Die berühmte Hallstatt-Kultur ist wesentlich älter als man bislang annahm. Das zeigen neue archäologische Funde in der Alpenregion. Dass nicht nur in dieser Hinsicht die Geschichte vollkommen neu geschrieben werden muss, verdeutlicht unsere Sonderausgabe „Geheime Geschichte – Von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“, über die Sie hier mehr erfahren.
Ein kleiner Ort in den Alpen, eingebettet zwischen hohen Bergen und einem glitzernden See, sorgt wieder einmal für Furore. Hallstatt im Salzkammergut ist seit eh und je ein Touristenmagnet, doch auch für Archäologen und Prähistoriker ist das Dorf in Oberösterreich mit seinen nur knapp 740 Einwohnern ein echter Hotspot.
Die reichhaltigen Salzvorkommen in der Region um den Hallstätter See wurden nachweislich seit 1500 v. Chr. durch Bergbau erschlossen und bescherten den Menschen großen Reichtum. Berühmt ist der Ort, der zusammen mit dem Dachstein und dem Inneren Salzkammergut zum UNESCO-Welterbe zählt, aber vor allem durch Funde aus einem Gräberfeld der älteren Eisenzeit, die ihn namensgebend für eine Epoche in ganz Europa werden ließen: die sogenannte Hallstatt-Kultur, die als Frühform keltischer Gemeinschaften gilt.
„Ein absoluter Volltreffer“
Die Geschichte dieser Epoche muss nun womöglich vollkommen neu geschrieben werden, denn unlängst stießen Forscher in Hallstatt auf Überreste einer Siedlung aus der Jungsteinzeit – datiert auf 5500 v. Chr. Damit sind die Funde 500 Jahre älter als alles, was man bisher in der Region zutage gefördert hatte. Keramik, Feuersteinbeile und verkohlte Getreidekörner enthüllen: Hallstatt war schon vor 7.500 Jahren ein pulsierendes Zentrum.

Die prähistorische Siedlung wurde während Bauarbeiten für ein Tourismusprojekt entdeckt. Ein Archäologen-Team unter der Leitung von Anton Kern vom Naturhistorischen Museum Wien kümmerte sich um die weiteren Ausgrabungen. „Das ist ein absoluter Volltreffer“, so Kern im Gespräch mit dem Standard. „Wir haben Beweise für eine sesshafte Gemeinschaft gefunden, die Landwirtschaft betrieb und vielleicht schon Salz abbauen wollte.“
Die Funde sind ein wahrer Schatz: Gefäße mit zarten, bandartigen Mustern der Linearbandkeramik-Kultur, ein meisterhaft geschliffenes Feuersteinbeil und organische Überreste wie verkohlte Emmer- und Einkornsamen sowie Knochen von Rindern und Schafen. „Die Keramik ist ein Kunstwerk für sich“, wird Maria Teschler-Nicola, Bioarchäologin am Naturhistorischen Museum Wien, von der österreichischen Presseagentur APA zitiert. „Die Muster zeigen, dass diese Menschen nicht nur überlebten, sondern eine reiche Kultur hatten.“
Hotspot Hallstatt
Die nun gefundenen Überreste zeichnen ein lebendiges Bild des Alltags in der Jungsteinzeit. Die Menschen waren keine Höhlenbewohner, sondern clevere Pioniere. Sie bauten Getreide an, züchteten Vieh und lebten in Holzhäusern, einfach, aber funktional. „Das war eine gemischte Wirtschaft, die Landwirtschaft und Handel vereinte“, so Teschler-Nicola.

Besonders spannend: Die Nähe zu den Salzquellen deutet darauf hin, dass das begehrte Mineral schon damals eine Rolle spielte. „Salz war wie Geld“, Grabungsleiter betont Kern. „Es konservierte Lebensmittel und machte Handel möglich.“ Ein weiteres Highlight ist das Feuersteinbeil, eine Art Multitool der Steinzeit. „Die Qualität des Feuersteins zeigt, dass diese Menschen Zugang zu den besten Rohstoffen hatten“, sagt Kern. Ob für die Jagd, den Hausbau oder den Salzabbau – das Werkzeug war unverzichtbar.
Die Entdeckung der Siedlung wirft daher auch ein neues Licht auf die Hallstatt-Kultur, die zwischen 1200 und 450 v. Chr. Mitteleuropa prägte. Ihre Fürstengräber, gefüllt mit Bronzeschmuck, kunstvollen Waffen und Luxusgütern aus dem Mittelmeerraum, zeugen von Reichtum und Raffinesse. Herzstück der Kultur war allerdings Salz, das „weiße Gold“, das Hallstatt zu einem Handelszentrum machte, das bis nach Griechenland exportierte.
Herausforderung für Archäologen
Die neuen Funde legen nahe, dass die Wurzeln dieser Blütezeit viel tiefer reichen, als man bislang dachte. Sie zwingen Archäologen, die Chronologie der Alpen neu zu denken. Bisher galt Hallstatt erst ab der Bronzezeit als bedeutend. Doch die Jungsteinzeitfunde zeigen: Schon vor 7.500 Jahren war der Ort ein Anziehungspunkt, vermutlich wegen seiner Salzquellen.
Für die Forscher des Naturhistorischen Museums Wien beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit. Die feuchte Umgebung in der Region erschwert die Konservierung der Funde. „Wir nutzen 3D-Scans und Radiokarbon-Datierung, um die Überreste zu sichern“, so Kern. Weitere Ausgrabungen sind geplant, um die Siedlung besser zu verstehen. Für ein abschließendes Urteil über die wahre Bedeutung der jüngsten Entdeckungen in Hallstatt ist es also noch zu früh.
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