Eine Mehrheit der Bundesbürger wendet sich ab von der kritiklosen Solidarität mit Israel. In der COMPACT-Ausgabe „Die blaue Revolution“ haben wir uns ausführlich mit der Lage im Gaza-Streifen auseinandergesetzt. Hier mehr erfahren.
Eine Umfrage des ZDF-Politbarometers unterstreicht eine deutliche Verschiebung in der öffentlichen Meinung in Deutschland hinsichtlich des militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen. Laut der Erhebung halten mittlerweile 80 (!) Prozent der Befragten den Einsatz für nicht gerechtfertigt; im März 2024 vertraten noch 69 Prozent diese Auffassung.
Steinmeier auf Abwegen
Obwohl die tonangebenden Medien in der BRD eher einen solidarischen Kurs gegenüber Israel fahren, schrecken insbesondere die hohen Opferzahlen in der palästinensischen Zivilbevölkerung die bundesdeutsche Öffentlichkeit ab. Nur 12 Prozent der Befragten stuften den Militäreinsatz als angemessen ein.
Volksvertreter fuhren bislang einen gänzlich anderen Kurs. Anlässlich des 60. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik war zuletzt der Bundespräsident nach Tel Aviv geeilt. In englischer Sprache sonderte er dort ab:
„Jeder Besuch in Israel lässt mein Herz schneller schlagen. Der Staat Israel hat tief, tief geprägt, was ich bin. Als Politiker, aber noch mehr als Mensch.“
Und Steinmeier schloss: „Deutschland ist an eurer Seite. Immer.“ Doch die Deutschen wollen das so nicht unterschreiben. Die Brutalität, mit der Israel im Gazastreifen vorgeht, das Sterben der dortigen Kinder, das schreckt ab.
Die Wende
Kanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul waren zuletzt überraschend von dieser Position abgerückt. Merz vor einigen Tagen auf einer Veranstaltung des WDR: „„Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.“
Derzeit führt das israelische Militär erneut verstärkte Angriffe auf Ziele im Gazastreifen durch, unterstützt durch den Einsatz von Bodentruppen. Tag für Tag kommen dabei Unschuldige ums Leben; Hilfslieferungen werden teils gezielt unterbunden.
Die erwähnte Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen sollte dem bundesdeutschen Establishment insgesamt zu denken geben. Die Wiederaufnahme von Hilfslieferungen ist ein Schritt zur Linderung der Not, doch die Umfrageergebnisse legen nahe, dass viele Deutsche eine grundsätzliche Neubewertung der militärischen Strategie Israels fordern.
Netanjahu weit von Zielen entfernt
50.000 Palästinenser verloren seit Kriegsbeginn ihr Leben, weit über 100.000 sind verletzt. Der Gaza-Streifen gleicht einer Trümmerwüste. Ungezählte Menschen sind aus dem kleinen Gebiet, das der Spiegel 2016 als „größten Open-Air-Knast der Welt“ bezeichnete, auf der Flucht.
Diesen Zahlen gegenüber stehen über 1.000 israelische Zivilisten, die vor allem durch den Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 getötet worden waren, und über 400 IDF-Soldaten, die ihr Leben bei der Bodenoffensive der letzten 15 Monate verloren. Für beide Seiten waren es blutige und bittere Kämpfe. Doch das große Ziel, das Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Kriegsbeginn ausgegeben hatte, die Vernichtung der Hamas und die Schaffung einer „neuen Realität“, ist entfernter denn je.
In unserer Ausgabe „Die blaue Revolution“ haben wir uns ausführlich mit der Lage im Gaza-Streifen und dem dortigen Leid auseinandergesetzt. Hier bestellen.