Spätestens ab 1943 spielte die SS eine tragende Rolle in der Geheimwaffen-Entwicklung des Dritten Reiches. Der Verbleib ihres führenden Repräsentanten ist bis heute ungeklärt. In COMPACT-Geschichte „Hitlers Geheimwaffen – UFOs, Raketen und die deutsche Atombombe“ begeben wir uns auf seine Spuren. Hier mehr erfahren.

Beim Einmarsch der Alliierten 1945 hatten es die Truppen von US-General Patton besonders eilig, in Richtung des Jonastals bei Erfurt vorzustoßen und dann weiter nach Pilsen zu ziehen, wo man an der vereinbarten Demarkationslinie mit den Sowjets stoppte. Doch was war für die Amerikaner an Thüringen und Böhmen so interessant?
Die Antwort liegt auf der Hand: In den Skoda-Werken bei Pilsen wie auch in Ohrdruf (Thüringen) und Prag hatte Himmlers SS die Oberaufsicht über Produktionsstandorte, in denen das Amt Forschung – Patente – Entwicklungen unter Leitung von SS-Gruppenführer Otto Schwab an streng geheimen Antriebsarten und Waffensystemen arbeitete. Dabei sollen, so Augenzeugen, geradezu unfassbare physikalische Experimente durchgeführt worden sein.
Als gesichert gilt, dass sich Konstrukteur Alexander Lippisch, bei dem die Amerikaner nach Kriegsende fertige Pläne für eine Weltraumstation fanden, in Prag mit diversen Entwicklungen beschäftigte, zu denen auch revolutionäre Fluggeräte zählten. Tatsächlich waren damals Forschungen mit Nuklearantrieben schon weit fortgeschritten.
Davon zeugen unter anderem Projekte wie die Messerschmitt P.1073 – ein Langstreckenträgerflugzeug mit drei Bordflugzeugen – und der Skoda-Kauber-Überschallbomber, der kurz vor dem Bau gestanden haben soll. Wie Otto Skorzeny in seinem Buch „Meine Kommandounternehmen“ schrieb, sei ein Prototyp der Henschel 8-122 mit Nuklearantrieb sogar fertiggestellt, bei Kriegsende aber gesprengt worden.
Was ein Paperclip-Dokument verrät
Der Physiker Ronald Richter, der später am Aufbau eines Kernreaktors in Argentinien beteiligt war, soll laut einem US-Geheimdienstbericht vor Kriegsende nicht nur an solchen Atomantrieben geforscht haben, sondern auch an „Magnetfeld-Spaltung“ und „Fusions-Plasma-Systemen“.
Der aus Falkenau in Böhmen stammende Wissenschaftler habe demnach 1944 in den im Jonastal gelegenen Waffenwerken Suhl Versuche zur Umwandlung von Kern- in Hochfrequenzenergie durchgeführt – ein Phänomen, das heute unter der Bezeichnung EMP (elektromagnetischer Impuls) bekannt ist und beispielsweise durch eine Atombombe ausgelöst wird. Elektronische Bauteile, zum Beispiel in Autos, werden dadurch zerstört.

Im Zusammenhang mit seinen Forschungen an Schockwellen und Magnetfeldern will Richter auf eine Energiequelle „völlig neuer Natur“ gestoßen sein, die er als „Nullpunktenergie“ bezeichnete. So ist es im Paperclip-File NA 20740-6001 zu lesen. Das Dokument wurde im Rahmen der US-Operation Paperclip erstellt. Damit bezeichneten die Amerikaner die Anwerbung hochrangiger Wissenschaftler, die im Dritten Reich an Waffensystemen geforscht hatten. Kein Wunder also, dass Patton und seine Soldaten solche Standorte im Visier hatten.
Das schwarze Phantom
Der Verantwortliche, der ab 1943 die gesamte Raketen- und Geheimwaffen-Produktion unter seiner Kontrolle hatte, war SS-Obergruppenführer Hans Kammler. Er stieg damit zum „mächtigsten Mann Deutschlands außerhalb des Kabinetts“ auf, der sogar befugt war, „jedermann ohne Rücksicht auf Rang und Stellung zu verhaften, der der Durchführung seiner Befehle im Wege stand“, wie der Historiker Tom Agoston in seinem Buch „Teufel oder Technokrat? Hitlers Graue Eminenz“ schreibt.
Was Kammler nach 1945 trieb oder welches Schicksal ihn ereilte, ist bis heute ungeklärt. Nicht weniger als sechs unterschiedliche Versionen kursierten kurz nach dem Krieg über seinen angeblichen Tod – von Selbstmord über Erschießung auf Verlangen bis hin zum Tod im heldenhaften Kampf gegen die Sowjets.

1949 wurde Kammler auf Betreiben seiner Frau offiziell für tot erklärt – vom Berliner Amtsgericht, das den Angaben von seinem Fahrer, SS-Oberscharführer Kurt Preuk, Vertrauen schenkte, wonach sich sein Chef am 9. Mai 1945 in der Nähe von Prag selbst erschossen habe. Doch das kann nicht der Wahrheit entsprechen.
In COMPACT-Geschichte „Hitlers Geheimwaffen – UFOs, Raketen und die deutsche Atombombe“ klären wir auf:
„Angesichts solcher Ungereimtheiten kursierten lange Zeit verschiedene Spekulationen, nach denen Kammler seinen Tod nur vorgetäuscht habe, um entweder zu den Russen oder Amerikanern überzulaufen, oder gar mit einigen anderen Nazis nach Argentinien geflohen sei.
Überaus ungewöhnlich ist, dass die Alliierten ihn bei Kriegsende zwar auf Verhaftungslisten führten, aber nie einen öffentlichen Fahndungsaufruf starteten. Üblich wäre es zumindest gewesen, ihn in Abwesenheit zu verurteilen – so wie es etwa mit SS-Mann Klaus Barbie oder in Nürnberg mit Hitler-Stellvertreter Martin Bormann gemacht wurde. Doch ausgerechnet einer von Himmlers ranghöchsten Leuten, der zudem noch direkt am Bau des KZs Auschwitz beteiligt war, soll in der Prozessflut nach dem Krieg übersehen worden sein? Das ist kaum vorstellbar.“
Neue Zweifel an der offiziellen Version kamen 2002 auf, als die Aussage von Kammlers ehemaligem Berliner Büroleiter, Heinz Schürmann, bekannt wurden. Dieser erklärte, sein Vorgesetzter habe sich am 4. Mai 1945 mit folgenden Worten von ihm verabschiedet:
„Wenn es heißt, Hans sei tot, ist Hänschen noch lange nicht tot.“
Im Frühjahr 2014 kam schließlich heraus: Kammler befand sich noch nach seinem offiziellen Todesdatum in Obhut des US-amerikanischen Counter Intelligence Corps, das ihn verhörte. Bereits 1949 hatte der amerikanische Spezialermittler Oskar Packe einen geheimen Bericht über den SS-Obergruppenführer verfasst, in dem er vermerkte, dass Kammler mit seinem Stab am 9. Mai 1945 in Oberammergau in US-Gefangenschaft geriet, aus der er aber Richtung Österreich beziehungsweise Italien entkommen wäre.
Diese Behauptung wurde allerdings durch den Filmemacher Andreas Sulzer widerlegt, der im Februar 2014 auf John Richardson – Sohn eines hochrangigen Spezialagenten des Geheimdienstes OSS – stieß. Demnach habe dessen Vater Donald W. Richardson Kammler 1947 in die USA gebracht.
Dort soll der er dann an einem geheimen Ort bis Ende des Jahres unter „unkomfortablen“ Umständen ausführlich verhört worden sein, bis er sich schließlich in seiner Arrestzelle erhängt habe. Ob das stimmt oder ob Kammler möglicherweise inkognito für die Amerikaner weiter tätig war, ist ein bis heute ungelöstes Rätsel der Zeitgeschichtsforschung.
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