Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe. Der überraschende Rückzug der Israelis aus dem Südlibanon geht mit einer türkisch-dschihadistischen Offensive in Nordsyrien einher. Die strategische Bedeutung der Region verdeutlicht der Historiker Rolf Steininger in seinem Werk „Die USA, Israel und der Nahe Osten“. Die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung auf der Basis umfangreicher Akten. Hier mehr erfahren.

    Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe. Während Israel und der Libanon eine Waffenruhe vereinbart haben, mit deren Umsetzung offenbar bereits begonnen wurde, kommt es in Syrien zu einer überraschenden Offensive pro-türkischer Milizen und islamistischer Gruppen, die Stellungen der syrischen Regierungstruppen überrennen, auch iranische Revolutionsgarden, Hisbollah-Einheiten und russische Soldaten sollen an den Kämpfen beteiligt sein. Eine Annäherung zwischen der Türkei unter ihrem Präsidenten Erdogan und Syrien unter Assad, die sich in den vergangenen Monaten abgezeichnet hatte, rückt damit wieder in weite Ferne. Und Syrien droht wieder zum Schmelztiegel verschiedenster Interessen zu werden.

    Ein paar Einschätzungen zu den aktuellen Vorgängen im Nahen Osten:

    1.) Durch die Waffenruhe und den Rückzug Israels aus dem Südlibanon wurde das israelische Kriegsziel, die Hisbollah zu zerschlagen, nicht erreicht. Die Organisation wird weiter bestehen, ist allerdings deutlich stärker geschwächt, als in den beiden Kriegen zuvor. 

    2.) Israel hat angekündigt, nach dem Ende der Kämpfe im Norden wieder verstärkt den Iran ins Visier zu nehmen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es erneut zu direkten Konfrontationen beider Länder kommt, insbesondere durch Mossad-Anschläge Israels, sowie iranische Raketenangriffe.

    3.) Direkt an der syrisch-türkischen Grenze halten pro-türkische Milizen und mehrere islamistische Gruppen / Terrororganisationen (etwa Haiat Tahrir al-Scham, kurz HTS) im Großraum Idlib eines der wenigen verbleibenden Gebiete besetzt, das nicht durch die syrische Regierung oder – im Nordosten des Landes – kurdische Gruppen kontrolliert wird. Die überraschende Offensive in Richtung Aleppo ist eine Eskalation an dieser Front und verunmöglicht mittelfristig eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien.

    4.) Berichten in sozialen Netzwerken zufolge wurden neben Einheiten der syrischen Armee auch Hisbollah-Einheiten, iranische Revolutionsgarden und russische Soldaten angegriffen. Als Reaktion auf die Offensive flog die russische Luftwaffe Angriffe auf die vorrückenden Rebellen. Es ist unklar, ob der Vormarsch gestoppt wurde, jedoch erreichten die Angreifer sogar Vororte von Aleppo, mit 2 Millionen Einwohnern nach Damaskus die zweitgrößte syrische Stadt.

    5.) Der plötzliche Angriff dürfte für die Angegriffenen zur Unzeit kommen: Die Hisbollah hat keine Kapazitäten, um ihre Kräfte in Syrien zu verstärken, auch der Iran hat seinen Schwerpunkt zuletzt aus Syrien verlegt. Und Russland, das seit über 10 Jahren gegen diverse Umsturzversuche in Syrien kämpft und der Regierung von Bashar Al-Assad den Rücken freihält, dürfte ebenfalls wenig Interesse daran haben, weiteres Militär nach Syrien zu verlagern. Alleine ist die syrische Armee nicht handlungsfähig. Die aktuelle Offensive ist daher ein Rückschlag für die Bemühungen der Regierung, mittelfristig wieder die Kontrolle über das gesamte Syrien zu erlangen.

    Das Aufflammen der Kämpfe zeigt, dass nach wie vor in Syrien verschiedenste Mächte aufeinandertreffen, weshalb es auch falsch ist, von einem „syrischen Bürgerkrieg“ zu sprechen, denn die wenigsten Akteure sind syrische Staatsbürger. Besonders interessant ist jedoch, dass fast parallel mit der Waffenruhe im Libanon der weitgehend statische Konflikt in Syrien wieder eskaliert. Böse Zungen würden sagen, dass es in dieser Region (und durchaus auch einige tausend Kilometer weiter weg) durchaus Kreise gibt, denen es sehr recht ist, wenn im Nahen Osten kein Frieden Einzug erhält.

    Über die Tagespolitik hinaus: Im globalen Spiel der Mächte ist der Nahe Osten eines der Hauptfelder der amerikanischen Politik. Die USA sind die entscheidende Macht in der Region, die von strategischer Bedeutung ist. Der renommierte Historiker Rolf Steininger hat mit „Die USA, Israel und der Nahe Osten“ auf der Basis umfangreicher Akten die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung dazu vorgelegt. Ein Werk, das umfassend informiert. Hier bestellen.

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