Bei Maybrit Illner spielte sich gestern Abend das eklatante Dilemma der bundesdeutschen Politik auf eine Talkshowrunde reduziert ab: Die Altparteien dürfen, vor den kritischen Augen und Ohren der medialen Meinungsmacher und militanten Linksradikalen, ihren anti-AfD Grundkonsens, der praktisch zum zentralen Inhalt deutscher Parlamente mutiert ist, bestätigen und die FDP offenbart ihre Unfähigkeit mit den Verhältnissen der politischen Realität umzugehen. Die Demokratie-Simulation präsentiert sich auf der Talkshow-Bühne des ZDF.

    Alle gegen den Bösen

    Von vornherein war klar, wie die Konstellation der Sitzrunde zu interpretieren sei: Alexander Gauland, als Vorsitzender der Bundestagsfraktion der AfD, ist der Böse, der Faschist, der Antidemokrat, praktisch der Teufel, dessen dämonische Gehilfen in Thüringen den hinterhältigen Putsch wagten. Linda Teuteberg, als Vertreterin des FDP-Chefs Lindner, der sich heute aufgrund des Trubels freiwillig einem Misstrauensvotum stellt – um seinen Posten rein zu waschen versteht sich – vertritt die in Ungnade gefallene liberale Partei. Michael Kretschmer, sächsischer Ministerpräsident, durfte seine CDU dann auch so gut es nach linksliberalem Maßstab ging, vom Vorwurf der Komplizenschaft bereinigen – mit scharfen Attacken gegen Gauland und die AfD natürlich: „reaktionär und spalterisch“ wäre die Partei, ihre Reden seien „faschistoid“ und würden Herrn Kretschmer „Angst und Bange“ bereiten. Dass dabei das linke Begriffsrepertoire samt Faschismus-Keule von einem angeblich konservativen Christdemokraten verwendet wird, versteht sich von selbst. Ehemalige CDU-Inhalte gelten auch hier längst als reaktionär und nicht mehr zeitgemäß. Alle nichtlinken Überzeugungen und Standpunkte pre-2015 werden allmählich in den Zeitraum von 1933-1945 gerückt – eine absurde Geschichtsklitterung, bei der die Machterhaltungspartei unter Merkel selbstredend längst mitspielt.

    Die liberale Schmelze

    Teuteberg beteiligte sich so gut es ging am Haltungsspiel und trug dabei verbal zu Tage, was die Partei der Liberalen hindert und was sie nicht im Stande zu begreifen ist – und womöglich ganz überflüssig machen könnte. Man habe mit Kemmerich den einzigen Kandidaten der Mitte gestellt, im Gegensatz zu den Rändern, hieß es. Doch die ausufernde Linkslastigkeit des bundesdeutschen Juste Milieu unserer Tage scheint ihr und der Partei nicht bewusst zu sein, vielleicht sogar erstmals vor Augen geführt zu werden. Sie formuliert es praktisch selbst, indem sie sich dem allgemeinen Framing des Öffentlich-Rechtlichen beugt und behauptet, die Linke, also die SED-Nachfolgepartei, sei mit der AfD in der Frage der Radikalität nicht ganz gleich zu setzen. Alles andere hätte auch für einen Eklat gesorgt und der freiheitlich-demokratischen Partei endgültig den Faschisten-zweiter-Güte-Stempel verpasst. Doch was bedeutet es, wenn eine Liberale die Mauerschützenpartei relativiert und die ihr näherstehende Alternative nach linkem Weltbild als NSDAP 2.0 stilisiert?

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    Er ist der am heißesten diskutierte Politiker in Deutschland – und gilt vor allem im Osten für viele als Hoffnungsträger für eine politische Wende. Altparteien und Leitmedien dagegen verteufeln ihn als neuen Hitler und sehen den anstehenden Wahlen mit Sorge entgegen: In den neuen Bundesländern ist die AfD zur stärksten Partei aufgestiegen – mit Höcke als bekanntestem Zugpferd. Bilden Sie sich jetzt Ihre eigene Meinung über diesen Mann. COMPACT-Edition dokumentiert die wichtigsten Reden und Interviews, die Denkanstöße und Tabubrüche des Thüringers aus den letzten Jahren. Sprach er wirklich abwertend von einem „Mahnmal der Schande“? Wie denkt er über Afrikaner? Will er eine „ethnische Säuberung“ der Bevölkerung? Bereitet er in der AfD einen Putsch zur „Machtergreifung“ vor?

    Die Linke ist dieser Darstellung zu Folge also fast genauso bürgerlich-demokratisch wie CDU oder FDP, mindestens aber so harmlos wie sich SPD oder Grüne geben beziehungsweise gelten. Die engste Vernetzung zur linksextremistischen Antifa und die post-kommunistische Ausrichtung der Funktionäre ist also bürgerlich-mittiger als klassisch-konservative Standpunkte der AfD, die vor zehn Jahren noch problemlos von der CDU vertreten wurden – Stichworte Migrantengewalt, Asylmissbrauch oder traditionelle Ehe. Würden die meisten Wähler der FDP dies unterschreiben? Alexander Gauland merkt in der Runde zurecht an, dass es viele Parteimitglieder an der Basis der CDU (und wohl auch nationalliberale Mitglieder der FDP) gäbe, die kein Problem mit einer Zusammenarbeit mit der AfD hätten – zumindest lieber so als RRG das Feld zu überlassen. Aber dieser Offensichtlichkeit darf natürlich nicht zugestimmt werden, zu groß ist der Druck der Haltungsjournaille und des aggressiven Antifa-Mobs, der Kemmerich bereits kurz nach der Wahl bedroht hat und über Nacht die FDP-Landesgeschäftsstelle in Schwerin beschmierte.

    Aber demgegenüber zeigte Teuteberg keine wirklich große Empörung, zu eingeschüchtert ist man scheinbar vom öffentlichen Wirbel um diesen „Tabubruch“. Die Hetze der sogenannten Zivilgesellschaft zeigte also ihre Wirkung: Nach ein wenig medialem Trubel und albernen Demozügen der Vollzeitempörten und ideologisch gefärbtem Geschwafel angeblicher Experten im Öffentlich-Rechtlichen, knickt die FDP ein – ein Druck, dem die AfD samt ihrer Mitarbeiter und Wähler ununterbrochen ausgesetzt ist und standhält. Die soziale Ausrichtung der Gesellschaft ist nach 15 Jahren Merkel dermaßen an den rot-grünen Rand getrieben worden, dass absurde Vergleiche zur Nazizeit und Bedrohungen und Angriffe durch linksradikale Autonome im Sinne der Mitte dieses Landes stehen. Eine FDP, die dies einfach hinnimmt und akzeptiert, kann keine klassisch bürgerliche Politik mehr vertreten. Solch eine liberale Partei darf dann auch in die Bedeutungslosigkeit schwinden – die AfD hingegen wird zur letzten Bastion einer liberalen und konservativen Mitte.

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