Beging Hitler 1945 nicht Selbstmord, sondern flüchtete nach Südamerika? Die Gerüchteküche brodelt – und Boris Becker hat sie jüngst befeuert. Was tatsächlich über geheime Aktivitäten von ehemaligen Nazis in Argentinien und anderen Staaten bekannt ist, haben wir in unserer Geschichtsausgabe „Hitlers Geheimwaffen: UFOs, Raketen und die deutsche Atombombe“ nachgezeichnet. Hier mehr erfahren.

    Seit Boris Beckers X-Post zu einem möglichen Überleben Adolf Hitlers in Argentinien (der von ihm später wieder gelöscht und von seinem Anwalt als „Missverständnis“ bezeichnet wurde, kocht das Netz über. Die Sensations-Story, die im Zusammenhang mit der geplanten Freigabe von argentinischen Geheimakten zur Flucht ehemaliger Nazis ins Land der Gauchos steht, elektrisiert die historisch interessierte Netzgemeinde.

    Boris Becker und Hitler: Was stimmt wirklich?

    Der Post, den Becker geteilt hat, bezieht sich auf geheime CIA-Akten, die 2017 freigegeben wurden. Sein Anwalt teilte mit, der Ex-Tennisprofi habe nur seiner „Verwunderung“ über die Hitler-Theorie Ausdruck verleihen wollen. Sein Mandant sei über die vermeintlichen Enthüllungen erstaunt gewesen, „da dann ja alles falsch wäre, was er jemals über den Tod von Adolf Hitler in sämtlichen Filmen gelernt hat“, zitiert der Focus den Becker-Anwalt.

    Das CIA-Dokument

    In besagtem CIA-Dokument von 1955, das 2017 im Rahmen einer JFK-Akten-Deklassifizierung freigegeben wurde – und auf das sich auch der Tweet bezieht, den Boris Becker letzte Woche auf X teilte –, behauptet ein ehemaliger SS-Mann namens Phillip Citroen, dass er Hitler nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig in Kolumbien getroffen habe, bevor der Diktator nach Argentinien weitergezogen sei. „Er fühlte sich in Kolumbien nicht sicher genug“, soll Citroen gesagt laut dem CIA-Dokument haben.

    Citroen, der von dem US-Geheimdienst als Informant mit dem Decknamen „CIMELODY-3“ geführt wurde, prahlte sogar mit einem grobkörnigen Foto, das angeblich ihn und Hitler zeige (siehe unten) – ein Bild, das in der verschwommenen Qualität und den unscharfen Details typisch für die damalige Fototechnik ist, aber auch Raum für Interpretationen lässt.

    Dieses Foto aus CIA-Beständen sollte belegen, dass Adolf Hitler 1954/55 in Kolumbien lebte. Links sieht man den Gewährsmann dieser Theorie, den ehemaligen SS-Offizier Philip Citroen. Foto: CIA

    Die Gesichter sind unscharf, die Beleuchtung schlecht, es gibt keine klaren Merkmale, die eine Identifikation zweifelsfrei ermöglichen. „Es könnte jeder sein“, kommentierte der CIA-Analyst im Bericht und fügte hinzu, dass die Behauptungen „ohne zusätzliche Beweise nicht ernst zu nehmen sind“ (CIA-Dokument, 3. Oktober 1955, freigegeben 2017). Dennoch wurde das Dokument in den Archiven aufbewahrt, was darauf hindeutet, dass die CIA die Möglichkeit einer Flucht zumindest nicht vollständig ausschloss – oder zumindest die Gerüchte für nachrichtendienstlich interessant hielt.

    Laut dem CIA-Dokument war der Informant ein niederrangiges Mitglied der SS gewesen, das nach dem Krieg nach Südamerika gegangen war – wie viele andere Nazis, die über die sogenannten Rattenlinien in Länder wie Argentinien, Brasilien oder Paraguay gelangten. Er soll in den 1950er Jahren in Tunja, einer abgelegenen Stadt in den kolumbianischen Anden, gelebt haben, die damals eine kleine deutsche Gemeinschaft beherbergte.

    Der ehemalige SS-Mann Citroen behauptete gegenüber der CIA, Hitler habe sich dort unter dem Pseudonym Adolf Schüttelmayer aufgehalten und sei etwa einmal im Monat mit ihm zusammengetroffen. Diese Treffen sollen in einem Café oder einer privaten Unterkunft stattgefunden haben, wobei der vormalige NS-Führer – angeblich gealtert, aber unverkennbar – von einer Handvoll loyaler Ex-Nazis umgeben war. Citroen beschrieb ihn als „hager, mit grauem Haar, aber mit den gleichen stechenden Augen“.

    Die Geschichte gewinnt an Brisanz durch den historischen Kontext: Kolumbien war nach 1945 kein typisches Ziel für flüchtige Nazis – im Gegensatz zu Argentinien, wo Präsident Juan Perón aktiv Exilanten aufnahm. Doch das Land hatte eine kleine deutsche Diaspora, die seit dem 19. Jahrhundert bestand, und verfügte über abgelegene Regionen, die sich für ein Leben im Verborgenen eigneten. Tunja, etwa 130 Kilometer nordöstlich von Bogotá, war eine ruhige Provinzstadt, fernab der internationalen Aufmerksamkeit – ein durchaus plausibler Ort für jemanden, der untertauchen wollte.

    Der US-Geheimdienst spekulierte bereits 1944, wie Hitler auf der Flucht aussehen könnte: ohne Bärtchen und Scheitel, aber mit Brille. 1945 wurde das Bild in Deutschland verteilt, weil unklar war, ob Hitler wirklich tot war. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Die CIA nahm die Informationen auf, leitete sie aber nicht an höhere Stellen weiter, sondern stufte sie als „nicht verifizierbar“ ein. Der Behörde wurden in den Nachkriegsjahren hunderte ähnliche Berichte über Hitlers Überleben zugetragen. Ein internes Memo vom November 1955 erwähnt, dass „zahlreiche Quellen in Südamerika behaupten, Hitler gesehen zu haben, aber keine dieser Sichtungen konnte bestätigt werden“ (CIA-Archiv; freigegeben 2017). Der damalige CIA-Direktor Allen Dulles hatte bereits 1945 erklärt, dass „die Wahrscheinlichkeit, dass Hitler lebt, verschwindend gering“ sei – eine Einschätzung, die auf den sowjetischen Berichten über die Auffindung von Hitlers Überresten basierte.

    Die Sowjets gaben an, die Leiche des Diktators nach der Eroberung Berlins gefunden zu haben, gaben allerdings später zu, dass die Überreste stark beschädigt und nicht eindeutig identifizierbar waren. 2009 platzte dann eine Bombe: Die DNA-Analyse eines angeblichen Schädelfragments des NS-Diktators zeigte, dass es von einer Frau stammte – ein Befund, der die Zweifel an Hitlers Tod im Führerbunker weiter nährte.

    Die V2-Fluchttheorie

    Vier Jahre nach der Erstellung der CIA-Akte, 1959, behauptete ein gewisser Johannes von Müllern-Schönhausen, Hitler sei mit einer V2-Rakete aus Berlin geflüchtet. Das Kürzel steht für „Vergeltungswaffe 2“ – eine ballistische Rakete, die im Dritten Reich unter Wernher von Braun in Peenemünde entwickelt und als eine der ersten Überschallwaffen in der Geschichte eingesetzt wurde.

    Alles über diese Rakete und Nachfolgeprojekte, die auch als Trägerwaffe für Atomwaffen gedacht waren, lesen Sie in COMPACT-Geschichte „Hitlers Geheimwaffen“. Die V2 erreichte eine Höhe von bis zu 100 Kilometern und eine Reichweite von etwa 320 Kilometern – beeindruckend für die damalige Zeit, aber ungeeignet für einen bemannten Langstreckenflug nach Südamerika.

    Von Müllern-Schönhausen spekulierte in seinem Buch „Die Lösung des Rätsels Adolf Hitler“, dass eine speziell modifizierte Version der Rakete Hitler in einem waghalsigen Manöver aus der belagerten Hauptstadt in Sicherheit gebracht habe, möglicherweise nach Spanien oder Nordafrika, von wo aus er weiter nach Südamerika gelangt sei.

    Historiker halten diese Theorie für technisch und logistisch abwegig. Es gab zwar Überlegungen, die V2 später einmal für bemannte Raumfahrtmissionen zu nutzen – von Braun selbst und sein Mitarbeiter Hermann Oberth hatten darüber sinniert, wie wir in COMPACT-Geschichte „Hitlers Geheimwaffen“ belegen –, doch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gab es noch nicht einmal einen solchen Prototyp. „Die V2 hatte weder die Kapazität noch die Steuerung, um einen Passagier sicher zu transportieren“, so der Raketenexperte Jens Beutel 2018 in einem Interview mit der Deutschen Welle. Zudem fehlen jegliche Beweise für eine derartige Modifikation oder einen Start aus Berlin im April 1945, als die Stadt bereits von der Roten Armee umzingelt war.

    Coopers „Hitler in Argentinien“

    Die Erzählung über Hitlers angebliche Flucht schwelte jahrzehntelang. 2006 veröffentlichte dann der US-Autor Harry Cooper sein Buch „Hitler in Argentina: The Documented Truth of Hitler’s Escape from Berlin“, das die These mit neuen Beweisen untermauern sollte. Cooper, Gründer der Organisation Sharkhunters International, die sich ursprünglich der Erforschung von U-Booten im Zweiten Weltkrieg widmete, hatte sich über die Jahre zunehmend auf die Nachkriegszeit und die Flucht hochrangiger Nazis nach Südamerika konzentriert. Er stützte sich auf Berichte von U-Boot-Besatzungen, die nach Kriegsende in Argentinien auftauchten, sowie auf angebliche Augenzeugen, die Hitler in Patagonien gesehen haben wollten. 2010 legte er mit dem Buch „Escape from the Bunker“ nach, in dem er detailliert beschreibt, wie Hitler über ein Netzwerk von Sympathisanten und mit Hilfe der deutschen Marine entkommen sei.

    Das bei den Dreharbeiten für den Film „Das Boot“ verwendete U-Boot-Modell – heute Ausstellungsstück in der Bavaria Filmstadt in Geiselgasteig. Foto: Pero Mihajlovic I Shutterstock.com.

    Cooper fokussiert sich besonders auf die U-Boote U-977 und U-530, die im Juli beziehungsweise August 1945 im Rio de la Plate einliefen. Diese Boote der deutschen Marine hatten den Krieg überdauert und kapitulierten erst Monate nach dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen. „Die Besatzungen dieser Boote wurden intensiv verhört, aber ihre Aussagen waren vage – ein Zeichen dafür, dass sie etwas verbergen wollten“, schreibt Cooper in „Hitler in Argentina“.

    U-977, unter dem Kommando von Oberleutnant zur See Heinz Schäffer, hatte eine 66-tägige Reise unter Wasser hinter sich, was technisch beeindruckend war und Gerüchte über eine geheime Mission nährte. Schäffer selbst erklärte später, er habe lediglich versucht, der Gefangenschaft zu entgehen, doch Cooper sieht dies als Vorwand an. Er zitiert in seinem Werk als Zeitzeugen einen argentinischen Fischer, der „einen Mann mit deutschem Akzent und Schnurrbart“ an Bord gesehen haben will.

    Kritiker werfen Cooper damals vor, seine Forschungen seien von Sensationslust getrieben. Der amerikanische Autor ignoriere die Beweise für Hitlers Tod im Bunker, darunter die Aussagen von SS-Hauptsturmführer Otto Günsche, dem persönlichen Adjutanten des „Führers“, der 1945 gegenüber sowjetischen Ermittlern erklärte: „Ich habe den Befehl selbst ausgeführt.“ Anhänger der Cooper-Theorie allerdings meinen, dass dies nur eine Schutzbehauptung Günsches gewesen sei, um die Flucht seines Chefs zu vertuschen und alle Spuren zu verwischen.

    Die Doppelgänger-Theorie

    Fünf Jahre nach Coopers Werk, im Jahr 2011, erschienen das Buch und die Doku-Serie „Grey Wolf: The Escape of Adolf Hitler“ von Gerrard Williams und Simon Dunstan, die die Fluchtthese um einen interessanten Aspekt erweiterten. Die Journalisten und Filmemacher behaupten, Hitler und seine Frau Eva Braun hätten den Führerbunker mit Hilfe von Doppelgängern verlassen, die an ihrer Stelle getötet und verbrannt worden seien – eine Täuschung, die die sowjetischen Truppen irregeführt habe.

    Die Flucht der Eheleute sei über ein Netzwerk von Nazi-Sympathisanten über eine der bereits erwähnten Rattenlinien erfolgt. Diese Routen, oft mit Unterstützung des Vatikans und südamerikanischer Regierungen, ermöglichten es unter anderem auch dem Holocaust-Organisator Adolf Eichmann und dem berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele nach dem Krieg nach Lateinamerika zu entkommen.

    Da kann man’s aushalten: Blick von Bariloche auf den Nahuel Huapi See und die Victoria-Insel. Foto: Margus Vilbas Photography/Shutterstock

    Williams und Dunstan skizzieren eine Reise, die Hitler zunächst per Flugzeug nach Spanien oder Dänemark geführt habe, gefolgt von einer Überfahrt mit einem U-Boot – möglicherweise U-977 oder U-530 – nach Argentinien. Dort hätten er und Eva Braun in einer abgelegenen Region Patagoniens unter falscher Identität gelebt, etwa in der Nähe von Bariloche, einem Ort, der nicht nur für seine deutsche Architektur und seine Abgeschiedenheit bekannt ist, sondern auch – wie man in einem eigenen Artikel in COMPACT-Geschichte „Hitlers Geheimwaffen“ nachlesen kann, für geheime Atomforschungen von Ex-NS-Wissenschaftlern im Auftrag von Argentiniens Staatschef Perón.

    Die Autoren stützen sich auf eine Reihe von Indizien. „Wir haben Beweise von Einheimischen, die einen Mann mit Hitlers Merkmalen in den 1950er Jahren sahen“, erklärt Williams in seiner Doku (Episode 1, 2011). Zu diesen Beweisen zählen Fotos eines älteren Mannes mit Schnurrbart, die in der Serie gezeigt werden, sowie Berichte über deutsche Siedlungen in Patagonien, die nach dem Krieg entstanden.

    Bariloche, oft als „Klein-Bayern“ bezeichnet, war, wie unsere Geschichtsausgabe „Hitlers Geheimwaffen“ belegt, tatsächlich ein Treffpunkt für Ex-Nazis, und das berüchtigte Haus Inalco – eine abgelegene Villa am Nahuel-Huapi-See – wird häufig als Hitlers vermeintliches Versteck genannt. Doch die Fotos, die die Journalisten in  „Grey Wolf“ präsentieren, wurden von Historikern als unzuverlässig eingestuft.

    Allerdings wird die Doppelgänger-Theorie in den Augen der Befürworter der Fluchtthese durch die chaotischen Umstände im Führerbunker 1945 gestützt. Die Leichen von Hitler und Braun, sofern sie es denn waren, wurden hastig verbrannt, und der 2009 aufgeflogene Schwindel mit dem angeblichen Schädel des Diktators nährte die Zweifel weiter. „Die Sowjets hatten ein Interesse daran, Hitlers Tod zu bestätigen, aber ihre Beweise waren lückenhaft“, schreiben Williams und Dunstan („Grey Wolf“ , 2011, S. 203).

    Historiker wie Richard J. Evans werden jedoch nicht müde zu betonen: „Die Doppelgänger-Idee ist ein beliebtes Motiv in Verschwörungstheorien, aber es gibt keine glaubwürdigen Beweise dafür“ („The Third Reich at War“, 2008, S. 728). Neben Günsches Aussagen werden von der offiziellen Geschichtsschreibung auch andere Erklärungen von Bunkermitarbeitern herangezogen, um die Fluchtthese zu widerlegen – etwa die von Hitlers Kammerdiener wie Heinz Linge, der die Leichen des NS-Führers und seiner Angetrauten identifiziert haben will.

    Internationaler Bestseller: „Hitler überlebte in Argentinien“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Hier die niederländische Ausgabe. Foto: Taal

    Hitlers verschwiegene Kinder

    Ebenfalls 2011 veröffentlichten Abel Basti und Jan van Helsing das Buch „Hitler überlebte in Argentinien“, das die U-Boot-Fluchtthese untermauert, darüber hinaus aber mit einer echten Sensation aufwartet: Der NS-Diktator, so schreiben die Autoren, habe in Argentinien nicht nur überlebt, sondern auch einen Sohn gezeugt, der später unbehelligt in der Schweiz studiert habe. Außerdem soll Hitler auch noch eine Tochter haben, die in Buenos Aires lebe.

    Basti, ein argentinischer Journalist, stützt sich auf angebliche Zeitzeugen, darunter einen Gärtner, der Hitler in den 1950er Jahren in einer Villa gesehen haben will. „Ich habe Dokumente, die beweisen, dass er hier war“, sagte Basti in einem Interview mit der Zeitung La Nación (2011), ohne diese jedoch je vollständig offenzulegen. Jan van Helsing, im Mainstream als Verschwörungstheoretiker verunglimpft, ergänzt die Erzählung mit weiteren Elementen, etwa der Idee, dass Hitler von einer geheimen Elite unterstützt wurde.

    Sein argentinischer Kollege beschreibt ein Leben in Abgeschiedenheit, etwa in der Provinz Córdoba oder in Patagonien, wo Hitler unter dem Namen „Kurt Meier“ gelebt habe, umgeben von loyalen Ex-Nazis. Basti zitiert den Brief eines deutschen Einwanderers, der behauptet, Hitler 1952 in einer kleinen Stadt getroffen zu haben: „Er war älter, aber unverkennbar – die Augen, die Stimme“ („Hitler überlebte in Argentinien“, S. 89).

    Die Geschichte von den angeblichen Nachkommen Hitlers lautet zusammengefasst wie folgt: Der Sohn soll in den 1960er Jahren in Zürich studiert haben, die Tochter in Buenos Aires eine Familie gegründet haben – beides wird jedoch ohne echte Belege behauptet. Historiker wie Uki Goñi bestätigen zwar, dass Argentinien ein Refugium für Nazis war, sehen aber keine stichhaltigen Hinweise für Hitlers Anwesenheit. „Die Geschichten über Hitler in Argentinien sind Legenden, die auf wahren Fluchtrouten basieren, aber übertreiben“, so Goñi („The Real Odessa“, 2002, S. 312).

    FBI-Dokumente: Hitler und das „Vierte Reich“

    Das größte Aufsehen erregte allerdings die Dokumentarserie „Hunting Hitler“ (2015–2018) des renommierten History Channel. Die Macher präsentieren darin eine weitere Variante: Hitler sei 1948 mit einem U-Boot nach Kolumbien geflüchtet und habe dort ein „Viertes Reich“ geplant. Dabei stützen sich die Autoren auf 2014 freigegebene FBI-Dokumente, die Gerüchte über Hitlers Überleben enthalten.

    Ein Memo von FBI-Chef J. Edgar Hoover vom 21. September 1945 lautet:

    „Es gibt keine definitive Bestätigung, dass Hitler tot ist.“

    Diese Akten dokumentieren zahlreiche unbestätigte Hinweise, etwa von Informanten, die Hitler in Argentinien, Brasilien oder Kolumbien gesehen haben wollten. Ein Bericht beschreibt einen Mann mit „deutschem Akzent“ in einer abgelegenen Gegend Kolumbiens, ein anderer erwähnt eine Sichtung in einem Café in Buenos Aires – doch keiner dieser Hinweise wurde verifiziert.

    Das Team der Serie bestand aus namhaften Persönlichkeiten: CIA-Veteran Bob Baer nutzte Asset-Mapping, um Hitlers angebliches Netzwerk zu analysieren; Tim Kennedy, ein ehemaliger Special-Forces-Soldat, leitete physische Erkundungen, etwa Tauchgänge nach U-Boot-Wracks; Gerrard Williams brachte seine „Grey Wolf“-Expertise ein. Der Historiker James Holland war zunächst beteiligt, distanzierte sich jedoch später von der Dokureihe und nannte sie „Unsinn“ (The Guardian, 2016).

    Schlüsselfigur: Geheinwaffenchef SS-Obergruppenführer Hans Kammler (Mitte) auf dem Weg zu einer rüstungstechnischen Anlage bei Ebensee im Salzkammergut, 1944. Foto: Screenshot Youtube

    Die Untersuchungen des Filmteams führten zu Funden wie verlassenen Bunkern in Patagonien, einem unterirdischen Versteck auf den Kanarischen Inseln und einer U-Boot-Anlegestelle in Argentinien. Besonders spektakulär war die Entdeckung eines Tunnelsystems in Misiones, Argentinien, das ein Nazi-Versteck gewesen sein soll. Doch keine dieser Entdeckungen konnte eindeutig mit Hitler verknüpft werden – manche Historiker sehen darin Überreste von späteren Aktivitäten oder Fehlinterpretationen.

    Die Idee eines „Vierten Reiches“ greift allerdings auf handfeste Tatsachen zurück, etwa auf die Organisation Gehlen, aus der später der Bundesnachrichtendienst (BND) hervorging – der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik. Die Vorstellung jedoch, dass Hitler selbst eine Fortführung des Nazi-Reiches von Kolumbien aus geplant habe, bleibt spekulativ. „Die Serie ist Unterhaltung, keine Wissenschaft“, kanzelte der Historiker Norman Goda (The Journal of Modern History, 2017) die Dokumentation ab.

    Was Sie nicht erfahren sollen: Echte Fakten zum Verbleib hochrangiger Nazi-Wissenschaftler in Nord- und Südamerika und ihren Forschungen lesen Sie in unserer Geschichtsausgabe „Hitlers Geheimwaffen: UFOs, Raketen und die deutsche Atombombe“. Hochbrisant und der historischen Wahrheit verpflichtet. Hier bestellen.

    Kommentare sind deaktiviert.