Der amerikanische Musiker Glenn Danzig sorgt derzeit für Aufregung und Empörung: Auf seiner US-Tour bietet er Shirts und Flaggen mit der Schwarzen Sonne an. Im Netz tobt ein Shitstorm. Was dieses Symbol bedeutet – und wie es von Himmlers SS adaptiert wurde, lesen Sie in dem hochinformativen Werk „Der Aufgang der Schwarzen Sonne“ von Dennis Krüger. Hier mehr erfahren.

    Er war Sänger der legendären Horrorpunk-Combo Misfits und stürmte mit seiner Nachfolgeband die Charts: Glenn Danzig, Altmeister der Düstermusik, war schon für einige Skandale gut, doch was ihm aktuell vorgeworfen wird, hätten eingefleischte Fans nie erwartet. „Nazi-Scheiß!“, „Faschisten-Fanboy!“, so der Shitstorm, der in den sozialen Medien momentan auf den 69-Jährigen niederprasselt.

    Stein des Anstoßes: Das Magazin „Metal Injection“ schreibt: „Danzigs neues Merch verwendet ein rassistisches Symbol, rechte Extremisten sind begeistert“. Foto: Facebook/@metalinjection

    Der Grund: Mit seiner Band Danzig tourt er gerade durch die USA – und an den Merchandise-Standen werden Shirts verkauft, die eine Comicfigur vor der sogenannten Schwarzen Sonne zeigen. Kritiker sehen darin ein lupenreines Nazi-Symbol. Geht es dem Musiker nur um Provokation – oder steckt mehr dahinter?

    Horrorpunk: Den berühmten Misfits-Schädel sieht man noch heute auf vielen Shirts. Foto: Promo

    Vom Arbeiterkind zum Rockstar

    Fakt ist: Der Schock-Rocker erhitzt die Gemüter nicht zum ersten Mal. Geboren 1955 als Arbeiterkind in Lodi, New Jersey, tauchte Glenn Anzalone, so sein bürgerlicher Name, schon als Teenager in die düstere Welt von Gruselcomics und okkulten Schriften ein. 1977 gründete er die Misfits – eine Band, die mit Songs wie „Last Caress“ (über Vergewaltigung und Mord!) den Horrorpunk begründete und die Eltern der Kids in Aufregung versetzte. Das Markenzeichen der Band: ein schauriger Geisterschädel.

    Nach dem Aus bei den Misfits 1983 ließ Glenn keine Zeit verstreichen – er gründete zunächst Samhain, die in die Fußstapfen der Misfits traten und später die nach seinem Künstlernamen titulierte Metal-Band Danzig eroberte er die Welt des Heavy Metal. Hits wie „Mother“ (1993) katapultierten ihn in die MTV-Charts, und plötzlich war der kleine Mann (1,60 Meter) mit der großen Stimme und den dicken Muckis ein gefeierter Star.

    Glenn Danzig ist aber nicht nur Musiker, sondern ein Multitalent: Er schreibt Comics, betreibt sein Label Evilive und hat sich mit Filmen wie „Verotika“ (2019) als Regisseur versucht – ein schräges Werk, das Kritiker zerfleischten, aber Fans lieben. Über 10 Millionen verkaufte Alben weltweit, Gold- und Platin-Auszeichnungen – der Sänger ist eine Ikone, die sich nie verbiegen ließ.

    Glenn Danzig in Aktion: Auftritt beim Wacken Open Air 2018. Foto: Frank Schwichtenberg, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons

    Im Bann der Dämonen

    Immer wieder sorgte der Italo-Amerikaner aber auch für Unmut bei den Moralwächtern – vor allem wegen seiner düsteren Neigungen. Schon mit den Misfits mischte er Horror und Okkultismus. Der Song „Devil’s Whorehouse“ (1980) spielt mit satanischen Motiven – ein Bordell des Teufels als schaurige Fantasie. Mit Samhain setzte er dies fort. Der Name der Band verweist auf das keltische Totenfest, von dem später Halloween abgeleitet wurde.

    Mit Danzig wurde der Okkultismus noch expliziter. Auf dem Album „Danzig II: Lucifuge“ (1990), benannt nach einem Dämon aus der „Ars Goetia“, einem Grimoire aus dem 17. Jahrhundert, findet sich das Stück „Her Black Wings“, das eine gefallene Engelsgestalt beschwört. Das Cover von „Danzig III: How the Gods Kill“ (1992) zeigt ein H.R.-Giger-Artwork mit einer dämonischen Frau.

    Glenn Danzig ist allerdings kein praktizierender Okkultist oder Satanist. „Ich bin kein Typ für Kirchen – weder für Gott noch den Teufel. Ich mach mein Ding“, sagte er 2021 dem Musikmagazin Rolling Stone. Allerdings hat er großes Interesse an okkulter Literatur und Geschichte. In einem berühmten Interview mit dem Musiksender MTV zeigte Danzig seine Bibliothek mit teil seltenen Büchern. Darunter auch: „The Occult Roots of Nazism“ (1985) des britischen Historiker Nicholas Goodrick-Clarke, das 1997 in deutscher Übersetzung „Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus“ erschien.

    Shitstorm im Netz

    Man kann also davon ausgehen, dass er genau wusste, was für ein Zeichen die Schwarze Sonne ist, die er jetzt auf Fahnen, Tassen und T-Shirts drucken ließ. Der vermeintliche Skandal begann, als Fotos eines Merchandise-Standes bei einem Konzert in Kalifornien auftauchte. Danzig befinden sich momentan auf Tour an der US-Westküste, von Las Vegas bis Phoenix, mit Suppport-Acts wie Down, Abbath und den Cro-Mags im Schlepptau.

    Das mystische Symbol der Schwarzen Sonne. Foto: afazuddin | Shutterstock.com

    „Was zur Hölle, Glenn? Das ist Nazi-Dreck!“, empörte sich ein User auf der Plattform Reddit, als dort ein Bild mit dem zwölfstrahligen Symbol erschien, das die SS als Bodenrelief auf der Wewelsburg verewigte. „Er weiß genau, was er tut!“, wetterte ein anderer Nutzer in einem Thread mit dem Titel „FFS, Really Glenn? This is over the line“. Ein anderer Diskutant zitiert die Anti-Defamation League: „Die Schwarze Sonne ist eines von vielen alten europäischen Symbolen, die die Nazis sich angeeignet haben.“ Der bundesdeutsche Verfassungsschutz nennt es ein „beliebtes Zeichen in der rechtsextremen Szene“.

    Der Ursprung des mysteriösen Zeichens

    Doch was hat es wirklich mit der Schwarzen Sonne auf sich? Tatsache ist: Das Symbol erfreut sich nicht nur unter Neonazis, sondern auch in der Gothic- und der Metal-Szene großer Beliebtheit. In seinem Buch „Der Aufgang der Schwarzen Sonne“ schreibt Experte Dennis Krüger über die Wewelsburg, die 1934 von der SS unter Heinrich Himmler erworben und zu einem Zentrum für ihre Ur- und Frühgeschichtsforschung, möglicherweise aber auch zu einem geheimen Kultort ausgebaut wurde:

    „In diesem wuchtigen Rundturm, dem Nordturm, befindet sich ein runder Saal, der sogenannte (Ober-)Gruppenführersaal, den Himmler als Versammlungsraum der SS-Führung vorgesehen hatte. den Boden des Saals schmückt ein Sonnenrad, das aus vier Hakenkreuzen gebildet wird, deren Balken auch als (insgesamt zwölf) stilisierte Sig-Runen gedeutet werden können. Besser bekannt ist dieses Sonnenrad heute als die sogenannte Schwarze Sonne.“

    Allerdings, so erfährt man in „Der Aufgang der Schwarzen Sonne“ weiter, haben die Nazis das Symbol nicht erfunden. Seine Wurzeln reichen weit zurück – bis hin zu alten nordischen und keltischen Kulturen. Ursprünglich war es ein Sonnensymbol, das in verschiedenen Formen – oft als Rad mit zwölf Strahlen – die Zyklen des Lebens und die kosmische Ordnung repräsentierte. In der nordischen Mythologie steht die Sonne für göttliche Kraft und Wiedergeburt, etwa in Verbindung mit der Göttin Sunna.

    Archäologische Funde, wie die Sonnenscheiben von Trundholm (Bronzezeit, ca. 1400 v. Chr.), zeigen ähnliche radförmige Symbole, die auf Fruchtbarkeit und die Jahreszeiten hinweisen. Bei den Kelten finden sich Parallelen in spiralförmigen Triskele-Motiven, die ebenfalls die Bewegung der Sonne und ewige Kreisläufe symbolisieren.

    Für die Germanen hatte das Zwölfer-Motiv zudem eine mystische Bedeutung – zwölf Monate, zwölf Tierkreiszeichen, zwölf Götter im Pantheon. Diese alte Symbolik, losgelöst von politischer Ideologie, ist es, die Glenn Danzig mit seiner Faszination für vorchristliche Esoterik anzieht – ein Echo vergangener Kulturen, das er in seiner Kunst aufgreift, fernab von Himmlers SS-Ideologie.

    Politisch unkorrekt

    Glenn Danzig selbst hat sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert – keine Stellungnahme auf seiner Website oder in Social Media. Doch wer den Schock-Rocker kennt, der weiß: Er lässt die Hater zappeln. Politisch unkorrekt ist er allemal. 2021 lästerte er über „Cancel Culture und woken Bullshit“ (Rolling Stone): „Die Punk-Explosion könnte heute nicht mehr passieren. Alle sind so verklemmt und PC!“

    Seine Antwort auf den Shitstorm? Wahrscheinlich ein Mittelfinger und ein neuer Song, der noch mehr provoziert. Der Merch-Skandal? Ein Sturm im Wasserglas, aufgebauscht von Leuten, die hinter jedem Busch einen Nazi sehen. Die Schwarze Sonne ist ein Symbol mit Geschichte – ja, auch einer dunklen. Aber Danzig macht daraus Kunst, keine Politik. Wer ihn jetzt canceln will, hat ihn nie verstanden.

    Mehr über die Schwarze Sonne, die okkulten Wurzeln des Dritten Reiches und die Germanenforschung der SS erfahren Sie in dem hochinformativen Werk Werk „Der Aufgang der Schwarzen Sonne“ von Dennis Krüger. 459 Seiten, durchgehend illustriert und prallgefüllt mit Informationen, die Sie woanders vergeblich suchen. Hier bestellen

    Kommentare sind deaktiviert.