Ein neuer Fund in den peruanischen Anden eröffnet einen neuen Blick auf die Kultur der Inka: Sie waren nicht nur große Baumeister, sondern erforschten auch astronomische und spirituelle Geheimnisse – unter Einsatz psychoaktiver Substanzen. Mehr über die Frühzeit der Menschheit und historische Ungereimtheiten lesen Sie „Geheime Geschichte – Von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“ – unserer neuen Geschichtsausgabe. Hier mehr erfahren

    Hoch oben in den schroffen Felsen der peruanischen Anden, auf fast 3.000 Metern Höhe, haben Archäologen eine Entdeckung gemacht, die nicht nur die Fachwelt elektrisiert: Ein geheimer, unterirdischer Raum, der vermutlich seit Jahrtausenden unberührt war, gibt nun Einblicke in die mysteriösen Rituale der Inka – jenes alten lateinamerikanischen Volkes, das um die Hauptstadt Cusco im heutigen Peru lebte und ab 1438 viele Gebiete eroberte, insbesondere im Anden-Gebirge. Das Reich der Inka gilt als das größte seiner Zeit und umfasste schätzungsweise sieben bis zwölf Millionen Menschen.

    Steinerne Zeugen der Vergangenheit: Ruinen der Chachapoya-Festung Kuelap in den nordperuanischen Anden. Foto: Matyas Rehak / Shutterstock

    Die Herrscher des alten Volkes und insbesondere ihre Ahnen wurden als göttlich verehrt, neben dem Sonnengott Inti, dem Schöpfergott Viracocha und der Erdgöttin Pachamama. Die Rituale der Inka erscheinen uns heute teilweise als grausam, insbesondere was die Opferung von Menschen betrifft. Bereits im Juli 2013 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

    „Für ihre Rituale haben die Inkas Menschenopfer ausgewählt und sie mit Alkohol und Koka-Blättern über Monate auf ihren Tod vorbereitet. Dazu gehörten auch Kinder. Diese Praxis belegte ein internationales Forscherteam bei der Untersuchung dreier 500 Jahre alter Kindermumien aus den argentinischen Anden.“

    Nun entdeckte man in besagtem unterirdischen Raum kleine Röhrchen, mit denen offenbar bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert wurden. Ein heiliger Ort, an dem die Inka in Trance mit ihren Göttern kommunizierten? „Das ist aufregend!“, meint Daniel Contreras von der University of Florida, einer der beteiligten Forscher. „Die laufenden Ausgrabungen können unser Verständnis dieser Gesellschaft ohne schriftliche Quellen vertiefen.“

    Geheime Rituale im Coca-Rausch

    Die Entdeckung ist nicht nur ein archäologisches Juwel, sondern wirft auch völlig neue Fragen auf. „Die Röhrchen, die wir gefunden haben, deuten darauf hin, dass die Bewohner hier eine Art Kokain konsumierten“, erklärt Contreras in einer Stellungnahme, die von der University of Florida in Gainsville veröffentlicht wurde. Die Analyse im Labor bestätigte: Die winzigen Tuben waren vermutlich Instrumente, um pflanzliche Drogen zu inhalieren – ein Hinweis auf zeremonielle Praktiken, die die Inka in einen tranceartigen Zustand versetzten.

    Auch heute noch in gebrauch: Coca-Blätter auf einem Markt in Tino Maria, Peru. Foto: haak78 / Shutterstock

    Die Inka, deren Reich sich im 15. und 16. Jahrhundert von Kolumbien bis Chile erstreckte, sind bekannt für ihre beeindruckenden Bauten wie Machu Picchu und ihre hochentwickelte Kultur. Doch der aktuelle Fund zeigt eine neue, aufregende Facette: den möglichen Einsatz von Rauschmitteln in religiösen Zeremonien.

    „Das ist ein bahnbrechender Hinweis darauf, wie tief die spirituelle Welt der Inka war“, erklärt Archäologin  Maria Constanza Ceruti, eine weltweit anerkannte Expertin für Inka-Rituale, im Interview mit dem Magazin National Geographic. „Pflanzen wie Coca waren den Inka heilig, und dieser Fund könnte zeigen, wie sie diese in zeremoniellen Kontexten nutzten.“

    Wunder in den Anden

    Die Entdeckung reiht sich ein in eine Kette spektakulärer Funde, die das Bild von dem historischen Volk in Lateinamerika immer wieder erweitern. Bereits 2013 berichtete der Stern von einer „riesigen Inka-Stätte“ in Peru, die Archäologen in Erstaunen versetzte. Diese Anlage, entdeckt im Dschungel der Provinz La Convención, umfasste Terrassen, Tempel und Straßen – ein Beweis für die ingenieurtechnischen Meisterleistungen der Inka.

    Bereits 2007 schilderte die Tageszeitung Die Welt die Geschichte des deutschen Archäologen Heinrich Ubbelohde-Doering, der in den 1930er Jahren die Inka-Festung Sacsayhuamán bei Cusco erforschte und ihre monumentalen Steinblöcke bestaunte, die bis heute Rätsel aufgeben: Wie konnten die Inka tonnenschwere Steine ohne moderne Technik bewegen?

    In 2.900 Metern Höhe: Teilansicht der Festung Kuelap in den peruanischen Anden, die von den Chachapoya errichtet wurde. Foto: Elemaki, CC BY-SA 2.5, Wikimedia Commons

    Auch die aktuelle Entdeckung des zeremoniellen Raums ist nicht die erste, die auf die spirituelle Tiefe der Inka hinweist. 1999 machten Forscher am Vulkan Llullaillaco in Argentinien jene eingangs erwähnte schaurige Entdeckung, über deren Analyse die FAZ später berichtete: Drei mumifizierte Kinder, Opfer des sogenannten Capacocha-Rituals, bei dem die Inka Kinder den Göttern darbrachten, um Naturkatastrophen abzuwenden.

    Wie der ORF seinerzeit berichtete, waren die Mumien „außergewöhnlich gut erhalten“, und Analysen zeigten, dass die Kinder vor ihrem Tod Coca-Blätter und alkoholische Getränke konsumierten – ein weiterer Hinweis auf den Einsatz von Rauschmitteln in der Inka-Kultur.

    Entsprechende Parallelen gibt es bei anderen Kulturen. In Mesoamerika nutzten die Maya psychoaktive Substanzen wie den Balché-Trank in ihren Ritualen, wie Funde in Chichén Itzá belegen. Ebenso entdeckten Archäologen in Ägypten, genauer gesagt in der Nekropole von Sakkara, geheime Kammern mit Hinweisen auf Opfergaben und rituelle Praktiken, die Jahrtausende verborgen waren. „Solche Funde zeigen, wie universell der Wunsch war, durch Rituale und Substanzen eine Verbindung zum Übernatürlichen herzustellen“, erklärt Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts, in einem Statement für Science Daily.

    Unterschiedliche Interpretationen

    Die genaue Bedeutung des neu entdeckten Raums ist noch unklar, doch die Spekulationen schießen ins Kraut. Wurden dort möglicherweise auch Menschen unter Drogen gesetzt, um sie dann zu opfern? Möglich wären auch andere Erklärungen. „Es könnte ein Heiligtum für Priester gewesen sein, die in Trance Visionen suchten“, mutmaßt US-Archäologe Contreras.

    Andere Experten vermuten, dass der Raum Teil eines größeren Tempelkomplexes war, der auch astronomischen Zwecken diente – ein typisches Merkmal der Inka, die den Himmel genau studierten, um ihre Rituale zu darauf abzustimmen. Die New York Times spricht in einem aktuellen Bericht von einem „faszinierenden Puzzle“, das die Forscher nun Stück für Stück zusammensetzen müssen.

    Coca-Blätter waren den Inka vertraut – sie kauten sie, um Müdigkeit zu bekämpfen und die Höhenkrankheit in den Anden zu lindern. Doch der gezielte Einsatz in einem zeremoniellen Raum? „Das ist ein völlig neuer Blick auf die Inka-Religion“, betont Ritual-Expertin Ceruti. Die Presse feiert den Fund als „Sensation der Anden“, der Spiegel titelt gar: „Geheimnis der Inka entschlüsselt? Rauschmittel-Raum schockiert Forscher!“

    Baumeister und Psychonauten

    Was einen diese spektakulären Funde lehren, ist klar ersichtlich: Die Inka waren nicht nur große Baumeister, sondern auch Psychonauten, die die spirituelle Welt erkundeten. Der neu entdeckte Raum in den Anden öffnet ein Tor zu einer Zeit, in der Menschen die Grenzen des Bewusstseins überschritten, um das Göttliche zu suchen.

    Die Forscher graben weiter, und jede Schaufel Erde könnte neue Geheimnisse enthüllen. „Wir stehen erst am Anfang“, so Altertumsforscher Contreras von der University of Florida. Von den gewaltigen Stätten im Urwald bis zu den Opferungen und Ritualen auf den Gipfeln der Anden – die Inka hinterließen ein Erbe, das uns bis heute in seinen Bann zieht.

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