Wurde Edelhure Rosemarie Nitribitt ermordet, weil sie einen Freier aus der Welt der Großen und Mächtigen erpresste? Der Fall ist bis heute ungeklärt – doch in seinem neuen Buch  «Rebecca» versucht Diether Dehm, Licht ins Dunkel zu bringen. Hier mehr erfahren.

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    Rosemarie Nitribitt, die ihre Freier aus der High Society unter dem Pseudonym «Rebecca» empfing, ist zweifelsohne ein Chamäleon gewesen. Bekannte und Zeitzeugen beschreiben sie abwechselnd als charmant oder vulgär, als mädchenhaft oder abgebrüht, als einsam und voller Ängste oder frech und dominant. Manche Kunden weinen ihr als zärtlicher Geliebter hinterher. Sicher ist: Die Gier der Dame wächst und wächst.

    Sie erpresst ihre Freier, droht ihnen mit Preisgabe ihrer Identität, behauptet auch schon mal, schwanger zu sein, um Geld für vorgebliche Abtreibungen zu kassieren. Nach dem Mord an der Prostituierten machen Gerüchte die Runde, «dass die Nitribitt zu viel wollte und Tonbänder mitlaufen ließ, wenn sie sich mit wichtigen Herren aus Politik und Gesellschaft im Bett wälzte, von Wirtschaftsspionage war gar die Rede», so Stefan Maiwald in seinem Buch «Mysteriöse Todesfälle».

    Das Mädchen Rosemarie

    Dabei erregt weniger das Verbrechen die Gemüter, als der Umstand, dass die Ermordete es mit ihrer Unmoral zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht hat – das Nachlassgericht setzt dessen Wert auf 120.000 D-Mark fest. Zum Vergleich: Ein Facharbeiter musste damals mit einem Jahresbrutto von etwa 5.000 Mark auskommen.

    Die Ermittlungen der Kripo verlaufen erstaunlich zäh, obwohl (oder vielleicht gerade weil) sich Polizeipräsident Gerhard Littmann persönlich des Falles bemächtigt. Rosemaries prominente Freier, viele durch das Gewitter der Schlagzeilen verschreckt, melden sich bei Littmann am Hinterausgang des Präsidiums und dürfen mit äußerster Diskretion rechnen. Die Boulevardpresse hat Rosemarie Nitribitt mittlerweile zur Berühmtheit gemacht.

    Polizeifoto von Rosemarie Nitribitt. Foto: Kriminalmuseum Frankfurt am Main/Polizeipräsidium Frankfurt am Main

    Festnahme, Prozess, Freispruch

    Schließlich wird am 5. Februar 1958 der Handelsvertreter Heinz Christian Pohlmann festgenommen, ein enger Bekannter der Ermordeten. Elf Monate sitzt der Mann, gegen den etliche Indizien sprechen, im Gefängnis. Unterdessen geschieht etwas höchst Verdächtiges: Die Illustrierte Quick nimmt Pohlmann unter Vertrag und druckt seine persönliche Story in mehreren Fortsetzungen ab. Doch als der dubiose Schreiber beginnt, von einem geheimnisvollen «Mann mit 500 PS» zu orakeln, dessen silbergerahmtes Foto auf einer Kommode der Nitribitt-Wohnung gestanden habe und das seit dem Mord spurlos verschwunden sei, bricht die Serie abrupt ab.

    Die Begründung des Verlags ist mehr als fadenscheinig. Weder eine Kritik des Deutschen Presserates, noch plötzliche Skrupel, man greife in ein laufendes Verfahren ein, sind der Grund. Zutreffender dürfte die Variante sein, ein deutscher Großindustrieller «aus dem Ruhrgebiet» habe den mehrfach vorbestraften Pohlmann mit einem großen Geldbetrag – die Rede geht von mindesten 50.000 D-Mark – zum Schweigen gebracht.

    Nach einem Mordprozess im Juli 1960 wird der Angeklagte aus Mangel an Beweisen freigesprochen, obwohl mehrere Zeugen versichern, dass er am Tattag die Wohnung in der Stiftstraße verlassen habe, und manches dafür spricht, dass er 20.000 D-Mark aus einem Schrank der Toten entwendet hatte. Bis zu seinem Tod 1990 äußert er sich nie mehr zu dem Fall.

    Zwei Verfilmungen

    Der Filmregisseur Rolf Thiele kündigt schon wenige Tage nach der Entdeckung des Mordfalls an, er werde die Affäre cineastisch verarbeiten. Bei den Dreharbeiten zu «Das Mädchen Rosemarie» mit Nadja Tiller in der Hauptrolle hat Thiele immer wieder gegen den Widerstand von Firmen und Personen anzukämpfen, die Angst haben, mit dem Skandal in Verbindung gebracht zu werden.

    In Frankfurt am Main kann nur unter konspirativen Umständen gefilmt werden. «Wir haben dort heimlich gedreht, im Morgengrauen, die Kamera stand in einem Bus mit schwarzen Vorhängen», erinnerte sich Nadja Tiller. Die Atmosphäre sei «total hysterisch» gewesen. Der Streifen wird 1958 jedenfalls ein riesiger Erfolg: Acht Millionen Zuschauer wollen die Geschichte der der motorisierten Liebesdame sehen.

    Weniger gelungen ist die Neuverfilmung des Stoffes durch Bernd Eichinger 1996 mit Nina Hoss in der Titelrolle. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Frau Hoss darin gelegentlich Körperteile präsentiert, die man normalerweise nur einem intimen Freund oder dem Gynäkologen zeigt.

    Doch warum musste die Nitribitt sterben? Wer hatte ein Motiv? Mit diesen Fragen setzt sich Diether Dehm in seinem neuen Werk «Rebecca» auseinander. Der Autor hat eine dreiteilige Familiensaga verfasst, die von den Anfängen der BRD bis zum Ende der Kohl-Ära reicht. Das Besondere: Dehm hat selbst einen Bezug zu dem Fall. Er stammt aus Frankfurt und kennt das dortige Milieu seit seiner Jugend – und seine Mutter war damals Zeugin im Nitribitt-Prozess!

    Im ersten Teil seiner «Rebecca»-Trilogie mit dem Titel «Aufstieg und Niedertracht» gerät der Arbeitszettel eines polnischen Maurers aus der Jackett-Tasche eines Ministers in Rosemarie Nitribitts Hände. Das Papier belastet den Deutsche-Bank-Manager Hermann Josef Abs schwer…

    Von Jürgen Elsässer empfohlen: In seiner Trilogie «Rebecca» arbeitet Diether Dehm den Fall Nitribitt unter besonderen Gesichtspunkten auf. Teil 1 «Aufstieg und Niedertracht»  ist soeben erschienen. Sie können das Werk hier bestellen.

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