Das Leid deutscher Kriegsgefangener in den Rheinwiesenlagern ist ein blinder Fleck in der etablierten Geschichtsschreibung. Das liegt nicht nur an der bundesrepublikanischen Schuldneurose, sondern am Umgang der Amerikaner mit den entsprechenden Akten. Es folgt ein exklusiver Auszug aus unserer neuen Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner – Massenmord an den Deutschen auf den Rheinwiesen“.

    _ von Hans-Jürgen Wünschel

    Sie war jung, hübsch, intelligent und neugierig. Da saß sie nun in meiner Sprechstunde an der Universität und schüttelte den Kopf: „Es kann doch nicht sein, dass das alles zensiert wird! Bei uns steht doch im Grundgesetz, dass eine Zensur nicht stattfindet.“ Sie nannte sogar noch den Artikel 5. Das war typisch für sie. Gründlich wie ich sie in den letzten Semestern kennengelernt hatte, war sie auf ihren Besuch bei mir gut vorbereitet.

    Ich antwortete sinngemäß: Ja, das stimmt eigentlich, doch die Politik, genauer gesagt die Regierung, wird immer wieder die Bestimmungen des Grundgesetzes ignorieren, solange bis es eine Klage vor dem Verfassungsgericht gibt. Und das sei äußerst selten. „Worum geht es denn genau?“, fragte ich.

    Ihre Antwort: „Bei der Suche nach Literatur zu meiner Examensarbeit über das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen nach dem Zweiten Weltkrieg in den sogenannten Rheinwiesenlagern fand ich eine Aussage von Willy Brandt aus dem Bundestag, nach der aus Rücksicht auf das Ausland die von einer wissenschaftlichen Kommission erarbeiteten 22 Bände, in denen sich auch einige Hinweise zu meinem Thema finden, viele Jahre nur einem ausgewählten Personenkreis zur Verfügung gestellt wurden. Eine Veröffentlichung unterblieb.“

    US-Wachsoldat im Rheinwiesenlager Remagen. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Ich erklärte, dass es immer die Möglichkeit gab, wegen nationalen Interesses die Artikel des Grundgesetzes etwas aufzuweichen. Kann nicht sein, widersprach sie: „In der Schule habe ich es anders gelernt“. „Doch“, sagte ich. „Es ist halt ein Unterschied, was gelehrt wird und wie die politi-sche Wirklichkeit aussieht. Nehmen Sie diese Erfahrung über Dichtung und Wahrheit einer Demokratie mit in Ihr Leben. Wir beide können es nicht ändern. Wie weit sind Sie denn mit Ihren Vorbereitungen gekommen?“

    Vergessen im Kalten Krieg

    Die junge Dame sprach über die von den US-Militärs im Frühjahr 1945 eingerichteten Lager für deutsche Kriegsgefangene in Bretzenheim und Bad Kreuznach. Sie zitierte Augenzeugen, die vom Elend, vom Leid und von der Hoffnungslosigkeit der Männer und Frauen berichteten, die auf offenem Feld eingesperrt waren. Manche erzählten der Studentin, sie seien sich eher als „Sträflinge, denn als Kriegsgefangene vorgekommen“. (…)

    Das Schicksal jener Männer und Frauen im Gewahrsam der USA und Frankreichs geriet in der Nachkriegszeit zur Nebensache, denn mit Beginn des Ost-West-Konflikts verlagerte sich der Blick weg von den drei westlichen Besatzungsmächten hin zur Sowjetunion.

    Entrechtet: In den Lagern der US Army waren die deutschen Gefangenen ihren Bewachern schutzlos ausgeliefert. Das Rote Kreuz bekam keinen Zutritt – ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Foto: picture-alliance / akg-images

    Der Historiker Arthur L. Smith betont in seinem Werk „Die ‚vermisste Million‘. Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg“ (Band 65 der Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte), dass sich Washington erst mit Beginn des Kalten Krieges zu einem Anwalt der Menschenrechte verwandelte. Die USA warfen der Sowjetunion vor, dass sie die deutschen Kriegsgefangenen schlecht behandelt hätten. Das stimmt zweifelsohne – aber das trifft eben auch auf sie selbst zu. (…)

    Vergessen von Historikern

    Die bestellte Geschichtsschreibung des Landes Rheinland-Pfalz erwähnt die Rheinwiesenlager nur kurz – und er-zählt die Vorgänge auch noch falsch. Selbst die beim Landtag angesiedelte Kommission zur Geschichte des Landes hat dieses Thema bis heute weitgehend ignoriert. Als Band 24 der von der Kommission herausgegebenen Schriftenreihe kam 2001 eine als Auftragsarbeit verfasste Darstellung eines Generals heraus.

    Doch in dieser Monografie mit dem Titel „Das Kriegsende in Rheinland-Pfalz. Kämpfe und Besetzung 1945“ ignoriert Autor Hans-Joachim Mack schlichtweg die vor und nach der Kapitulation errichteten Death Camps und spricht im Nachwort nur davon, dass in den Lagern zigtausende deutsche Kriegsgefangene dahinvegetierten. Zufall oder Absicht? Durfte er sich nicht darüber äußern? Viel wichtiger war es ihm zu erwähnen, dass in Bitburg ein bekanntes Bier gebraut wird…

    Sterben hinter Stacheldraht: Für zahlreiche deutsche Kriegsgefangene kam die Lagerhaft der Todesstrafe gleich. Foto: Vergissmeinnicht/Repro COMPACT

    Dass Mack die historischen Tatsachen, die sich am Rhein nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945 ereigneten, verschweigt, versteht man, wenn man weiß, dass jener Mann 1984 zum stellvertretenden Obersten Befehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Europa ernannt wurde. (…)

    Vergessen in den Archiven

    Die Gefangenen selbst hofften auf Recht und waren der Willkür ihrer Peiniger ausgeliefert. Diese missachteten entgegen den Versprechungen auf Flugblättern, dass auch ein Gegner eine Rechtsperson und vor allem ein Mensch ist. Manche der hauptamtlich angestellten Historiker behaupten denn auch, dass das US-Militär die Unterlagen der Einheiten in Eisenhowers Death Camps vernichtet hätten. Das mag sein. Aber warum?

    Wer jemals in amerikanischen Archiven mit Militärakten zu tun hatte, der weiß, dass die US-Armee jede Kleinigkeit sehr akribisch aufgeschrieben hat. Wenn es stimmen sollte, dass die Akten zu den Todeslagern am Rhein geschreddert wurden, dann muss die Frage erlaubt sein, ob eine Klassifizierung der Unterlagen durchgeführt wurde und wer für die Vernichtung verantwortlich war. Zumindest das muss im Bundesarchiv der USA, dem Washington National Records Center in Suitland, Maryland, belegt sein.

    Nach dem Ende der Kampfhandlungen auf dem linken Rheinufer im April 1945 zogen die US-Einheiten der 1., 3. und 7. US-Armee unter den Generälen Courtney H. Hodges, George S. Patton und Joseph L. Collins ab. Sie wurden von der 15. US-Armee unter Generalleutnant Leonard T. Gerow abgelöst. Richard Lewis von der US-Truppenzeitung Stars and Stripes berichtete am 20. Mai 1945: „Die 15. Armee soll das Saargebiet, das Rheintal und das westliche Ruhrgebiet beherrschen.“ Die entsprechenden Akten zeigen Nachläs-sigkeiten bei der Zählung der deutschen Kriegsge-fangenen. Dies schien damals offenbar unwichtig. (…) Ende der Textauszüge.

    Den vollständigen Beitrag lesen Sie in unserer neuen Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner – Massenmord an den Deutschen auf den Rheinwiesen“. Wir verschweigen nicht, was unseren Soldaten und auch vielen Zivilisten nach dem Krieg von den Alliierten angetan wurde. Die neue Ausgabe von COMPACT-Geschichte wird Ende August ausgeliefert. Sie können sie aber schon jetzt hier vorbestellen.

    11 Kommentare

    1. Was aber auch mal Zeit wird das die AFD auch mal an die Verbrechen an Deutschland erinnert und an die ganzen Hintergründe die zu diesem großen Völkerringen führten. Der Terror der französischen Résistance und der jugoslawischen Tito-Partisanen muss an das Tageslicht. Genau so wie der Besatzer-Alltag. Denn mit wichtigen historischen Abschnitten auf ihren Facebook-Seiten und Extraveranstaltungen kann die AFD nämlich punkten. Breite Auswahl und gutes Niveau sind nun einmal dann für viele unentschlossene Leute interessant und die haben dann eine gute Erinnerung und machen das Kreuz an der richtigen Stelle. mfg

    2. Warum wird hier nie gesprochen über die 84 amerikanische kriegsgefangene die ohne grund exekutiert wurden in Malmedy (Belgien)?

      • @Glen :
        Wie erging es Soldaten der Waffen-SS, die von der US Armee in Belgien (und an anderen Orten) gefangen genommen wurden ?

        Darüber hinaus handelt es sich bei den Rheinwiesenlagern um eine gänzlich andere Dimension.

        Mehrere Hunderttausend deutsche Kriegsgefangene wurden kurz vor und vor allen Dingen bereits nach Kriegsende gezielt und kaltblütig einem Hunger- und Erschöpfungstod zugeführt.

    3. Auch die Bombenangriffe auf Städte waren ganz klar Kriegsverbrechen. Nur sagen darf man das nicht, wohl wegen der sogenannten "westlichen Werte" (= Geld, Geld und nochmals Geld).

    4. Wer in der belagerten Insel West-Berlin aufgewachsen ist , hat hautnah miterlebt, wie der russische Imperialismus Berlin (die Iwans nannten es "Frontstadt" ) immer wieder in seine Tatzen zu bekommen versuchte. Schallmauerdurchbrüche russischer Jets ,daß Fensterscheiben zerbrachen, Drohungen, Schikanen an den Transitstrecken gab es fast täglich. Dazu russengesponsorte Idioten wie R.Dutschke , "Friedensbewegte" die mit "lieber Rot als Tot" den Russkis die Tore öffnen wollten. Und jetzt, 40 Jahre später, kommt Compact daher und erklärt uns , daß wir nur zu doof waren, die Iwans als unsere wahren Freund zu erkennen.

    5. Vae victis. Die tägliche russische Wühlarbeit . Amerikanische Übergriffe gab es unmittelbar nach der Kapitulation, schließlich gab und gibt es in den USA einen starken jüdischen Einfluß, und daß die Rache schnaubten, ist wohl verständlich. Trotzdem war es 100 x besser Gefangener der USA zu sein , als bei den Russkis. Allein schon deshalb, weil die selbst kaum zu fressen und für Gefangene nichts übrig hatten. Nicht vergessen : Die Russkis trieben im Krieg 57.000 [sic ! ] deutsche Gefangene durch Moskau. Internationale Vereinbarungen verbieten es, kriegsgefangene Feinde zu demütigen, Iwan tat genau das. Die Russkis erklärten schon zu Begin des Krieges, daß sie sich an die Genfer u. Haager vereinbarungen nicht halten würden und taten es dann auch nicht.

      • Weshalb bringen Sie immer und immer wieder unter Themen die Rheinwiesenlager betreffend, russische Verbrechen ins Spiel?

        Selbstverständlich sind auch die sowjetischen Kriegsverbrechen zu verurteilen aber diese wurden nie so verschwiegen und unter dem Deckel gehalten wie die enormen Kriegsverbrechen der West-Alliierten gegenüber Deutschland und dem deutschen Volk.

    6. Friedenseiche am

      vergessen?

      nein sicher nicht
      aber Trauer muss enden sonst stirbt man an der Trauer

      wir indigenen sind bald Geschichte

      wie Indianer usw

      gut so

      sollen die kanaken sich untereinander beglücken

      namaste

      PS von allen indigenen Kindern mit denen ich aufwuchs hat nur jedes vierte Kind Kinder

      warum wohl?

    7. Norbert Leser am

      Compact gebührt Dank für diese wichtige Erinnerungsarbeit

      Allein schon deswegen damit wir den Pipelinesprengern nicht ein 3. Mal in die Falle gehen.
      Jetzt wollem sie ja gegen China militärisch losziehen. Wie von Holger Strohm ausführlich dargelegt. Und zu dem Zweck die Vasallen zwingen, ihre Industrie in die USA zu verlegen.

    8. Die vergessenen Opfer

      die ganze Wahrheit über 9/11

      https://youtu.be/rpSw0soxJD8