Der US-Kongress hat 33.295 Seiten aus den Unterlagen zum Fall Jeffrey Epstein freigegeben. Die Dokumente geben Einblick in Polizeiberichte, Flugprotokolle und Gefängnismemos – doch die wichtigste Frage bleibt weiterhin unbeantwortet. Alles zu dem Fall und zu den Debatten im MAGA-Lager lesen Sie im Dossier „Trump im Zwielicht“ in der August-Ausgabe von COMPACT („Frauen in Angst“). Hier mehr erfahren.

Die Debatte über die Akten zum Fall des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein und seiner Komplizin Ghislaine Maxwell hat wieder an Fahrt aufgenommen. Epstein wurde 2019 tot in seiner New Yorker Gefängniszelle aufgefunden, während er auf Prozesse wegen Sexhandels mit zum Teil minderjährigen Mädchen wartete.
Im Fokus stehen nun Unterlagen, die Epsteins Kontakte zu prominenten und einflussreichen Personen dokumentieren – und ein System hinter offenbaren könnten. Wurden politische Akteure wie Bill Clinton, Bill Gates und möglicherweise auch Donald Trump von Epstein erpresst?
Und arbeitete der Finanzverwalter aus Manhattan womöglich nicht auf eigene Rechnung, sondern im Auftrag eines ausländischen Geheimdienstes? Auf die Antworten auf diese und weitere Fragen wartet die Öffentlichkeit nach wie vor.
Die Epstein-Akten umfassen FBI-Untersuchungen, Flugprotokolle, Gerichtsdokumente und Videos. Die US-Administration steht unter Druck, da Trump im Wahlkampf 2024 versprochen hatte, alle relevanten Dokumente und Dateien freizugeben, bisher aber nur Teile veröffentlicht hat.
Eine Umfrage von Ipsos im Auftrag der Nachrichtenagentur Reuters vom Juli 2025 ergab, dass die Mehrheit der Amerikaner (einschließlich Republikaner) glaubt, die Regierung verheimliche Details.
Zickzack-Kurs der US-Regierung
Nachdem vor einigen Monaten in der sogenannten Phase 1 vom US-Justizministerium mehrere zehntausend Seiten der Akten veröffentlicht worden waren, die allerdings wenig Neues zutage förderten, hieß es Anfang Juli aus Washington auf einmal, dass die übrigen Dokumente unter Verschluss bleiben werde. Die Klientenliste Epsteins, die laut Justizministerin Pam Bondi wenige Wochen zuvor auf ihrem Schreibtisch gelegen haben soll, gebe es angeblich gar nicht, verkündete Pressesprecherin Karoline Leavitt den überraschten Medienvertretern.
Am vergangenen Dienstag hat der Aufsichtsausschuss des US-Repräsentantenhauses nun doch 33.295 weitere Seiten mit Ermittlungsunterlagen zum Fall Epstein veröffentlicht. Die Dokumente stammen vom US-Justizministerium und gelten als bislang umfassendstes Material zu den Ermittlungen gegen den Finanzier und Sexualstraftäter.
Apollo News berichtet: „Die Unterlagen umfassen Gerichtsprotokolle, Polizeiberichte, Flugdaten sowie Video- und Fotoaufnahmen. Darunter befindet sich eine fast einstündige Videoaufzeichnung einer Durchsuchung von Epsteins Anwesen in Palm Beach im Jahr 2005. Die Beamten fanden dort Fotos nackter Frauen, Bilder Epsteins mit Ghislaine Maxwell sowie Aufnahmen, die ihn im Umfeld prominenter Persönlichkeiten zeigen.“
Was in den neuen Dokumenten steht
Die neuen Aktenseiten wurden auf Google Drive der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, das Material wird derzeit von unzähligen Medien ausgewertet. Politiker der US-Demokraten, etwa der Kongressabgeordnete Robert Garcia aus Kalifornien, kritisieren jedoch, dass gut 97 Prozent der Inhalte bereits öffentlich waren – zum Beispiel durch die Gerichtsverfahren gegen Epstein von 2005 und 2019 oder Maxwells Prozess 2021. Nur drei Prozent (das sind circa 1.000 Seiten) seien neu, basierend auf einer ersten Überprüfung, heiß es seitens der Demokraten im Repräsentantenhaus. Das sind die neuen Dokumente und Dateien:
◾️Logbücher der US Customs and Border Protection: Die Unterlagen (2000–2014) dokumentieren Epsteins Reisen mit seinem Jet („Lolita Express“) nach Paris, New York, Palm Beach und zu seiner Privatinsel St. Thomas (Virgin Islands). Einige Dokumente erwähnen junge Frauen als Passagiere. In einem Eintrag von 2021 aus Newark heißt es beispielsweise, Epstein suche ein „Date“, und er glaube, das Mädchen sei volljährig. Ein Eintrag von 2013 aus Palm Beach notiert Reisen mit „mehreren jungen Frauen, aber volljährig“. Es gibt keine neuen Namen von Prominenten, wohl aber die Bestätigung von Reisen zu seiner Insel.

◾️Videos und Filmaufnahmen: Veröffentlicht wurden nun 13 Stunden und 41 Minuten an Überwachungskamera-Aufnahmen von Epsteins Zelle in New York (9.–10. August 2019), inklusive der fehlenden Minute vor Mitternacht, die in früheren Veröffentlichungen fehlte und die Skepsis vieler nährte. Die Lücke war angeblich durch einen Kamerazwangsausfall verursacht worden. Die nun wie von Zauberhand nachgelieferten Bilder liefern allerdings keine neuen Erkenntnisse zur Todesnacht, belegen weder einen Suizid Epsteins noch dessen Ermordung. Zusätzlich gibt es Footage von Epstein, wie er ein Telefonat führt.
Darüber hinaus hat der US-Kongress Videos von Polizeiverhören (2005/2006) veröffentlicht: Dabei handelt es sich um Aufnahmen von Opfern (anonymisiert, Gesichter unscharf). Eine 17-Jährige etwa berichtet, Epstein habe 350 US-Dollar für Massagen bezahlt, bei denen sie entkleidet worden sei. Andere Frauen berichten von ihrer Rekrutierung als „Models“ (Zum Beispiel für die Dessous-Marke Victoria’s Secret und Geld für das Anwerben weiterer Mädchen. Ein Mitarbeiter sagte:
„Es gab viele sehr junge Mädchen im Haus, zweimal täglich Massageraum putzen.“
Außerdem gibt es Bodycam-Aufnahmen von der Durchsuchungen in Epsteins Palm-Beach-Haus (2005) – inklusive mehrerer Fotos von jungen nackten Frauen und Mädchen. Ein früherer Angestellter Epsteins bestätigte: „Viele sehr junge Mädchen besuchten das Haus, aber ich weiß nicht, ob Minderjährige.“
◾️Gerichtsdokumente und E-Mails: Die Akten von Epsteins Deal mit der Staatsanwaltschaft (2008) und Maxwells Prozess (2022) liefern kaum neue Erkenntnisse. Die E-Mails zwischen Epsteins Anwälten und den Staatsanwälten zu den Bewährungsauflagen sind zwar interessant, bringen aber ebenfalls keine neuen Hinweise. Eine juristische Vertreterin des Sextäters (Barbara Burns) sprach vom „Deal des Jahrhunderts“.
Es finden sich nach wie vor weder die Klientenliste noch Belege für Erpressungsversuche. Auch die weiteren Dokumente – redigierte FBI-Memos oder auch Unterlagen zur Befragung Maxwells durch den stellvertretenden Justizminister Todd Blanche (Juli 2025) – sind wenig ergiebig. Interessant ist: Maxwell beschrieb Trump als „freundlich, aber nie unangemessen“. Ist das die Wahrheit oder womöglich nur eine Gefälligkeitsaussage, um im Gegenzug vom US-Präsidenten begnadigt zu werden?
Steckt Trump mit drin?
Die Rolle von Trump in der Epstein-Affäre bleibt damit ungeklärt. Bekannt ist: Epstein und der heutige US-Präsident waren in Florida quasi Nachbarn, gingen in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren oft zusammen auf Partys. 2004 zerbrach die Männerfreundschaft, vermutlich wegen eines Streits um ein Immobiliengeschäft.
Nach Epsteins Verhaftung 2005 wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger distanzierte sich Trump von seinem Nachbarn. Dabei hatte er noch 2002 dem New York Magazine über Epstein gesagt:
„Ich kenne Jeff seit 15 Jahren. Toller Typ. Macht Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Es heißt sogar, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich – und viele von ihnen sind jünger.“
Vorwürfe gegen beide Männer erhob 2024 US-Model Stacey Williams. „So soll der US-Präsident sie 1993 in Anwesenheit von Epstein begrapscht haben. Williams erklärt, sie habe damals Epstein bei einem Besuch bei Trump im Trump Tower begleitet, als es zu dem Vorfall gekommen sei. Sie beschrieb die Situation als verdrehtes Spiel der beiden. So sollen sich die beiden Männer angelächelt haben, als Trump sie begrapschte“, schreibt dazu das Web-Magazin Watson. Der Beschuldigte wies die Vorwürfe zurück.
Die Spuren zum Mossad
Auch die wichtigste Frage bleibt nach der Veröffentlichung der neuen Akten ungeklärt: Arbeitete Epstein im Auftrag eines ausländischen Geheimdienstes. Unter anderem der konservative TV-Moderator Tucker Carlson vermutet, dass der New Yorker Finanzjongleur für den israelischen Geheimdienst Mossad tätig war. Bei einer Veranstaltung der rechten Vorfeldorganisation Turning Point USA am 11. Juli erklärte er, es sei „für jeden Zuschauer völlig offensichtlich“, dass Epstein „direkte Verbindungen zu einer ausländischen Regierung“ gehabt habe.

Israels Ex-Regierungschef Ehud Barak hat Epstein zwischen 2013 und 2017 nachweislich gut 30-mal auf dessen Anwesen in Florida und in New York getroffen. Die Spinne im Netz könnte Epsteins Komplizin Ghislaine Maxwell sein. Selbst das britische Außenministerium verdächtigte ihren Vater, den Medienmogul Robert Maxwell, für den Mossad gearbeitet zu haben. Sechs amtierende und ehemalige Leiter israelischer Geheimdienste nahmen 1991 an dessen Beerdigung teil. Der damalige Premierminister Jitzchak Schamir sagte in seiner Laudatio: „Er hat mehr für Israel getan, als man heute sagen kann.“
Hinzu kommt: Kurz vor dem mysteriösen Ableben des Pressezaren im November 1991 – er verschwand auf ungeklärte Weise von seiner Hochseejacht und wurde dann tot vor den Kanarischen Inseln aufgefunden – hatte sich ein ehemaliger Mitarbeiter des israelischen Militärgeheimdienstes, Ari Ben-Menashe, an eine Reihe von Nachrichtenorganisationen mit der Behauptung gewandt, Maxwell sei ein langjähriger Agent des Mossad.
Abgeordnete fordern Aufklärung
Auch deswegen fordern US-Politiker in Washington weitere Aufklärung. So stellten die Kongressabgeordneten Thomas Massie (Republikaner, Kentucky) und Ro Khanna (Demokraten, Kalifornien) am 3. September auf einer Pressekonferenz auf den Stufen des Kapitols ihren Entwurf für einen Epstein Files Transparency Act vor, der das US-Justizministerium zwingen soll, alle noch unter Verschluss befindlichen Epstein-Akten innerhalb von 30 Tagen freizugeben, wobei die Opferangaben anonymisiert werden sollen.

Bei der Pressekonferenz anwesend waren auch Opfer und ihre Anwälte wie Brad Edwards und Brittany Henderson sowie die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia. Die Frauen berichteten höchst emotional von ihrem Missbrauch. Anouska De Georgiou, ein ehemaliges Model, sagte:
„Epstein umgab sich mit den mächtigsten Führern unseres Landes und der Welt. Er missbrauchte nicht nur mich, sondern unzählige andere, und alle schauten weg. Die Wahrheit ist, Epstein hatte einen Freibrief.“
Die Anwältin Lisa Phillips kündigte an, die Opfer würden privat eine „eigene Epstein-Liste“ von Komplizen zusammenstellen, da sie sonst verklagt würden. Massie und Greene boten an, diese Namen unter dem Schutz der Speech-or-Debate-Immunität im Kongress zu nennen.
Der US-Demokrat Khanna erklärte auf der Pressekonferenz: „Etwas ist faul in Washington. Wir müssen die Parteinahme stoppen.“ Besonders scharf kritisierte er das Mauern des Justizministeriums. Der libertäre Republikaner Massie alias „Mr. No“ gab zu Protokoll:
„Die Opfer verdienen Gerechtigkeit, und das Volk Transparenz.“
Massie und Khanna brauchen 218 Unterschriften für eine sogenannte Discharge Petition, um die eine Abstimmung im Repräsentantenhaus erzwingt. Bis zum 3. September hatten alle 212 Demokraten und vier Republikaner (Massie, Greene, Lauren Boebert, Nancy Mace) unterschrieben – es fehlen also nur noch zwei Mandatsträger aus Trumps Partei. Das Weiße Haus warnte indes, dass eine Unterstützung der Gesetzesinitiative als sei ein „feindseliger Akt“ gegen den Präsidenten angesehen werde – nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme.
Kippt eine weitere Republikanerin?
In Washington appellierten die Opfer direkt an Trump, seine Macht zu nutzen, um alle Akten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Zugleich warnten sie vor einer Begnadigung von Maxwell, die für ihre Komplizenschaft 20 Jahre Haft absitzen muss.
Trump selbst reagierte noch am selben Tag. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er:
„Tausende Seiten sind raus, egal was man tut, es geht weiter. Es ist genug – ein Demokraten-Schwindel.“
Ins gleiche Horn stieß der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, der die Petition von Massie und Khanna „überflüssig“ und „politisch motiviert“. Die republikanische Abgeordnete Anna Paulina Luna aus Florida hingegen zeigte sich nach Treffen mit Opfern „entsetzt über das Ausmaß“. Im Umfeld des US-Präsidenten befürchtet man nun, dass eingefleischte Trump-Anhängerin auf die Seite von Massie, Greene & Co. wechseln könnte. Damit würden den Initiatoren nur noch ein Mandatsträger fehlen, um ihre Initiative ins Parlament zu bringen.
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