Nicht in Lateinamerika oder Ägypten, sondern in Südostasien wurde die Mumifizierung von Toten als erstes praktiziert – und das mit einer Methode, die heutzutage ziemlich schaurig anmutet. Neue Erkenntnisse zu uralten, aber auch jüngeren Rätseln der Historie finden Sie in unserer spektakulären Sonderausgabe „Geheime Geschichte“ – von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan. Hier mehr erfahren.
Lange galt die Chinchorro aus der Atacama-Wüste im heutigen Chile als Pioniere der Mumifizierung. Vor etwa 7.000 Jahren trocknete dieses Jäger- und Sammlervolk seine Toten in der brennenden Sonne, um sie vor Verwesung und Verfall zu bewahren.
Ägyptens Pharaonen folgten später, offiziell rund 4.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Sie wurden aufwendig einbalsamiert – doch diese Form der Bestattung sowie ihre letzten Ruhestätten in den Pyramiden bergen erstaunliche Geheimnisse, wie unsere Sonderausgabe Sonderausgabe „Geheime Geschichte – von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“ zeigt.
Vor über 10.000 Jahren
Eine neue Entdeckung stellt nun aber alles auf den Kopf: Laut einer Studie, veröffentlicht im renommierten Fachmagazin Proceedings der National Academy of Sciences (USA), analysiert Überreste aus 95 archäologischen Stätten in Ländern wie China, Vietnam, Laos, Malaysia, Indonesien und auf den Philippinen.

Die Forscher um Hsiao-chun Hung von der Australian National University in Canberra und Hirofumi Matsumura von der Sapporo Medical University in Japan kommen zu dem Schluss: Die Tradition der Mumifizierung begann dort schon vor über 10.000 Jahren – in einer Welt, in der der Mensch noch mit dem Speer jagte.
Geräuchert wie Schinken
Die Methode in Südostasien war primitiv, aber genial – und ein wenig gruselig. In den feuchten Tropen, wo Verwesung innerhalb von Tagen einsetzt, konnten natürliche Trocknungsprozesse nicht greifen. Stattdessen banden die Steinzeitmenschen ihre Verstorbenen in eine hockende oder gebeugte Position, oft eng verschnürt wie in einer makabren Puppenhaltung.

Dann hängten sie die Leichen über ein Feuer, wo sie tage-, vielleicht wochenlang, im beißenden Rauch haltbar gemacht wurden. Die Hitze trocknete die Haut, der Rauch drang in die Fasern ein und verhinderte Bakterienbefall. Spuren davon finden sich in den Knochen: Leichte Verbrennungsmarken, Schnittspuren an Gliedmaßen – Hinweise auf rituelle Eingriffe, bei denen Flüssigkeiten abgelassen oder kleine Fleischstücke entnommen wurden, so die Autoren der Proceedings-Studie.
Brücke ins Jenseits
Skelette aus Ausgrabungsstätten wie Huiyaotian und Liyupo in Südchina oder Funde in Nordvietnam zeigen, dass diese Praktik über Jahrtausende hinweg gepflegt wurde – eine kulturelle Kette, die sich bis in die Moderne erstreckt. Ähnliche Rituale findet man nämlich noch heute bei mehreren indigenen Völkern, etwa den Dani in Papua-Neuguinea oder den Pumo in Indonesien.
2019 beobachteten Forscher, wie diese Gruppen ihre Toten fesseln, über ein sanftes Feuer hängen und sie schwarz räuchern, bis sie wie mumifizierte Wächter wirken. „Die geräucherten und konservierten Relikte ihrer Verstorbenen ermöglichten den Menschen damals eine physische und spirituelle Verbindung zu ihren Vorfahren“, schreiben Hung und Kollegen in ihrer Untersuchung.
Es ging bei der Mumifizierung höchstwahrscheinlich darum, eine Brücken ins Jenseits zu bauen – dorthin, wo die Seelen der Ahnen über die Lebenden wachen. „Unsere Ergebnisse unterstreichen eine tiefe und dauerhafte biologische und kulturelle Kontinuität, die alte Jäger- und Sammlervölker in Südostasien mit heutigen indigenen Gemeinschaften in Neuguinea und Australien verbindet“, betont das Wissenschaftler-Team laut der Deutschen Presse-Agentur.
Noch heute üblich
Die Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Menschheitsgeschichte und löst Debatten aus. Evolutionsforscherin Rita Peyroteo Stjerna von der Universität Uppsala in Schweden, die nicht am Projekt beteiligt war, warnt: Es sei unsicher, ob das Räuchern systematisch an allen Fundorten angewendet wurde, die Datierungen könnten präziser sein. Dennoch ist für sie die Proceedings-Studie laut Bild-Zeitung „ein bedeutender Beitrag zum Verständnis prähistorischer Bestattungskulturen“.
Forschuungsleiter Hsiao-chun Hung selbst spricht von einer „großen Überraschung“, besonders wegen der Parallelen zu heutigen Formen des Totenkults. „Bemerkenswert ist, dass ähnliche Rituale noch heute bei indigenen Gemeinschaften in Indonesien und Australien zu finden seien“, zitiert ihn der Stern.
Die Analyse der Knochen – mittels Radiokarbon-Datierung, Isotopenuntersuchungen und 3D-Scans – zeigt, dass viele Skelette ihre ursprüngliche Gelenkposition behalten haben, als ob der Körper schrumpfte, ohne zu zerfallen. Ein Beispiel: die sterblichen Überreste eines Mannes mittleren Alters aus Guangxi (China), die gebeugt daliegen, als sollte der Mann ewig in Embryonalhaltung verharren.
Mysterien, Rätsel und Geheimnisse
Die Räuchermumien aus Südostasien – die nun als älteste der Welt gelten – sind nicht nur für Archäologen interessant, sie öffnen uns allen ein Fenster zu einer Welt voller Mysterien, Rätsel und Geheimnisse. In einer Zeit, da der Mensch noch mit der Natur rang, schufen diese Jäger und Sammler ein Ritual, das dem Tod trotzten sollte – ein Vermächtnis, das bei manchen vielleicht Gänsehaut verursacht, aber belegt, dass die materielle und die spirituelle Welt für diese frühen Menschen noch eins war.
Sind diese Mumien Wächter der Ahnen oder Mahnmale vergessener Götter? Die Wissenschaft hat den Schleier gelüftet, doch vieles harrt noch seiner Klärung. Und doch sieht man hier wieder mal ein Beispiel dafür, dass jahrhundertelang gehegte Überzeugungen sich in Staub auflösen, wenn die Wissenschaft neue Erkenntnisse liefert.
Historische Revision ist notwendig! Das belegt unsere Sonderausgabe „Geheime Geschichte – von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“. Wir präsentieren eine Vielzahl von neuen Erkenntnissen und alternativen Erklärungen zu uralten, aber auch jüngeren Rätseln der Weltgeschichte. Hier bestellen.




