Stolperstart für Friedrich Merz: Während deutsche Mainstream-Medien auf die Abweichler eindreschen, zeigt sich international ein ausgewogeneres Bild. Wir präsentieren Ihnen die wichtigsten Pressestimmen. Was wir wirklich von Merz in der Von-der-Leyen-EU zu erwarten haben, lesen Sie in unserer Mai-Ausgabe mit dem Titelthema: „Die Diktatorin – Blitzkrieg gegen die Völker“. Ohne politisch korrekten Filter. Hier mehr erfahren.
In den deutschen Medien herrscht ein bedenklich regierungsnaher Ton vor. Die Presse als vierte Gewalt? War gestern! Jetzt zählt man durch die Blume jene Abweichler an, die es gewagt hatten, Merz im ersten Wahlgang die Zustimmung zu verweigern, also von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen. Die werden quasi als staatsgefährdend hingestellt.
Obrigkeitshörige Medien
So schreibt etwa der Münchner Merkur:
„Das historisch beispiellose Scheitern von Friedrich Merz im ersten Kanzler-Wahlgang ist ein Menetekel, das über den Tag hinausweist: Zerfall und Verwahrlosung in der politischen Mitte sind weit vorangeschritten, wenn Abgeordnete lieber zündeln, als angesichts der Bedrohungen durch innere und äußere Feinde ihrer Verantwortung für unser Land und seiner Demokratie gerecht zu werden.“
Noch obrigkeitshöriger geriert sich das Hamburger Abendblatt. Die Tageszeitung nennt das Wahlverhalten der Abgeordneten „unverzeihlich“ und meint:
„Natürlich ist das Mandat frei und die Wahl geheim: Doch bei der SPD hatten die Genossen gerade erst mit fast 85 Prozent den Koalitionsvertrag gebilligt; auch bei der Union hatte niemand im Vorfeld mutig sein Nein begründet. Der Schaden, den die Abgeordneten angerichtet haben, ist erheblich.“
Und weiter: „Die Autorität des Kanzlers im In- wie im Ausland ist beschädigt, seine Führungsstärke hat gelitten, das Vertrauen zwischen den Partnern ist dahin. Die Aufbruchstimmung, die neue Köpfe und kluge Kompromisse hätten erzeugen können, droht zu verfliegen. Das war kein guter Tag für die Demokratie.“
In dieses Horn stößt auch die Neue Osnabrücker Zeitung, die schreibt:
„Es gibt Leute, die Merz regelrecht hassen, weil er für Werte steht, die sie ablehnen. Oder weil er ihnen in vielen Jahren des politischen Wirkens wehgetan hat, womöglich zuletzt mit der Besetzung von Posten in der Regierung. Trotzdem ist Merz Durchhaltevermögen zu wünschen – und dem Land ebenfalls. Mit Appeasement und dem Befrieden von Klientelinteressen, mit Rücksichtnahme auf eine überbordende politische Korrektheit und der permanenten Angst vor Kritik wird die Regierung nichts gewinnen können.“
Das Blatt fährt fort: „Der gescheiterte erste Wahlgang illustriert, dass an der deutschen Krise nicht Russland Schuld trägt, nicht ein anderes Land oder Donald Trump und Corona schon gar nicht. Die Deutschen stehen sich selbst im Weg, die Parlamentarier mit ihrem Gebaren allen voran. Zeit, das zu ändern.“
Nur verhaltene Kritik
Nüchterner sieht die Sache die Nürnberger Zeitung, die feststellt, dass „die Aufbruchstimmung (…), auf die sowohl Friedrich Merz als auch Lars Klingbeil gesetzt haben, um eventuell zweifelnde Abgeordnete hinter sich zu versammeln beziehungsweise bei der Stange zu halten“, erst einmal „dahin“ sei.
Das Linken-nahe Blatt ND (ehemals Neues Deutschland) warnt indes vor der blauen Opposition, die von dem Chaos bei der Kanzlerwahl profitiere. Die Zeitung schreibt:
„Warum auch immer: Die eigenen Leute haben dem neuen Kanzler gleich zum Start die Grenzen gezeigt. So wie Merz im Januar seine Macht testete, als er mit den Stimmen der AfD das Asylrecht verschärfen wollte. Klar ist, wer von Merz’ Straucheln profitiert: die AfD. Die extrem rechte Partei jubilierte, als Merz im ersten Wahlgang durchgefallen war. Ihre Führungsfiguren forderten sofort Neuwahlen und machten Kooperationsangebote in Richtung Union. Die Strategie dahinter ist durchsichtig: Die AfD will die Union spalten und dafür sorgen, dass bei Regierungsbildungen kein Weg an ihr vorbeiführt.“
Die Frankfurter Neue Presse bemängelt: „Die sich auch gesellschaftlich leider ausbreitende Unfähigkeit zu Kompromiss und Einsicht hat schon die Ampel-Koalition scheitern lassen, ebenso ihr Machttaktieren. Bedauerlicherweise ist durch den ersten Wahlgang nun der Eindruck entstanden, dass in der neuen schwarz-roten Regierung ähnliche Defizite herrschen – und das schon zu Beginn und sogar innerhalb einer Partei. In der Ampel war zumindest anfangs Einigkeit.“
Immerhin leichte Kritik am neuen Kanzler bringt die Augsburger Allgemeine an, die notiert:
„Wenn dieser Tag überhaupt etwas Gutes haben kann, dann ist es das: Merz muss erkennen, dass er so nicht weitermachen kann. Was in den vergangenen Wochen immer wieder verstörend auffiel, ist die absolute Selbstgewissheit, man könnte fast sagen Hybris, mit der Merz markige Entscheidungen verkündet – nur, um sie dann umgehend wieder einzurollen oder einzugestehen, dass sein Vorgehen nicht richtig zu Ende gedacht war.“
Ähnlich urteilt die Taz:
„So oder so: Dieser Dienstag war keine Sternstunde für Merz, vielmehr ein schmerzhafter Bauchklatscher – für den Merz selbst Anlauf genommen hatte. In seiner dirigistischen Art stellte er immer wieder vollmundige Ankündigungen in den Raum, die er anschließend kleinlaut wieder zurücknehmen musste. Dabei produzierte er reihenweise Enttäuschungen bei jenen Mitgliedern und Wählern der Union, die dem einstigen Aufsichtsrat glaubten, man müsse einfache Lösungen nur straff genug durchpauken, um erfolgreich zu sein. Seine verkorkste Wahl zum Kanzler hat gezeigt: Mehrheiten lassen sich nicht verordnen. Wer ständig polarisiert, darf nicht erwarten, dass ihn alle tragen, wenn er es braucht.“
Natürlich darf in der deutschen Presselandschaft der Nazi-Vergleich nicht fehlen. Den zieht die Rhein-Neckar-Zeitung und meint:
„Adolf Hitler hat sich die Macht am 30. Januar 1933 nicht genommen. Sie wurde ihm überreicht. Es waren die Demokraten selbst, die die Demokratie in die Hände der Nazis legten. Und das bleibt unverzeihlich. Genau dieses Szenario stand am gestrigen Dienstag erneut bedrohlich über dem Himmel der Berliner Regierungszentrale: Eine Hand voll Abgeordneter aus Reihen von Union und SPD riskierten den Zustand der Unregierbarkeit, indem sie Merz ihre Stimme verweigerten.“
Einen guten Ratschlag für die neue Regierung hat schließlich der Spiegel parat. „Der neue Kanzler muss für seine Positionen werben, er muss Gegner einbinden, nicht nur in der Union, auch in der SPD. Er darf keine Gefolgschaft einfordern, sondern muss Entgegenkommen zeigen“, so die Hamburger Polit-Illustrierte.
Stabilität in Gefahr
International ergibt sich ein ausgewogeneres Bild. Die französische Zeitung Le Figaro hofft auf eine Stärkung der Achse Berlin-Paris. „Der neue Kanzler hat viele Zeichen der Annäherung an Paris gezeigt. (…) Doch auch die Differenzen werden nicht verschwinden: vor allem über das Mercosur-Abkommen, das Berlin zügig umsetzen will, oder über die zivile Nutzung der Kernenergie, die Frankreich besonders am Herzen liegt“, schreibt das Blatt.
Le Figaro fährt fort: „Und wie immer wird Deutschland seine Interessen mit aller Kraft verteidigen. Doch Berlin und Paris haben wieder den Willen, eine gemeinsame Sprache und Kompromisse zu finden. Will das Duo Merz-Macron der Motor Europas sein, muss es über die bloße Symbolik hinausgehen und Polen mit ins Boot holen und gleichzeitig Mut und Ehrgeiz bei konkreten Projekten zeigen.“
Die Washington Post kommentiert die deutsche Kanzlerwahl wie folgt:
„Friedrich Merz hat in der ersten Runde der Kanzlerwahl überraschend keine Mehrheit erhalten und damit eine neue politische Krise in Deutschland ausgelöst, sechs Monate nach dem Zerfall der vorherigen Regierung. Sein Scheitern im ersten Wahlgang zeigt die Zerbrechlichkeit der neuen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Erst im zweiten Wahlgang sicherte sich Merz die Kanzlermehrheit. Dieses historische Ereignis unterstreicht die Herausforderungen für Deutschlands politische Stabilität in einer Zeit globaler Unsicherheiten.“
Die linke Tageszeitung Avgi aus Griechenland sorgt sich vor allem um den sozialen Zusammenhalt, sieht nun neoliberale Zeiten heranbrechen. „Viele befürchten, dass sich seine Ansichten als Alptraum für die unteren sozialen Schichten erweisen könnten“, schreibt das Blatt und fährt fort: „Der ‚Pilot‘ Merz verspricht Höhenflüge, aber sowohl seine Phraseologie als auch die Auswahl seiner Mitarbeiter riechen nach neoliberalem Naphthalin und reuelosem Konservatismus.“
Auf dem Schleudersitz
Die dänische Tageszeitung Politiken hofft indes auf wohldosierte Führungsqualitäten im woken Wunderland:
„Vielleicht ist es an der Zeit, die deutsche Identität nicht nur negativ – als nicht-nazistisch, nicht-nationalistisch, nicht-steuernd – zu definieren, sondern als eine positive Verantwortung, die eher aus Ehrgeiz als aus Schuldgefühlen entsteht. Doch die Erfahrungen Europas mit großen Ländern, die versuchen, ’sich selbst zu finden‘, sind, gelinde gesagt, gemischt. Je mehr ein Land auf seiner eigenen Identität beharrt, desto weniger nimmt es die Ängste seiner Nachbarn wahr. Und das Paradox bleibt: Europa braucht deutsche Führung, aber nur, wenn diese auch weiterhin von Zweifeln geprägt bleibt. Friedrich Merz hat Deutschland eine neue Stimme gegeben. Jetzt muss er zeigen, dass er auch zuhören kann.“
Der US-Sender CNN spricht hingegen von „einer peinlichen Abstimmung im Bundestag“ und stellt fest: „Dieses Debakel wirft Fragen über die Stabilität der neuen Regierung auf, während Deutschland dringend eine starke Führung braucht, um wirtschaftliche und geopolitische Herausforderungen zu meistern.“
Ähnlich sieht es die New York Times, die zu dem Schluss kommt:
„Es war ein ernüchternder Rückschlag für Friedrich Merz, der im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl scheiterte, da er die benötigte Mehrheit verfehlte. Deutschland steht unter wachsendem wirtschaftlichen und außenpolitischen Druck, und dieses unerwartete Ergebnis zeigt die Spannungen in der neuen Koalition. Merz’ Wahl im zweiten Wahlgang bringt Erleichterung, doch die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung könnten seine Autorität auf internationaler Bühne schwächen.“
Einen realistischen Blick auf die Lage zeigt schließlich das tschechische Online-Portal Cesky rozhlas. Kommentator Robert Schuster merkt an: „Zwei Monate nach der Wahl sind die Umfragewerte seiner Partei stetig rückläufig und liegen jetzt hinter denen der AfD. (…) Sollte Merz die Erwartungen, die er vor der Wahl beispielsweise auch beim Thema illegale Migration geweckt hatte, nicht erfüllen, würde er in den Augen seiner Wähler wohl auf jeden Fall verlieren. Ob es möglich ist, mit einer solchen Hypothek zu regieren, ist fraglich.“
Schluss mit Mainstream-Blabla: Was wir wirklich von Merz in der Von-der-Leyen-EU zu erwarten haben, lesen Sie in unserer Mai-Ausgabe mit dem Titelthema: „Die Diktatorin – Blitzkrieg gegen die Völker“. Ohne politisch korrekten Filter. Hier bestellen.