Vier Jahrzehnte Metallica: Keine Band der härteren Gangart hat so viele Platten verkauft. Die Konzerte der Kalifornier sind immer noch ekstatische Ereignisse, die Musik ist ein Stück Kulturgeschichte. Ein Auszug aus COMPACT 10/2021 mit dem Titelthema «Die Horror-Wahl». Hier mehr erfahren.

    Im selben Jahr und auf einem Planeten, aber in ungleiche Verhältnisse werden 1963 zwei Jungs geboren, die gemeinsam die Musikwelt auf den Kopf stellen und die erfolgreichste Metal-Band aller Zeiten begründen sollten.

    James und Lars

    James Hetfield erblickt in Los Angeles das Licht der Welt. Seine Eltern, eine Operettensängerin und ein LKW-Spediteur, erziehen ihre Kinder nach der Christian-Science-Lehre, der gemäß Heilung nicht durch ärztliche Behandlung, sondern mit Gebet und Glaube gelingt. Das macht den Jungen zum Außenseiter – er darf nicht ins Football-Team, weil der Vater den erforderlichen Gesundheitscheck untersagt.

    James ist 13, als sich die Eltern trennen, und findet Trost in den Platten von Black Sabbath, Deep Purple und AC/DC. Nach seinem ersten Open-Air-Festival will der von starker Akne geplagte Teenager nur noch Rockstar werden, mit 15 bekommt er die erste Gitarre von Mutter Cynthia geschenkt.

    Das Schicksal schlägt erneut zu, als diese wenig später an einem Hirntumor stirbt. Mit seiner Schwester muss er zum Bruder ziehen und die Schule wechseln, das Verhältnis zu seinem Vater ist zerrüttet.

    «Scheiße, das ist der schlechteste Drummer der Welt.» Bandkollege über Lars Ulrich

    Zu dem Zeitpunkt hat Hetfield bereits eine eigene Band, weitere Projekte folgen, und beim Highschool-Abschluss verfügt er über einige musikalische Erfahrung, als Gitarrist etwas mehr, als Sänger etwas weniger.

    Gemeinsam mit seinem Kumpel Ron McGovney, bei dem er seit dem Frühjahr 1981 wohnt, richtet er zwar einen Proberaum ein und covert Songs; die beiden können sich aber nicht zu regelmäßigen Auftritten aufraffen. Stattdessen wird gesoffen bis zur Alkoholvergiftung. McGovney kann damals, so das Magazin Rock Hard, «kein E-Moll von einem Pullmoll unterscheiden».

    Die aktuelle Besetzung der Metal-Titanen: Bassist Robert Trujillo (l.) stieß 2003 kurz vor Veröffentlichung des Albums «St. Anger» dazu. Zuvor hatte er für Suicidal Tendencies und Ozzy Osbourne die Saiten gezupft. Foto: Promo

    Lars Ulrich wird in Dänemark geboren. Er ist der Sohn des Tennis-Profis Torben Ulrich und reist als Kind mit seinen Eltern um die Welt. Immerhin erreicht der Vater, ein großer Jazz-Fan, 1968 das Achtelfinale der US Open und spielt bis 1978 für das Königreich im Davis Cup.

    Lars’ Patenonkel ist der legendäre Saxofonist Dexter Gordon. Wie sein Vater will der Junge zunächst Tennis-Profi werden, gehört tatsächlich zu den zehn besten Junioren des Landes. Dementsprechend ist Guillermo Vilas, Playboy und Star des weißen Sports aus Argentinien, sein erstes Idol.

    «Master of Puppets» ist für viele Fans bis heute das Flaggschiff der Band.

    Doch bereits mit zehn Jahren ist es um ihn geschehen: In Kopenhagen besucht er ein Deep-Purple-Konzert. Von nun an will er Musiker werden. Die Großmutter schenkt ihm schließlich ein Schlagzeug, bevor die Familie in einen reichen Vorort von Los Angeles übersiedelt.

    Lars schafft es zunächst nicht, in einer Combo Fuß zu fassen und schaltet im April 1981 eine Anzeige: Musiker sucht Band. Hetfield und McGovney laden ihn zur Probe ein, der Raum wird eigens dafür angemietet, Ulrich darf zahlen, McGovney konstatiert aber: «Scheiße, das ist der schlechteste Drummer der Welt.»

    Melodische Massaker

    Das Blatt wendet sich, als ein Freund von Lars harte Underground-Bands, die keinen Plattenvertrag haben, auf einem Sampler vereinen will. Der junge Schlagzeuger, der weder eine Band noch einen Song, dafür aber eine umso größere Klappe und spieltechnisch dazugelernt hat, schafft es tatsächlich, sich eine Nummer auf der Scheibe zu sichern und ruft bei Hetfield an, dem einzigen Musiker der Stadt, den er kennt. Die beiden jungen Männer fressen plötzlich einen Narren aneinander.

    Der Klassiker von 1986. Seit dem «Black Album» (1991) landete jede Scheibe von Metallica in Deutschland und den USA auf Platz 1 der Charts. Foto: Promo

    Sie nehmen unter erschwerten Bedingungen «Hit the Lights» auf (später Titel Nummer eins des 1983 veröffentlichten Debütalbums Kill ‘Em All ).

    Hetfield muss neben der Rhythmusgitarre auch den Bass-Part einspielen, der kurzweilige Gast Lloyd Grant, ein Jamaikaner, die Leadgitarre; mit einem geliehenen Vierspurgerät wird aufgezeichnet. Während sie schon im Studio sind, wird Grant gegen einen gewissen Dave Mustaine ausgetauscht.

    Noch fehlt aber ein Bandname. Wieder hat Ulrich die richtigen Kontakte und einen guten Riecher. Ein Kumpel gründet ein Fanzine und hält ihm mehrere Namensvorschläge unter die Nase.

    Der Drummer rät dem Freund zu «Metal Mania», wohl wissend, wie cool und griffig «Metallica», das ebenfalls auf dem Zettel steht, klingt. Den Namen sichert sich Ulrich. Hetfield ist sofort begeistert und entwirft persönlich den bis heute signifikanten Schriftzug. «Hit the Lights» wird schließlich tatsächlich unter Metal­lica auf dem Sampler Metal Massacre  veröffentlicht. Am 14. März 1982 tritt die Band zum ersten Mal auf.

    Es folgen eineinhalb turbulente Jahre. Cliff Burton, der bei der ersten Jam-Session, so O-Ton Mustaine, problemlos «Bach, Beethoven, Pink Floyd und Metal unter einen Hut» bringt, ersetzt McGovney. Auch mit Mustaine, der sich schon mal nach 15 Bier hinter das Lenkrad des Tour-Busses setzt, sind Ulrich und Hetfield unzufrieden.

    Erst im allerletzten Moment, während der neue Leadgitarrist Kirk Hammett bereits zum Vorspielen im Flieger sitzt, werfen sie das Enfant terrible, das später selbst mit Megadeth Welterfolge feiern soll, hinaus, weil sie, so Ulrich, «Angst hatten, er würde uns mit einem Fleischermesser auflauern». Zwischen Juli 1983 und Juli 1984 erscheinen dann, allen Widrigkeiten zum Trotz, die ersten beiden Langspielplatten der Band. In Insiderkreisen schlägt bereits der Erstling ein wie eine Bombe.

    Alte Zeiten: Metallica 1985. Ganz rechts Cliff Burton, der ein Jahr darauf bei einem Unfall ums Leben kam. Foto: Fin Costello/Redferns

    Ride the Lightning, das zweite Album, ist aus mehreren Gründen ein entscheidender Schritt nach vorn. Es gelingen drei eingängige Klassiker: Erstens verabschiedet man sich mit «Fade to Black» von dem Mantra, niemals eine Ballade schreiben zu wollen, zweitens ist «Creeping Death» bis heute einer der besten Opener der Bandgeschichte, drittens sendet «For Whom the Bell Tolls» mit einleitendem Glockengeläut eine meisterhafte Reminiszenz in Richtung AC/DCs «Hells Bells».

    Die dann folgende Trilogie wird zu einer Art testamentarischer Verfügung. Die Gruppe lotet dabei kompositorisch und technisch alle Möglichkeiten aus und erreicht schließlich Verkaufszahlen, in deren Gefilde sonst nur Michael Jackson oder Madonna vordringen. (Ene des Textauszugs)

    Die vollständige Hommage an Metallica lesen Sie in unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema «Die Horror-Wahl». Hier bestellen oder auf das Banner unten klicken.

    Kommentare sind deaktiviert.