In der Region Poltawa haben Archäologen in einem Grabhügel einen unschätzbar wertvollen Schatz entdeckt. Er eröffnet den Blick auf ein skythisches Handelsnetz, das bis weit nach Zentralasien reichte. In unserer Sonderausgabe „Geheime Geschichte – Von den Pharaonen bis zur Kabale im Vatikan“ zeigen wir, dass die Frühgeschichte und Antike ganz anders waren, als man es uns heute erzählt. Hier mehr erfahren

    In den weiten Steppen der Zentralukraine, wo der Wind über sanfte Hügel streift und wahre Schätze im Verborgenen schlummern, hält ein archäologischer Fund die Wissenschaft in Atem. In einem Hügelgrab in der Region Poltawa, nahe dem historischen Reservat Bilsk, wurden kunstvoll geschmiedete Pantherfiguren aus purem Gold entdeckt – direkt neben verbrannten menschlichen Knochen.

    Der Fund wirft neue Fragen zur Antike auf und eröffnet faszinierende Perspektiven auf eine längst vergangene Kultur. Doch was macht diesen Fund so besonders? Und warum spricht er die Fantasie von Forschern und Laien gleichermaßen an?

    Ein Hügel voller Geheimnisse

    Die Geschichte beginnt mit einem unscheinbaren Hügel in der Pontischen Steppe, bekannt als Opischlyanka. Solche Kurgane, wie diese Grabstätten genannt werden, sind typisch für die Steppenregionen Eurasiens und oft Relikte nomadischer Kulturen. Schon im 19. Jahrhundert untersuchte der Forscher I. A. Zaretsky diesen Hügel, ohne jedoch die Schätze zu entdecken, die tief in seinem Inneren verborgen lagen.

    Erst moderne Technologien wie LIDAR (Light Detection and Ranging; eine Radartechnik) machten es möglich, die unterirdischen Strukturen des Grabmals zu kartieren und gezielt Ausgrabungen durchzuführen. „Die LIDAR-Technologie hat die Archäologie revolutioniert“, erklärt Olena Fialko vom Institut für Archäologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew. „Sie erlaubt uns, unter die Oberfläche zu blicken, ohne die Stätte zu zerstören.“

    Die Völker des skythischen Kulturhorizonts: Sie bildeten sich mehrheitlich aus den Westlichen Steppenhirten und den Menschen der Oasenkultur heraus, sowie, speziell im östlichen Teil Zentralasiens und um das Altaigebirge, von Jägern und Sammlern der Baikalseeregion. Karte: Gu.Berger, CC BY 4.0, Wikimedia Commons

    Vor wenigen Tagen stießen Archäologen unter der Leitung des Bilsk-Reservats in dem Hügel auf insgesamt 52 Artefakte, darunter die spektakulären Goldenen Panther. Diese kleinen, aber exquisiten Schmuckstücke, gefertigt aus purem Gold, zeigen Raubkatzen in dynamischen Posen – ein Stil, der an den sogenannten skythischen Tierstil erinnert, der für seine detailreiche Darstellung aus der Fauna bekannt ist.

    Neben den Pantherfiguren wurde ein kreuzförmiger Schmuckgegenstand entdeckt, ebenfalls mit Gold verziert, sowie verbrannte menschliche Knochen, die auf ungewöhnliche Bestattungsrituale hinweisen. Die Kombination aus kostbaren Artefakten und den sterblichen Überresten macht den Fund einzigartig – und rätselhaft.

    Skythische Krieger: Relief auf einem Elektron-Becher aus dem Kurgan von Kul-Oba (Krim), 400–350 v. Chr. (Eremitage, St. Petersburg). Foto: Joanbanjo, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

    Stärke, Macht und Schutz

    Die Bedeutung des Fundes liegt in mehreren Aspekten: Erstens sind die Goldenen Panther ein Zeugnis außergewöhnlicher Handwerkskunst. „Die Präzision und der Detailreichtum dieser Figuren sind bemerkenswert“, wird Mykola Bandrivskyi, ein ukrainischer Experte für prähistorische Kulturen, in einem Beitrag des Portals Futurezone zitiert. „Sie deuten auf eine hochentwickelte Metallverarbeitung hin, die nur von einer wohlhabenden und kulturell fortgeschrittenen Gesellschaft beherrscht wurde.“

    Die Panther sind nicht nur kunstvoll gefertigt, sondern auch symbolisch aufgeladen. In vielen antiken Kulturen standen Raubkatzen für Stärke, Macht und Schutz – Eigenschaften, die in Grabbeigaben eine spirituelle oder gesellschaftliche Bedeutung hatten.

    Zweitens wirft die Entdeckung der verkohlten Knochen Fragen zu den Bestattungspraktiken auf. Während Brandbestattungen in der Region nicht unbekannt sind, ist ihre Kombination mit solch wertvollen Grabbeigaben ungewöhnlich. „Die verbrannten Knochen könnten auf ein Ritual hinweisen, das mit Opfergaben oder einer besonderen Verehrung der Toten verbunden war“, so Archäologe Bandrivskyi. Diese Praxis unterscheidet sich von den typischen skythischen Bestattungen, bei denen Körper oft unversehrt beigesetzt wurden, und deutet auf kulturelle Einflüsse hin, die noch erforscht werden müssen.

    Drittens ist die kulturelle Zuordnung des Fundes ein Rätsel. Die Artefakte stammen vermutlich aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., einer Zeit, in der die griechische Zivilisation ihre Kolonien rund um das Schwarze Meer ausdehnte. Doch die Symbolik der Panther spricht eher für eine zentralasiatische Kultur, da Leoparden in den griechischen Gebieten kaum bekannt waren.

    „Die Form des Hügelgrabes und die Tierdarstellungen weisen auf nomadische Völker wie die Skythen oder Sarmaten hin“, so Serhiy Skoryi, ein führender Archäologe am Institut für Archäologie in Kiew gegenüber dem Focus. „Dennoch könnten Handelskontakte mit griechischen Siedlungen eine Rolle gespielt haben.“ Diese kulturelle Vielschichtigkeit macht den Fund zu einem Mosaikstein im komplexen Bild der Region um Poltawa.

    Schmelztiegel der Kulturen

    Die Region um Bilsk wird oft mit der antiken Siedlung Gelonos – laut Herdodot eine Stadt im Land der Budinoi jenseits des Landes der Skythen, die die Steppen nördlich des Schwarzen Meeres im heutigen Südrussland und der Ukraine von der unteren Wolga und dem Kuban bis zum Dnester bewohnten – in Verbindung gebracht.

     

    Der Flecken Erde war ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Skythen, Sarmaten und griechische Kolonisten lebten hier Seite an Seite, tauschten Waren, Ideen und Werkszeuge aus. Die Goldenen Panther könnten ein Produkt dieses kulturellen Austauschs sein – vielleicht als Prestigeobjekte für eine lokale Elite. „Dieser Fund zeigt, wie weit die Handelsrouten der Antike reichten“, heißt es in einem Post der Leitung des Bilsk-Reservats auf Facebook.

    Vom Schwarzen Meer bis Kasachstan

    Die internationale Bedeutung der Entdeckung im Opischlyanka-Hügel wird auch durch Vergleiche mit anderen archäologischen Funden unterstrichen. Ähnliche goldene Schmuckstücke, die Raubtiere darstellen, wurden in Kasachstan gefunden, wo Archäologen 2023 und 2024 sarmatische Grabhügel mit Leoparden- und Tigermotiven ausgruben.

    Diese Artefakte, ebenfalls aus dem 5. bis 6. Jahrhundert v. Chr., deuten auf eine kulturelle Verbindung zwischen den Steppenvölkern Russlands sowie der Ukraine und Zentralasiens hin. „Die Parallelen zu den kasachischen Funden sind frappierend“, so Marat Kasenov, Leiter der Ausgrabungen im kasachischen Atyrau. „Sie zeigen, dass der Tierstil über weite Distanzen geteilt wurde.“

    Die Goldenen Panther von Opischlyanka sind daher nicht nur ein Schatz der Vergangenheit, sondern auch Teil eines viel größeren archäologischen Puzzles. In einer Region, die heute von Konflikten geprägt ist, erinnern sie uns daran, wie tief die Wurzeln der Menschheit reichen – und wie viel es noch zu entdecken gibt.

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