Noch bis vor wenigen Tagen galt VW-Chef Herbert Diess als der kommende, starke Mann der deutschen Automobilbranche, weil er den Autokonzern aus Wolfsburg in geradezu rücksichtsloser Art und Weise auf Elektromobilität umstellte. Nun wurde er durch einen stillen Putsch teilweise entmachtet – und hätte seinen Posten wohl um ein Haar ganz verloren.

     Kein anderer deutscher Manager hechelt dem linksgrünen Zeitgeist so hinterher wie VW-Chef Herbert Diess. Schon früh inszenierte sich der Österreicher als bedingungsloser Fanboy der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Vor 20.000 Mitarbeitern des von ihm geleiteten Konzerns äußerte der VW-Vorstandsvorsitzende Ende März vergangenen Jahres bei der alljährlichen Betriebsversammlung in Wolfsburg mit Blick auf die Klimajakobiner von Fridays for Future: „Ich habe viel Verständnis und Sympathie für streikende Schüler, die Angst um unseren Planeten haben.“ Volkswagen sei es der nächsten Generation schuldig, nun voll auf elektrische Mobilität zu setzen.

    Ausgedehnter Plausch mit Tina Velo

    Auch sonst haute Diess mächtig auf die Pauke. Auf der letztjährigen Bilanzpressekonferenz des VW-Konzerns äußerte er mit Blick auf die Debatte um die E-Mobilität: „Technologieoffenheit ist jetzt die falsche Parole.“ Wenige Tage später legte der VW-Vorstandschef in einem Beitrag für das soziale Netzwerk Linkedin nach und schrieb: „Benziner und Diesel, CNG und Hybride, E-Autos, Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe: Im Prinzip hat jeder alles gemacht, meist parallel. Die industriepolitische Festlegung auf eine Leittechnologie wurde abgelehnt, auch von Volkswagen. Aber diese Haltung ist von gestern.“

    Der selbsternannte Greta-Versteher zeigte auch keine Distanz zu Linksextremisten. Vor der letztjährigen IAA in Frankfurt am Main traf er sich mit der Klimaaktivistin Tina Velo der Initiative Sand im Getriebe!, einer Schwesterorganisation des linksextremistischen Anti-Kohle-Bündnisses Ende Gelände, die sich dazu bekennt, die legalen Grenzen des Protests zu überschreiten.

    Schwere Probleme im Fertigungsbereich

    Dem gebürtigen Münchener war kein Ranschmeißen an den Zeitgeist zu peinlich. Doch nun wurde Diess in Wolfsburg die Führung der Kernmarke VW entzogen, für die zukünftig Ralf Brandstätter verantwortlich ist. Wenn die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch nicht weiter ihre Hand über Diess halten würden, dann wäre dieser auf einer Aufsichtsratssitzung Ende Mai laut Kreisen von den Vertretern der Arbeitnehmerseite wohl ganz gestürzt worden (weiterlesen nach der Werbung).

    „Operation geglückt, Patient tot“ – das könnte am Ende das Ergebnis des ideologisch motivierten Umbaus der deutschen Wirtschaft sein. Es könnte zwar gelingen, den im globalen Maßstab ohnehin schon minimalen deutschen CO2-Beitrag weiter zu senken, allerdings besteht die Gefahr, dass danach auch nicht mehr viel von der deutschen Wirtschaft übrig ist. Die Autobranche scheint dabei das erste und prominenteste Opfer des Klimawahns zu werden. Lesen Sie mehr zu dem Thema in COMPACT-Spezial 22 „Öko-Diktatur – Die heimliche Agenda der Grünen“.

    Der Hauptgrund dafür liegt wohl in dem Umstand, dass Diess sich zwar als Öko- und Technikguru inszeniert, es unter seiner Ägide in Wolfsburg aber immer größere Probleme im Fertigungsbereich gab, was dazu geführt hat, dass große Teile der Belegschaft dem Münchener mittlerweile kritisch gegenüberstehen.

    Seit Monaten spinnt die Software bei den beiden Vorzeigeprojekten von VW, nämlich dem neuen Golf 8 wie auch dem ersten reinen Elektromodell ID3. Das führt zu weiteren Problemen in der Produktion, die ohnehin schon durch die Folgen des Corona-Lockdowns stark belastet ist.

    Diess wird zur lame duck

    Im vergangenen Monat stimmte Diess außerdem der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Dieselskandal gegen die Zahlung von 4,5 Millionen Euro zu. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte ihm und dem Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch vorgeworfen, dass sie die Anleger zu spät über die möglichen finanziellen Folgen des jahrelangen Abgasbetrugs informiert hätten.

    Diess hält die Vorwürfe zwar für unbegründet, weil er erst kurz vor der von der Justiz beanstandeten Vorstandssitzung überhaupt zu VW nach Wolfsburg gewechselt ist, das ändert aber nichts daran, dass auch er mit Blick auf Diesel-Gate vorbelastet ist.

    Herbert Diess bleibt in Zukunft zwar VW-Vorstandsvorsitzender, doch als – wie man in den USA sagt – lame duck, als „lahme Ente“, dem die Zuständigkeit für die Marke VW und damit für das Herzstück des Konzerns entzogen wurde. Seine Teilentmachtung ist möglicherweise auch ein Zeichen dafür, dass in den deutschen Konzernzentralen vielleicht wieder etwas mehr Realismus einkehrt. Die Übernahme der Parolen von Fridays for Future alleine sorgt nämlich noch lange nicht für sprudelnde Gewinne oder die Sicherung von Arbeitsplätzen.

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