In der jungen Bundesrepublik wachten die Alliierten darüber, dass Vergangenheitsbewältigung, Westbindung und Umerziehung von der Politik als primäre Aufgaben angesehen wurde. Die „Erinnerungsarbeit“ mündete in einer regelrechten Charakterwäsche, so der Titel von Caspar von Schrenck-Notzings Klassiker aus dem Jahr 1965. In unserer Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner“ entreißen wir das Tabuthema dem Vergessen und geben den Opfern eine Stimme. Hier mehr erfahren.
_ von Dr. Günther Kriemel
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Nach dem Horror der US-Todeslager (vergleiche dazu den dritten Teil dieser Serie sowie COMPACT-Geschichte „Die Todeslager der Amerikaner: Massenmord an Deutschen auf den Rheinwiesen“) setzten die Besatzer künftig auf subtilere Methoden der Umerziehung. Die Alliierten verboten 1945 bis 1952 insgesamt 35.743 Werke der Literatur: Schul- und Kinderbücher, Poesie, Philosophie, Zeitschriftenbände, Märchen, Romane, geschichtliche Werke aller Epochen, Bildbände, Technik- und andere Fachliteratur. Jeder einzelne dieser Titel betrifft Tausende Exemplare aller Auflagen in Bibliotheken, Büchereien, Verlagen, Buchhandlungen und auch in privaten Beständen. Der Gesamtverlust kann nur in Dutzenden von Millionen Büchern abgeschätzt werden.
Verbote statt Bücherverbrennungen
Vielfach wurden von den Alliierten Titel „ausgesondert“, die auch vor 1945 verboten gewesen waren, etwa die Werke von Arthur Moeller van den Bruck. Die geistlosen „Bücherverbrennungen“ waren Demonstrationsakte, denen einige Dutzend oder Hundert einzelne Bücher zum Opfer fielen.
Nach JCS1067 (vgl. Erich Kern: Verheimlichte Dokumente) wurden alle Schulen geschlossen, die meisten Lehrer und 70 Prozent der Hochschullehrer ohne Pension entlassen, viele verhaftet und in eins der zahlreichen Lager eingeliefert, sie erlitten den sogenannten „automatic arrest“. Diese Lager waren vielfach Folterstätten. Die Folge bei der Wiedereröffnung der Schulen waren oft Klassen mit 80 – 100 Schülern, unterrichtet nach dem Dafürhalten eines unausgebildeten „Hilfslehrers“.

Nun folgte die „Charakterwäsche“ (vgl. hierzu Caspar von Schrenck-Notzing: Charakterwäsche). Es wurde vorausgesetzt, dass jeder Deutsch zu militärischer Aggression und einem autoritären „Nazismus“ neige. Ziel der Informationskontrolle war ausdrücklich nicht eine „Entnazifizierung“, alle Deutschen sollte es treffen. Der „Deutsche Sonderweg“ seit Luther manifestiere sich in der „Unfähigkeit der Deutschen, sich selbst zu regieren“ (zitiert nach Jacqueline Plum: Französische Kulturpolitik in Deutschland 1945-1955).
Die Verteufelung der Deutschen
Damit widerlegten die Alliierten höchstselbst ihre seit 1939 vertretene These, der Nationalsozialismus sei keine Volksbewegung gewesen, sondern fuße auf der Unterdrückung durch eine winzige tyrannische Clique. Lord Vansittart fasste das Unternehmen in die Worte, die Deutschen müssten insgesamt „einer seelischen Heilbehandlung unterzogen“ werden. Der Nationalsozialismus sei eine „Erscheinung der Dauerkrankheit der deutschen Seele“. Wieder einmal sollte ein „neuer Mensch“ geschaffen werden.

Die Sowjets errichteten ein kollektives Zwangssystem zur Meinungskontrolle; im Westen wurden alle Medien und öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (bis hin zu Karneval, Zirkus, Konzerten) verboten; dann wurde die Meinungsmacht einzelnen Deutschen durch „Lizenz“ übertragen, nach gründlichster Prüfung und psychologischen Tiefentests. Rückkehrer aus der Emigration wurden bevorzugt. Dieses lukrative Privileg konnte beim geringsten Verstoß auch wieder entzogen werden.
Die strikte Überwachung und Zensur durch alliierte Behörden waren auch bei den Hörigsten gefürchtet. Diese Übertragung der Kontrolle an hilfswillige Deutsche erfolgte aus psychologischen Gründen und diente allein der Effektivität, nicht etwa der Demokratisierung. Denn die Strukturen der Militärdiktatur wurden ja nicht etwa beseitigt. Erst 1949 wurde (im Westen) der totalen Rechtlosigkeit durch Kodifizierung als „Besatzungsstatut“ ein Mäntelchen umgehängt.
Umerziehung über ein neues Bildungssystem
Jeder Erwachsene musste seine gesamte Biographie in einem langen Fragebogen offenbaren. Spruchkammern nach Art von Revolutionstribunalen sortierten dann nach dem Grad der „Belastung“ und verhängten Sanktionen von Vermögenseinziehung bis Berufsverbot und Kerker.
In den Zonen der Westmächte lag das Hauptgewicht der „Umerziehung“ beim Bildungssystem. Besonders Kinder und Studenten sollten dem Einfluss der Familie entzogen und zu den Auffassungen der Alliierten gebracht werden. Unter höchster Geheimhaltung berieten mehr als 200 Gelehrte von Eliteuniversitäten 1943-46 in der britischen Geheimdiensthochburg Bletchley Park im Auftrag der Westalliierten, wie man mit Psychologischer Kriegsführung die Dekonstruktion des deutschen Geistes auf Dauer erreichen könne.
Die Theorien dazu lieferte die „Frankfurter Schule“. Die CIA finanzierte über verdeckte Stiftungen Jazzclubs, die Kunstrichtung des „Abstrakten Expressionismus“ und „Kunst am Bau“ ( vgl. hierzu Saunders Frances Stonor: Wer die Zeche zahlt… Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg).
Der US-Professor William Toel brachte es wie folgt auf den Punkt: „Mit einer perfiden Psycho-Strategie, ausgearbeitet von einer großzügig finanzierten Denkfabrik, wurde die deutsche Seele und das Deutschsein im Verlauf von 75 Jahren beinahe ausgemerzt.“ Es war eine bleierne Zeit. Und manchmal muss man sich fragen, wann sie eigentlich zu Ende ging.
In unserer Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner – Massenmord an Deutschen auf den Rheinwiesen“ entreißen wir dieses Tabuthema dem Vergessen und geben den Opfern eine Stimme. Hier bestellen.