Seit Freitag hat ein „Militärrat zur Befreiung Syriens“ die Kämpfe gegen das islamistische Regime des ehemaligen Al-Kaida-Chefs und IS-Mitglieds Ahmed al-Scharaa aufgenommen. Während es zu schweren Kämpfen kommt, toben sich die Milizen der Regierung an der alawitischen Zivilbevölkerung aus, die pauschal als „Terroristen“ eingestuft wird. Es kommt zu regelrechten Massakern. Im Artikel „Syriens brüchiger Frieden“ in der COMPACT-Februar-Ausgabe haben wir genau diese Spannungen vorausgesagt und Gewalttaten gegen Minderheiten befürchtet. Hier mehr erfahren.
Nach dem schnellen Vormarsch entlang der syrischen Mittelmeerküste dauerte es nicht lange, bis sich die Aufständischen wieder zurückziehen mussten – aus dem ganzen Land riefen islamistische Milizen dazu auf, den Alawitenaufstand niederzuschlagen, zu groß war die Übermacht und zu ungleich die Bewaffnung. Während die neue Alawiten-Armee mit kaum mehr als Maschinengewehren und Panzerfäusten kämpft, steht ihnen hochgerüstete, im Fall der Syrischen Nationalen Armee sogar vom NATO-Mitglied Türkei entsprechend ausgestatteten, Kampfeinheiten gegenüber. Und so dauerte es nicht lange, bis auch die Hochburgen des Aufstandes, Latakia und Tartus, dem Gegner wieder in die Hände fielen. Allerdings: Die alawitschen Kämpfer zogen sich in Vororte und schwer zugängliche Bergregionen zurück, gingen zum weiter andauernden Partisanenkampf über. Während sich die Situation militärisch – aus Sicht der syrischen Regierung – zunächst beruhigt hat, toben sich die islamistischen Kämpfer jetzt an der Zivilbevölkerung aus und nehmen pauschal Rache an der religiösen Minderheit der Alawiten. Hunderte Videos, die in sozialen Netzwerken kursieren, zeigen willkürliche Erschießungen. Vom Kleinkind über wehrlose Frauen bis zu Greisen – wer den Islamisten in die Hände fällt, wird brutal hingerichtet.
Tausend Alawiten fliehen auf russischen Militärstützpunkt
In ihrer Panik wussten sich rund 1000 Alawiten nicht anders zu helfen, als auf den russischen Militärstützpunkt Khmeimim in der Nähe von Latakia zu fliehen. Dort harren sie aus und flehen die Soldaten um Hilfe an. Zwischenzeitlich sollen Vertreter der Regierung von al-Schaara erschienen sein und den Alawiten zugesichert haben, dass ihnen nichts geschehen würde, doch angesichts der zahlreichen Hinrichtungsvideos klingt das für die Geflüchteten wenig glaubwürdig. Mittlerweile gehen Beobachter davon aus, dass eine vierstellige Anzahl von alawitischen Zivilisten den Todesschwadronen zum Opfer gefallen ist.

Dreiste Stellungnahme der EU sorgt für Entsetzen
Während Bundesaußenministerin Annalena Baerbock die islamistische Regierung durch einen Staatsbesuch aufwertet und Oberschlächter al-Schaara am liebsten die Hände geschüttelt hätte (was dieser jedoch aus religiösen Motiven ablehnt), hat die EU sogar die Sanktionen gegen das neue Regime ausgesetzt. Es bestünde die Hoffnung, so hieß es, dass nach dem Sturz des bisherigen Präsidenten Bashar al-Assad die Demokratisierung Syriens beginnen könnte. Wie diese „Demokratisierung“ aussieht, zeigt sich aktuell in blutiger Weise. Besonders dreist ist dabei eine Stellungnahme des „European External Action Service – EEAS“ der Europäischen Union. „Die Europäische Union verurteilt aufs Schärfste die jüngsten Angriffe, die Berichten zufolge von pro-Assad-Elementen durchgeführt wurden, auf die Truppen der Übergangsregierung in den Küstengebieten Syriens“ – angesichts der aktuellen Massaker, die von der islamistischen Regierung begangen werden, ist das nicht nur eine Täter-Opfer-Verdrehung, die ihresgleichen sucht, es ist auch eine böswillige Propagandalüge, die alawitischen Kämpfer, die ihr Volk vor einem drohenden Genozid verteidigen, als „pro-Assad-Elemente“ zu verunglimpfen. Noch deutlicher könnten sich die EU-Eliten nicht auf die Seite der Islamisten – die sich, das darf nie vergessen werden, aus dem Islamischen Staat (IS) und Al Kaida rekrutieren – schlagen.
http://twitter.com/eu_eeas/status/1898487797348225207
Westliche Mächte haben Syrien 2011 in Brand gesetzt, seitdem gleicht das Land einem Pulverfass, das jetzt explodiert. Im Artikel „Syriens brüchiger Frieden“ haben wir in der COMPACT-Februarausgabe vorausgesagt, dass die Kämpfe auch nach dem Ende der Assad-Ära weitergehen werden. Hier immer noch als E-Paper herunterzuladen.