Das Thema Migration beherrschte die Debatte über die Zukunft Europas am 1. September auf dem Strategieforum im slowenischen Bled. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban forderte, die Befugnisse zur Steuerung der Einwanderung den Nationalstaaten zu übertragen. Mehr über Orbans Vision von einem künftigen Europa lesen Sie in dem Buch Make Europe Great Again von Petr Bystron. Hier mehr erfahren.

    _ von Mariann Öry

    Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa rief bei der Eröffnung des Strategieforums am Mittwochmorgen zu einem starken Europa auf, das sich auf starke Mitgliedsstaaten stützt. David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, hielt die Grundsatzrede zur Eröffnung einer Podiumsdiskussion über die Zukunft Europas. Der sozialistische italienische Politiker, der als einziger der Teilnehmer kein Englisch sprach und seine Worte von einem Dolmetscher übersetzen ließ, plädierte in einem Großteil seiner Rede für die Verteilung von Asylbewerbern.

    In seiner Antwort auf eine Frage zum Wesen der Politik betonte Orban, dass die Aufgabe der politischen Führer darin bestehe, das Volk und die Nation auf die Zukunft vorzubereiten, und dazu müssten sie zunächst verstehen, wie diese Zukunft aussehen werde. Danach müsse festgelegt werden, welche Instrumente zur Verfügung stehen, welche nicht und wie letztere zu beschaffen sind.

    Bootsmigranten vor Lampedusa. Foto: photofilippo66 I Shutterstock.com

    Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis betonte das Krisenmanagement, Jansa die Notwendigkeit, unterschiedliche Interessen zu koordinieren, und der serbische Präsident Aleksandar Vucic trat für mutige Entscheidungen ein.

    Achse Budapest – Prag – Athen

    Die Migration war ein wichtiges Thema in der Debatte, wobei die führenden Politiker ihre Differenzen zum Ausdruck brachten. Im Gegensatz zu Sassolis einwanderungsfreundlichen Äußerungen vertrat der griechische Ministerpräsident Kiriakos Mikotakis die Ansicht, dass man aus den Fehlern der Migrantenkrise von 2015 lernen, Asylbewerbern vor Ort helfen und die Grenzen schützen sollte.

    Orban erinnerte daran, dass er 2015 der Erste war, der davor warnte, dass die Massenmigration die Sicherheit und die kulturelle Identität Europas bedrohe. Er erklärte, dass es in dieser Frage erhebliche Meinungsverschiedenheiten gebe, und dass alle Befugnisse im Bereich der Migration an die Nationalstaaten zurückgegeben werden müssten, wenn man nicht wolle, dass sie die Union auseinanderreißen. Außerdem wies er darauf hin, dass Ungarn die demografischen Probleme nicht durch Migration, sondern durch eine traditionelle, christliche Familienpolitik angehen will.

    Ungarische Kinder am Nationalfeiertag in Budapest. Foto: okoscso | Shutterstock.com

    Der tschechische Premierminister bezeichnete die Situation in Afghanistan als Schande und Katastrophe. Er erinnerte auch daran, dass er und Orban ihr Veto gegen die „dumme Idee“ von Asylbewerber-Quoten eingelegt hatten.

    Zum Thema Migration zog Sassoli eine Analogie zur Erfahrung des Zusammenbruchs des Römischen Reiches, worauf Viktor Orban später erwiderte, dass die historischen Erfahrungen Ungarns eine relevantere Parallele darstellen, da alle Migranten, die heute in Europa ankommen, Muslime seien. Er warnte, dass die jetzt ankommenden Migranten die Zusammensetzung Europas verändern und unser gemeinsames christliches Kulturerbe in Frage stellen würden.

    Serbien und Kroatien

    Auf die EU-Erweiterung angesprochen, betonte der ungarische Ministerpräsident, dass der Beitritt Serbiens zur EU von strategischer geopolitischer Bedeutung sei. Vucic äußerte sich enttäuscht über die Beitrittsverhandlungen. Er sagte, dass die westlichen Balkanländer wegen der Verzögerung ihrer EU-Integration nach eigenen Lösungen suchen, um ihre Interessen zu schützen, auch wenn nicht alle darüber glücklich sind.

    Zur Zukunft Europas sagte Orban, seine Vision sei es, „zusammen zu bleiben“. Dies setze wirtschaftlichen Erfolg voraus, ohne den es keine politische Basis für gemeinsame Werte gebe.

    Im September 2015 schloss Ungarn mit der Errichtung eines Zauns die Grenze zu Serbien, um die Völkerwanderung nach Europa zu stoppen. Foto: Fotosr52 I Shutterstock.com

    In Bled diksutierte Orban zudem mit seinem kroatischen Amtskollegen Andrej Plenkovic über die politische Lage in Europa, die Zukunft der EU und die ungarisch-kroatische Zusammenarbeit, so Bertalan Havasi, Pressechef des Ministerpräsidenten, gegenüber der ungarischen Presseagentur MTI.

    Bei dem Treffen dankte der kroatische Premierminister Ungarn für seine Hilfe bei der Beseitigung der Schäden, die das Erdbeben in Kroatien im vergangenen Jahr verursacht hatte. Erörtert wurden auch aktuelle Fragen der ungarisch-kroatischen regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die Bedeutung des Grenzschutzes.

    Im Zusammenhang mit den laufenden Gesprächen über die Zukunft Europas waren sich Orban und Plenkovic einig, dass Mitteleuropa seine Interessen in den Verhandlungen vertreten müsse.

    Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitung Magyar Hirlap. Die deutsche Übersetzung wurde im Rahmen der Europäischen Medienkooperation von Unser Mitteleuropa übernommen. Überschrift, Zwischenüberschriften und Illustrationen wurden von unserer Redaktion eingefügt.

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