstheorie“ gehandelt wird, handelt es sich in Wahrheit um die Ersatzreligionen eines säkularen Zeitalters. Der Bildersturm der Moderne beziehungsweise Postmoderne ist ein Schuss, der nach hinten losging: Nachdem dem Homo religiosus die bewährten Objekte des Glaubens so lange madig gemacht wurden – Opium des Volkes, Entmythologisierung, Autonomie sind die Schlagworte –, dass er sie nicht mehr verehren kann, ohne sich dem Spott, der Geringschätzung oder dem milden Lächeln der vermeintlich überlegenen vernunftgläubigen Weltmenschen auszusetzen, kehren sie nun als Untote zurück. (Fortsetzung des Artikel unter dem Werbebanner)

    Naidoo: Sein Leben, seine Lieder, seine Wut – lieferbar ab Juli. Wer bis zum 31. Mai vorbestellt, bekommt diese Ausgabe für 8,80 Euro! (Am Kiosk ab Anfang Juli 2020, Verkaufspreis dann 9,90 Euro)

    Vor 22 Jahren war die Psychologin Heide Fittkau-Garthe mit zirka dreißig Gleichgesinnten entschlossen, den höchsten Berg Spaniens zu besteigen in der Erwartung, dort in Anbetracht des für den 8. Januar 1998 vorhergesagten Weltendes von einem UFO abgeholt und auf den Planeten Sirius evakuiert zu werden. Das war natürlich Unsinn. Eine ähnliche Zombie-Variante traditioneller Religiosität ist für Skeptiker der Glaube an die so genannten QAnon-Offenbarungen. Enthüllt wird darin die Existenz einer international operierenden Verbrecherbande, die im Untergrund Kinder zur sexuellen Ausbeutung gefangen hält. Man darf auch das für Blödsinn halten. Aber sogar Kritiker wie Sebastian Leber geben ja indirekt zu, dass es sich bei solchen Theorien tatsächlich eher um Gegenstände einer Art Gläubigkeit handelt, in diesem Falle der Leichtgläubigkeit. Muss man nun auf Leute, die absurde Dinge glauben, gleich mit Boykottaufrufen reagieren, mit einem Angriff also auf die Religionsfreiheit?

    Dass man mit fremdartigen Glaubensüberzeugungen schlechterdings nicht intolerant umgehen muss, zeigt, sofern dogmatische Beschränktheit den Blick dafür nicht versperrt, ein Blick auf die Einwanderungswelle der letzten Jahre, durch die Hunderttausende Anhänger einer „Verschwörungstheorie“ ins Land gelangten. Die größte antisemitische „Verschwörungstheorie“, mit weltweit deutlich mehr Anhängern als QAnon ist nämlich der Islam, dessen „heiliges Buch“ die Widersprüche zwischen dem Koran und den heiligen Schriften der Juden und Christen ganz banal darauf zurückführt, dass Juden diese „verfälscht“ hätten (vgl. Sure 2,75). Die Leugnung des Kreuzestodes Jesu, die Verwechslung von Ismael und Isaak, von Saul und Gideon: Koran und Bibel können aufgrund solcher Widersprüche nicht beide wahr sein. Wer lügt? Mohammed war kein studierter Theologe. Er war Handlungsreisender. Er übernahm von seinen jüdischen und christlichen Gesprächspartnern eine Reihe biblischer Versatzstücke, die überdies durch die mündliche Überlieferung stark entstellt waren.

    Als Juden und Christen ihm wegen der Inkongruenzen seiner neuen religiösen Botschaft zu den älteren handschriftlichen Überlieferungen die Gefolgschaft verweigerten, war der Religionsstifter erbost. „Deshalb ging er zum Gegenangriff über und unterstellte Juden und Christen die Korruption ihrer Offenbarungs­schriften“, so der Islam-Kenner Eberhard Troeger. Wer tausend Jahre nach dem Erscheinen von Goethes Werther eine neue Fassung des Briefromans vorlegen würde, in der Werther überlebt, Lotte heiratet und mit ihr zehn Kinder hat, wer dann die auffälligen Differenzen zu der als Reclam-Heft seit Generationen in den Schulen verwendeten Fassung damit erklärt, dass Germanisten das Werk vor seiner Geburt verfälscht hätten, es ist wohl klar, welchem Lager man diesen Goethe-Epigonen zurechnen würde. Wer also 2015 so genau hingeschaut hätte wie jetzt bei Xavier Naidoo und Attila Hildmann, dem müsste klar sein, dass Hunderttausende von Menschen ohne Visum nach Deutschland eingereist sind, die an kruden antisemitischen Verschwörungsquatsch glauben, der keiner wissenschaftlich-kritischen Überprüfung standhält. Sollte man da nicht auch einfach mal sagen: „Diskutieren ist Zeitverschwendung. Was dagegen hilft, ist Druck“? Und wenn man das nicht tut, wie will man das Attila Hildmann und Xavier Naidoo erklären? Mit einem neuen Diskriminierungsparagrafen, womöglich eigens noch für sie zu schaffen? Einem neuen „Deutsche, wehrt Euch, kauft nichts von Naidoo“?

    Mit der Entlarvung dieser paradoxen doppelten Moral fällt die Maske vom Gesicht linker Ideologen, die, wie es Gregor Gysi selbst vor Jahren in einem Interview mit dem Spiegel zugab, ihrem Wesenskern nach intolerant und damit letztlich auch nicht demokratiefähig sind. Ihnen schwebt ein gelenktes Gemeinwesen nach dem Vorbild Chinas vor, in der über vermeintlich unhinterfragbare Wahrheiten wie den Klimawandel, die Eine-Welt-Ideologie, die Gleichheit aller Menschen, Geschlechter und Nationen und die Gefährlichkeit eines Virus nicht mehr gestritten werden muss. Die Partei der Erleuchteten – so formulierte es Natascha Strobl – hat immer Recht! Diese „Erleuchteten“ aus Politik und Medien nehmen zwar die Widersprüche in den Denkmustern von Dissidenten sehr genau zur Kenntnis. Für die Brüche in den eigenen ideologischen Schablonen sind sie dagegen blind: Spiegel -Autor Manfred Dworschak beispielsweise spintisierte 2018 in seinem Beitrag „Warum die Lüge in der Politik so erfolgreich ist“ eine Art AfD-Machtergreifung herbei – eine lupenreine Verschwörungsfantasie.

    Die selbsternannten Wahrheits- und Tugendwächter des Politik- und Medienbetriebs folgen der Tradition von Maximilien de Robespierre und Karl Marx, die für andere Deutungen als die jeweils von ihnen selbst als wahr und richtig erkannte nicht offen waren und Gewalt befürworteten, um dem als wahr und richtig Erkannten zum Sieg zu verhelfen. Wer jetzt offen zur Stigmatisierung und zum Boykott von „Verschwörungstheoretikern“ aufruft, der begibt sich in unliebsame Gesellschaft. Schon einmal wurde in Deutschland kollektiv zum Boykott der Geschäfte einer als schädlich bezeichneten Minderheit aufgerufen, deren einziges Verbrechen darin bestand, einen anderen Glauben zu haben. Wer argumentiert wie Manfred Dworschak, Matthias Schwarzer und Sebastian Leber ist ein geistiger Brandstifter. Er ebnet die Bahn für Pogrome.

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