Für die einen ist der US-Tech-Investor ein gefährlicher Freak, der mit Palantir die globale Überwachung anstrebt, für die anderen das genaue Gegenteil. So janusköpfig wie er selbst ist auch seine politische Theologie. Ein Auszug aus unserer September-Ausgabe mit dem Titelthema «Der Totengräber – Wie Merz Deutschland das Grab schaufelt». Hier mehr erfahren.

    Ungarn, 2. August: Das Mathias-Corvinus-Collegium (MCC) hat zum Festival nach Esztergom geladen. Die konservative Denkfabrik gilt als Kaderschmiede von Ministerpräsident Viktor Orban. Der Ort könnte kaum besser gewählt sein, verdichtet sich doch in der auf Deutsch Gran genannten Stadt die wechselvolle europäische Geschichte wie unter einem Brennglas. (…)

    In Stahlgewittern

    Tatsächlich war (…) der Auftritt des libertär-konservativen Tech-Investors Peter Thiel die eigentliche Sensation des Festivals. Und wieder war es ein Post in den sozialen Medien, der viele besonders elektrisierte: Thiel habe gerade über den Antichristen gesprochen, so ein ungarischer Reporter auf X, da sei plötzlich ein Sommersturm mit Starkregen über das Gelände gefegt. Ein Zeichen des Himmels – oder eine Botschaft aus der Hölle?

    Freund klarer Worte: US-Vitepräsident J. D. Vance am 31. Juli 2025 im Roosevelt Room des Weißen Hauses. Foto: The White House

    Kommt darauf an, wie man zu dem US-Milliardär mit deutschen Wurzeln steht. Für die einen ist der langjährige Bilderberg-Funktionär, der sich Frischblut spritzen lässt und sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, ein Gottseibeiuns. Für die anderen ist der frühere Förderer des heutigen US-Vizepräsidenten J. D. Vance ein rechter Hardliner und Visionär.

    Geboren wurde Thiel 1967 in Frankfurt am Main, doch schon im Alter von einem Jahr wanderten seine Eltern mit ihm nach Amerika aus. Bevor sich die Familie 1977 in Kalifornien niederließ, war sein Vater, ein Chemiker, in Südafrika und Namibia tätig. Sohn Peter spielte als Teenager gern am Computer, verschlang Science-Fiction-Literatur, doch seine Lieblingsgeschichte ist die Tolkien-Trilogie Herr der Ringe, die er nach eigenen Angaben mehr als zehn Mal komplett durchgelesen hat. (…)

    Doch seinen schlechten Ruf bei vielen Leuten hat Thiel vor allem wegen eines Unternehmens, das er 2003 mitgründete: Palantir Technologies.

    Armageddon und Antichrist

    Bereits 2017 attestierte der britische Guardian dem von der CIA mitfinanzierten und auf Datenanalyse spezialisierten Unternehmen, «genau so viel Macht in der realen Welt zu besitzen wie Google, Microsoft, Facebook, Amazon und Apple» in der digitalen. Die Kundenliste von Palantir liest sich wie das Who‘s Who der US-Sicherheitsorgane – neben CIA, FBI und NSA nutzen unter anderem das Marine Corps und die Air Force die Programme. Solche Software-Anwendungen überwachten «alles und jeden, um Prognosen darüber zu erstellen, wer, wann, wo was macht. Oder denkt. Oder schreibt», meint der alternative Journalist Tom-Oliver Regenauer.

    Die NATO nutzt die Maven-AI von Palantir, eine strategische Partnerschaft gibt es auch mit den israelischen Streitkräften, und auch in Deutschland nimmt man die Dienste des von Thiel mitgegründeten und heute von Alex Karp geführten Unternehmens in Anspruch. So setzt etwa die Polizei in Hessen und Hamburg auf die sogenannte Gotham-Software, die es erlaubt, Daten aus unterschiedlichen Quellen rasch zusammenzuführen, um so Profile und Beziehungsnetzwerke von Verdächtigen und Straftätern zu erstellen. (…)

    Treffen der einflussreichsten Wirtschaftsgrößen in Washington. Im Vordergrund Elon Musk, daneben Alex Karp, Mitbegründer und CEO von Palantir. Das Bild entstand im September 2023. Foto: picture alliance / Jack Gruber-USA TODAY

    Ist es also so, wie Regenauer befürchtet? Er schreibt auf seinem Blog: «Palantirs zentralisierter Datenpool wird sich zum mächtigsten Unterdrückungsinstrument der Zivilisationsgeschichte auswachsen.» Oder will Thiel die Menschheit vor so einer dystopischen Zukunft bewahren?

    Der US-Milliardär sieht die Bevölkerung dieses Planeten an einem gefährlichen Scheideweg. Nuklear- und Biowaffen sowie Künstliche Intelligenz (KI) drohen seiner Ansicht nach, die biblische Apokalypse bald eintreten zu lassen. Das war auch sein Thema in Esztergom, wo er zwei mögliche Zukunftsszenarien skizzierte: das nukleare Armageddon oder einen «Welteinheitsstaat mit echten Zähnen und echter Macht» – der Antichrist aus der Offenbarung des Johannes, der den Menschen «Frieden und Sicherheit» verspricht, um sie letztlich global zu unterwerfen.

    Institutionen wie EU oder UN sieht er als mögliche Vorstufen einer solchen «Wohlfahrtsdiktatur mit allmächtiger Überwachungstechnologie». Nach eigenem Bekunden will er also genau das verhindern, was viele ihm viele als Absicht unterstellen.

    Katechon und Neoreaktion

    Den Ausweg aus dem Zukunftsdilemma sieht Thiel, der schon 2009 Freiheit und Demokratie als miteinander unvereinbar bezeichnete, in einem Konzept aus der Theologie: dem Katechon, der laut Neuem Testament eine von Gott gesandte Macht, die sowohl Armageddon als auch den Antichristen aufhalten kann.

    Politisiert wurde das Konzept vom Staatsrechtler und rechten Säulenheiligen Carl Schmitt, der den Katechon als christliche Ordnungsmacht interpretierte, die notfalls auch mit autoritären Mitteln und Gewalt eingreifen darf, um die Welt und die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren. (…)

    Das vollständige Thiel-Porträt lesen Sie in unserer September-Ausgabe mit dem Titelthema «Der Totengräber – Wie Merz Deutschland das Grab schaufelt». Hier mehr erfahren.

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