Rap galt bei uns lange als Musik, die vor allem von Migranten gemacht und größtenteils von Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln gehört wird. Doch seit einiger Zeit haben junge Patrioten Hip-Hop für sich entdeckt. Ist das ein Widerspruch? Warum Rechts bei jungen Leuten jetzt angesagt ist, lesen Sie in unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema „Neue Deutsche Jugend“. Linke Journalisten und Sozialarbeiter sind empört! Hier mehr erfahren.
_ von Marcus Hansen
„Europa weint, Europa schreit / nach dem Ende, der Wende. / Es ist an der Zeit / zum Verteidigen des Eigenen, macht Euch bereit / und reicht Euch die Hände in Einigkeit!“ – Hörte vor wenigen Jahren man diese Zeilen durch die Straßen dröhnen, als Sprechgesang unterlegt mit einem epischen Instrumental, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man sich gerade auf einer Demo von Patrioten befand.
Das Lied „Europa“ des rechten Rappers Komplott, aus dem die zitierte Passage stammt, avancierte vor gut acht Jahren zu einer inoffiziellen Hymne der Identitären Bewegung (IB) und erfreute sich dann weit über einschlägige Kreise hinaus einer großen Beliebtheit. Nachdem der Videoclip zu dem Song Ende Mai 2016 auf Youtube veröffentlicht worden war, gab es binnen kürzester Zeit über 500.000 Aufrufe – überaus beachtlich, wenn man bedenkt, dass junge Rechte bis dato als eher rock- oder zumindest gitarrenaffin gelten.
Die deutsche Szene
Komplott hat sich inzwischen zurückgezogen; ebenso Chris Ares, der innerhalb der patriotischen Jugendszene hohe Bekanntheit erlange und hohes Ansehen genoss. Sie waren aber nicht die Ersten, die rechte Rap-Songs in professioneller Qualität veröffentlichten. Und sie waren nicht die Letzten: Künstler, die folgten waren unter anderem Prototyp NDS und Runa. Die deutsche Szene insgesamt ist sehr heterogen, wobei politischer Sprechgesang – ob nun links, rechts, Öko oder Porno – eher ein Randphänomen darstellt.
Zwar werden Hip-Hop-Journalisten wie Marcus Staiger, Oliver Marquart, Nico Hüls und Toxik Kargoll nicht müde, der inhaltsleeren Vulgär- und Verbrechersprache der Migranten-Musiker Sozialkritik an fehlenden Perspektiven und Schwierigkeiten bei der Integration anzudichten.
Tatsächlich gibt es aber nur Wenige unter ihnen, die man intellektuell ernst nehmen kann und deren musikalischer Protest über ein bloßes „Alles is‘ scheiße“ hinausgeht. Exemplarisch stehen dafür etwa Sookee, Neonschwarz, Fard mit Snaga auf den „Talion“-Alben, Prinz Pi, Cr7z oder auch Raggabund.
Patriotischer Rap wiederum entwickelte sich in Deutschland verhältnismäßig spät. Prominentester und einziger seriöser Vertreter war über viele Jahre hinweg Dissziplin aus Cottbus, der mit Liedern wie „Patriot“ und „Ostdeutschland“ mit viel Herzblut aufgeladene Bekenntnisse zu Heimatstadt und -region verarbeitete.
Sieht man von der Kampagne „Stabiler Deutscher“ des Berliners Fler ab, blieb dies auch eine ganze Weile so. Halbgare Versuche, dezidiert rechten bis rechtsextremen Rap mit konzeptioneller Planung „herzustellen“ – zu nennen sind hier Dissau Crime, SZU, Natürlich, n’socialist soundsystem (Enesess) und Mic Revolt – sollen nur der Vollständigkeit halber Erwähnung finden. Sie sind hinsichtlich der Qualität zu vernachlässigen.
Teutonische Dönermusik?
Eine wirkliche Professionalisierung erfuhr rechter Deutsch-Rap 2011 mit der Veröffentlichung der in weiten Teilen zensierten EP „Sturmzeichen“ des vormals linksradikalen MaKss Damage. Dieser machte sich fortan als bekennender Hitlerist unmöglich und reimte schwerst teutonisch:
„Du kamst aus einer Zeit, dunkel und voller Nebel, / und Regen und Blitze zogen mit Donnerschlag durch die Gegend. / Götter saßen im Warmen, solang bis Ragnarök kam. / Sie waren hart und gigantisch, die Menschen, die in Dir lebten. / Deutschland! Du warst noch nicht geboren / und doch stürmtest du stärker als ein Tornado, wie Wirbelstürme nach vorne.“
Mit sexuell aufgeladenen Gewaltfantasien gegen linke Politiker und einem Drohungs- und Beleidigungstrack gegen einen Angehörigen des eigenen Lagers überschritt er Grenzen. Obwohl inhaltlich oft mehr als fragwürdig, verfügt MaKss Damage unbenommen über ausgeprägten Flow und fortgeschrittene Reimtechnik, die manchen Mainstream-Act um Längen überragen.
Unter jungen Patrioten nahm die Akzeptanz von Hip-Hop und Rap seitdem kontinuierlich zu, wenngleich es immer noch kritische Stimmen gibt. Im Kern dreht sich die Auseinandersetzung darum, dass manche diese Musik als Produkt schwarzer oder multiethnischer Kulturelementen ansehen und sie deshalb als unvereinbar mit der Vermittlung einer dezidiert auf die europäische beziehungsweise deutsche Identität bezogenen politischen Agenda betrachten.
Doch kann man patriotischen Rappern wirklich nachsagen, sie würden lediglich einen skurrilen, auf Deutsch getrimmten „musikalischen Döner“ produzieren? Sie seien also nicht Widerstreiter, sondern in Wahrheit Apologeten genau jenes Zeitgeistes, den sie in ihren Songs kritisieren? Um darauf eine Antwort geben zu können, lohnt ein Blick in die Geschichte des Rap.
Von Harlem und Brooklyn nach Wien und Berlin
Diese führt uns an das Ende der 1970er Jahre, in die Projects und Abrisshäuser, die Ghettos von Harlem und Brooklyn, auf Block-Partys, wo sich die schwarze Community sammelte, um zu gescratchten Platten zu tanzen und zu feiern. Es war die Zeit der Hustler, der Straßengangs und der Politisierung der Afroamerikaner, die im Nachklang der großen Bewegungen unter Malcolm X, Martin Luther King und der Black Panthers eine Kultur der Revolte entwickelt hatten.
Musikalisch entstand Rap als eigenes Genre aus einer Häutung von Funk und Blues, die in den 1960er Jahren als schwarze Interpretation vornehmlich weißer Bigband-Musik entstand. Neben den DJs etablieren sich so genannte MCs (Masters of Ceremony), die zu dem bloßen Instrumental auf der Schallplatte ein Mikrofon nutzten, um Ankündigungen oder unterhaltende Anekdoten mitzuteilen. Im Laufe der Zeit wurden diese Durchsagen, als Reime und im Rhythmus gesprochen, fester Bestandteil der Partys. Die Texte waren in dieser Zeit primär unterhaltend, wenngleich mit sozialkritischen Untertönen.
International erlebte Rap in den frühen 1980ern durch die Veröffentlichung eines Weißen seinen Durchbruch – völlig entkoppelt von seinen Ursprüngen, mit einem Pop-Beat unterlegt und mit Wiener Schmäh eingesungen: Der bis dato weitgehend unbekannte Österreicher Falco wurde mit seinem Song „Der Kommissar“ weltweit populär – mit Ausnahme der USA, wo er in den Charts lediglich Platz 72 erreichte.
In Amerika blieb Rap schwarz, wurde zunehmend hochpolitisch und aggressiv und erzählte Geschichten von Drogen und Polizeigewalt. Die schmutzige Realität („Realness“) und die Glaubwürdigkeit („Street Credibility“) eines Rappers rückten in den Vordergrund.
Die Platten von Public Enemy, Run DMC und Rakim begründen zu dieser Zeit die ernste, minimalistische New School als Abgrenzung zur lässigen Old School. Zeitgleich entwickelt sich eine Mainstream-Sparte des Rap. Es waren zuerst Debbie Harry und Blondie, die in den Popsong „Rapture“ eine gerappte Passage einfügten und mit dem Stück Goldstatus erreichten.
Im Gegensatz zu den USA existierten in Deutschland früher keine wirklichen Ghettos. Daher entstand migrantisch geprägter Gangsta-Rap als deutsche Variante der New School erst um die Jahrtausendwende, lange nachdem die Musikrichtung populär geworden war und sich im Mainstream durch Interpreten wie die Fantastischen Vier etabliert hatte.
Im Underground entwickelte sich in den 1990ern zwar eine eigene Old School unter Ferris MC und RHP, jedoch faktisch ohne nennenswerten Einfluss auf die Jugendkulturen. Auch musikalisch unterschied sich hiesiger Rap seit Anbeginn von jenem seines Geburtslandes: Der Deutsche klatscht gerne auf die Viertel im Takt – und der Deutsche singt gern mit.
Der Sound der Rebellion
Mittlerweile reicht Deutsch-Rap vom Horrorcore eines Hollywood Hank über die Lebensfragen Caspers bis zur Comedy Kollegahs. Mit seiner Rhythmik, seiner Melodik und Harmonik, seiner Lyrik und der oft kompakten Art, Inhalte zu transportieren, ist er im Grunde genauso massentauglich wie Andrea Berg oder Helene Fischer.
Wenn Patrioten heute rappen, kolportieren sie weniger schwarze Kultur, sondern drücken vielmehr das aufrührerische Lebensgefühl einer an den Rand gedrängten Gruppe aus. Ohnehin erscheint es müßig, vor dem Hintergrund jahrtausenderalter deutscher Dichtung und Musikgeschichte, die zweifellos mitschwingen, lediglich linear auf die US-Ursprünge zu verweisen.
Die im Rap enthaltene Möglichkeit zur hohen Textdichte macht ihn gerade für jene attraktiv, die etwas zu sagen haben. Dieser rote Faden rebellischer Attitüde gegen das Establishment bleibt allen Richtungen gemeinsam. Rechts und Hip-Hop – ja, das geht!
Jugend bringt die Wende! In unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema „Neue Deutsche Jugend – Warum Rechts jetzt angesagt ist“ gehen wir dem neuen Trend auf den Grund: Klima-Aktivismus und Grüne sind out, Patriotismus und AfD das neue Normal unter vielen jungen Deutschen in Ost und West. Das gibt Hoffnung! Hier bestellen.