Es klingt wie aus einem Indiana-Jones-Film: In Jütland haben Bauarbeiter zufällig ein jahrtausendealtes Geheimnis zu Tage gefördert. Wissenschaftler meinen: Der Fund könnte die Sicht auf unsere Vorfahren entscheidend verändern. In seinem Werk „Archäogenetische Irrwege“ präsentiert Ethnologe Dennis Krüger einen wissenschaftlich fundierten Gegenentwurf zum Ablauf der Frühgeschichte Europas. Hier mehr erfahren.

    In Aars, einer verschlafenen Kleinstadt in Nordwest-Dänemark, haben Mitarbeiter einer Baufirma kürzlich die Fundamente für neue Wohnhäuser ausgehoben, als die Schaufeln plötzlich auf Holz trafen. Zum Vorschein kamen 45 massive Pfähle, angeordnet in einem leicht ovalen Kreis von etwa 30 Metern Durchmesser. „Das ist eine einmalige Entdeckung“, freut sich Sidsel Wåhlin vom örtlichen Vesthimmerlands Museum, das nun die Ausgrabungen leitet.

    Die Pfähle, bis zu zwei Meter hoch, stammen aus der Bronzezeit, datieren zwischen 2600 und 1600 v. Chr. Dank des feuchten Bodens, der wie ein natürlicher Kühlschrank wirkt, sind sie erstaunlich gut erhalten. „Holz hält normalerweise keine 4.000 Jahre“, so Museumskuratorin Wåhlin. „Das ist ein Wunder der Natur!“

    Was die Bauarbeiter fanden, wird schon jetzt „dänisches Stonehenge“ oder „Mini-Stonehenge“ genannt – und das aus gutem Grund. „Die Parallelen zu Stonehenge sind frappierend“, sagt Sidsel Wåhlin. Nun rätseln die Wissenschaftler: Eine kultische Stätte – oder gar ein Blick auf die Himmelskörper? Waren unsere Vorfahren in Nordeuropa genialere Baumeister und Astronomen, als man bisher dachte?

    Legendär: Der prähistorische Kalender

    Stonehenge in Südengland ist gut erforscht, auch wenn die genaue Funktion der Anlage bis heute nicht vollständig geklärt ist. Das Bauwerk mit seinen gigantischen, kreisförmig angeordneten Steinen wurde zwischen 3100 und 2000 v. Chr. errichtet. Die bis zu 50 Tonnen schweren Megalithe sind auf die Positionen der Sonne ausgerichtet – ein prähistorischer Kalender, der vermutlich auch rituellen Zwecken diente.

    Stonehenge: Das berühmte, vor über 4.000 Jahren errichtete Ringheiligtum in England. Foto: Operarius, CC BY 3.0, Wikimedia Commons

    Der sogenannte Heel Stone markiert die Position des Sonnenaufgangs zur Sommersonnenwende, was darauf schließen lässt, dass astronomische Ereignisse eine Rolle spielten, die mit Fruchtbarkeitsriten, Jahreszeitenfeiern oder einem Sonnen- und Himmelskult verbunden gewesen sein könnten.

    Zudem wurden in der Umgebung von Stonehenge zahlreiche Gräber, menschliche Überreste und Asche gefunden, was auf einen Zusammenhang mit Totenkult oder Ahnenverehrung schließen lässt. Einige Forscher vermuten auch, dass die Anlage ein Heiligtum war, an dem Menschen, die teils von weit her kamen, Linderung von Krankheiten suchten. Gestützt wird diese These durch Funde von Skeletten mit entsprechenden Spuren.

    Woodhenge: der „kleine Bruder“

    Während Stonehenge einen äußeren Kreis mit einem Durchmesser von etwa 100 Metern hat, ist die dänische Variante mit 30 Metern Durchmesser relativ klein und ähnelt damit von der Größe her eher dem sogenannten Woodhenge, einer Holzpflockanlage, die sich nur ungefähr drei Kilometer von Stonehenge befand und um das Jahr 3240 v. Chr. erreichtet wurden.

    Woodhenge-Rekonstruktion in der englischen Grafschaft Wiltshire: Die Holzpfahlanlage befand sich nur etwa 3,2 km südwestlich von Stonehenge entfernt. Foto: Rog Frost, CC BY-SA 2.0, Wikimedia Commons

    Bei den Ausgrabungen in den 1920er Jahren wurden im Boden nur noch die 168 Pfostenlöcher der verrotteten Pfähle gefunden, aus denen das Monument bestand. Es war von einem 67 Meter hohen Wall mit Außengraben umgeben und konnte, ebenso wie Stonehenge, durch einen Zugang aus nordöstlicher Richtung betreten werden.

    Woodhenge besteht aus sechs ovalen Ringen, von denen der größte 44 Meter Durchmesser hat. Die Ellipsen liegen auf der Achse des Mittsommer-Sonnenaufgangs. Im Zentrum der Anlage wurde ein Kinderskelett mit zertrümmertem Schädel gefunden, was laut Archäologen auf Menschenopfer hindeuten könnte. Auch Überreste von Gräbern wurden auf dem Areal in der in der Grafschaft Wiltshire gefunden.

    Mini-Stonehenge in Jütland

    Wie der große Bruder Stonehenge könnte auch das dänische Pendant ein astronomisches Meisterwerk sein. „Wir vermessen gerade die Positionen der Pfähle“, erklärt Kuratorin Wåhlin. „Es ist möglich, dass sie die Sonnenwenden markiert haben.“ Drohnen surren über Aars, 3D-Scans und geomagnetische Analysen laufen auf Hochtouren – die Forscher wollen wissen, ob sich auch die Bronzezeitbewohner Jütlands mit dem Kosmos beschäftigten.

    Sensationsfund in Jütland: Im dänischen Aars stieß man zufällig auf dieses „Mini-Stonehenge“ – hier als grafische Rekonstruktion über dem Fundort dargestellt. Foto: Vesthimmerlands Museum

    „Wenn sich das bestätigt, wäre das ein Beweis für eine hochentwickelte Kultur“, sagt Anne Dragen vom Nationalmuseum Dänemark in Kopenhagen. Die Ähnlichkeiten mit Stonehenge seien verblüffend. „Beide Anlagen sind kreisförmig, beide könnten astronomische Zwecke gehabt haben.“

    Die Pfähle warfen möglicherweise Schatten, die auf bestimmte Punkte im Kreis zeigten – eine Art Kalender für Bauern, die wissen mussten, wann sie säen und ernten sollten. „Die Menschen damals hatten ein Verständnis für den Himmel, das uns heute noch staunen lässt“, so Sidsel Wåhlin.

    „Menschen mit Wissen und Visionen“

    Die Ausgrabungen in Nordwest-Dänemark schreiten voran, finanziert vom Vesthimmerlands Museum, der dänischen Regierung und von Spenden. „Wir brauchen jede Unterstützung“, sagt die Kuratorin. Der Fund zeige, „dass die Bronzezeit-Dänen organisiert, klug und kreativ waren“. Neben Metallverarbeitung und Handel könnten sich höchstwahrscheinlich auch mit Himmelskunde befasst haben. „Sie haben uns eine Botschaft hinterlassen“, meint Wåhlin. „Und wir fangen gerade an, sie zu entschlüsseln.“

    Die Bell-Beaker-Kultur, die zwischen 2600 und 1600 v. Chr. in Europa blühte, steht dabei im Fokus. Diese Leute waren echte Innovatoren: Sie brachten Bronze nach Nordeuropa, tranken aus Glockenbechern und bauten offenbar auch Holzkreise. „Das zeigt, dass Dänemark kein Hinterland war“, sagt Dragen. „Hier lebten Menschen mit Wissen und Visionen.“

    Die Baupläne für die ursprünglich auf dem Areal geplante Wohnsiedlung liegen erstmal auf Eis – die prähistorische Forschung hat Vorrang. Zu wichtig ist den Forschern die Frage, ob die Nordmänner ein Fenster zu den Sternen geöffnet haben. Sie hoffen zudem, dass die Anlage mehr über die soziale Struktur und die Glaubensvorstellungen der damaligen Gesellschaft enthüllt.

    Das dänische Stonehenge wird schon jetzt als Sensationsfund gehandelt. Die Entschlüsselung der Anlage könnte die Sicht auf unsere Vorfahren entscheidend verändern. Und die Zukunft des Ortes? „Vielleicht wird das ein Touristen-Hotspot“, hofft ein Sprecher der Stadt Aars. In den Schulen werden jedenfalls schon Exkursionen zu diesem bedeutenden Relikt der Frühzeit Europas geplant.

    Forschung ohne Scheuklappen: In seinem Werk „Archäogenetische Irrwege“ präsentiert Ethnologe Dennis Krüger einen wissenschaftlich fundierten Gegenentwurf zum Ablauf der Frühgeschichte Europas. Hier mehr erfahren.

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