Er ist der Vater des Erfolgs der AfD in der Mark: Christoph Berndt kommt aus der patriotischen Bürgerbewegung und schickt sich nun an, Ministerpräsident in Brandenburg zu werden. Ein Porträt. Mehr über die führenden Köpfe der Blauen sowie Interviews mit Alice Weidel, Tino Chrupalla, Björn Höcke und anderen finden Sie in COMPACT-Spezial «AfD – Erfolgsgeschichte einer verfemten Partei». Warum sie trotz Unterdrückung siegt. Hier mehr erfahren.
_ von Sophie Müller
Ob Kevin Kühnert oder Ricarda Lang: Politiker sehen sich immer häufiger dem Verdacht ausgesetzt, erst das Fehlen einer Ausbildung habe bei ihnen den Wunsch geweckt, Berufspolitiker zu werden. Viel spannender ist möglicherweise die Frage, welche Motive hoch qualifizierte Menschen veranlassen, in die Politik zu gehen.
Im Fall von Christoph Berndt, des Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg, lässt sich der Entschluss sehr genau nachvollziehen. Er ist zweifach promoviert, arbeitete seit 1984 in der Charité und war dort zehn Jahre lang Vorsitzender des Personalrats der Medizinischen Fakultät.
Vorbild: Zukunft Heimat
Berndt, der schon vor längerer Zeit den Trubel des Berliner Szeneviertels Prenzlauer Berg gegen ein Landleben in Südbrandenburg eingetauscht hatte, wurde im Jahr 2015 mit einer drastischen Veränderung in seinem unmittelbaren Wohnumfeld konfrontiert: Zützen, das idyllische Dorf seiner Wahl, sollte plötzlich zum Standort einer Massenunterkunft für Asylbewerber werden.
Damit nicht genug: Auch die Dimensionen des Projekts waren aus Sicht vieler Bewohner der kleinen Gemeinde im Landkreis Dahme-Spreewald alarmierend. Das Dorf mit rund 450 Einwohnern sollte Dutzende Asylbewerber aufnehmen. «Mein Leben hat sich im Jahr 2015 grundlegend geändert», so Berndt im Gespräch mit COMPACT.
Als Reaktion auf diese Pläne gründete er mit anderen zusammen zunächst die Bürgerinitiative Pro Zützen, im August 2015 dann den Verein Zukunft Heimat. Der Verein brachte hunderte Bürger zu Demonstrationen vor Ort und in der Kreisstadt Lübben auf die Straße. Verhindern konnte man die Asylunterkunft im ländlichen Raum nicht: «Uns wurde nur zugesichert, dass keine jungen Männer, sondern Familien kommen. Das war das einzige Zugeständnis. Die haben keinen einzigen Moment daran gedacht, ihre Pläne zu ändern, die haben das durchgezogen. Das war eine Frage der Macht.»
Nachdem sich Berndt nach jahrzehntelangem Leben im Hauptstadtmoloch bewusst für das Landleben entschieden hatte, musste er ein ernüchterndes Fazit ziehen: Der Rückzug in eine Idylle ist nicht möglich. Bereut hat er die Stadtflucht dennoch nicht: «In Berlin würde ich mittlerweile keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr nutzen. Die Unbefangenheit, sich ohne Angst vor Gewalt im öffentlichen Raum bewegen zu können, ist dahin.»
Trotz allem war der Kampf nicht sinnlos. Der Verein Zukunft Heimat wurde zum Modell für ähnliche Initiativen in anderen Teilen des Landes. In der Region selbst, jahrzehntelang eine Hochburg der SPD, ändern sich die Mehrheitsverhältnisse fundamental.
Im Jahr 2019 zog die AfD in die Stadtverordnetenversammlung der Gemeinde Golßen, deren Ortsteil Zützen ist, bereits mit vier Vertretern ein, auch die Freien Wähler errangen mehrere Mandate. Seitdem haben die beiden Parteien im Gemeinderat die Mehrheit. Zur veränderten Stimmung trägt auch die Tradition des durch Zukunft Heimat wiederbelebten «Mühlentages» in einem der Nachbardörfer Zützens bei. Der Verein brachte dazu ein Backhaus wieder in Schuss, die Einnahmen des Dorffestes gehen als Spende an ein Tierheim.
Der Umstand, dass trotz der Bürgerproteste die Asylunterkunft nicht verhindert werden konnte, führte bei Berndt zu einem wichtigen Entschluss: «Wir hatten alles versucht. Wir hatten Gespräche mit Abgeordneten, Politikern, einem Amtsdirektor und dem Landrat. Wir haben dann gemerkt: Die reden zwar mit uns, an ihren Plänen wollen sie aber nichts ändern. Die einzige Kraft, die tatsächlich versucht hat, uns zu helfen, das war die AfD.»
Dennoch war er zunächst zurückhaltend, selbst in einer Partei aktiv zu werden: «Ich hatte immer in Erinnerung, was Rudolf Bahro gesagt hat, der zeitweise Mitglied bei den Grünen gewesen ist: ”Nichts sieht einer Partei so ähnlich wie eine andere Partei.”»
Folge dieser Skepsis war es, dass er nach Pro Zützen zunächst den Verein Zukunft Heimat gründete und sich erfolgreich mit gleichgesinnten Initiativen in Südbrandenburg vernetzte. Regelmäßig fanden zwischen 2015 und 2018 Demonstrationen in Cottbus mit bis zu 10.000 Teilnehmern statt. Doch es zeigte sich: Die Einflussmöglichkeiten eines außerparlamentarischen Vorgehens sind begrenzt, sie beschränken sich zumeist auf die jeweilige Region.
Der Weg ins Parlament
Erst im Sommer 2017 war Christoph Berndt so weit, einen Aufnahmeantrag in die AfD zu stellen: «Ich habe lange mit mir gerungen. Letztendlich musste ich einsehen, dass es die Parteien sind, die im politischen System der Bundesrepublik einen großen Einfluss haben. Wenn wir etwas im Land verändern wollen, dann müssen wir auch das Parlament nutzen. Dabei aber mit dem Willen, tatsächlich etwas zum Besseren zu verändern.»
Berndt räumt ein, dass die Entwicklung von Parteien nach eigenen Regeln verläuft. Dies müsse allerdings nicht heißen, «die Ziele aus den Augen zu verlieren und zu vergessen, was wir wollen», so der 68-Jährige.
Bei der Landtagswahl 2019 haben die Brandenburger die AfD zur zweitstärksten politischen Kraft gemacht. Seit Oktober 2020 ist Christoph Berndt Fraktionsvorsitzender im Landtag. Dort hat der zweifach promovierte Mediziner unter anderem in den beiden Untersuchungsausschüssen mitgearbeitet, die auf AfD-Antrag zur Aufklärung der Corona-Politik eingerichtet wurden.
Berndt will regieren
Als Oppositionsführer macht Berndt immer wieder die Massenzuwanderung zum Thema. Daneben kommen von der AfD regelmäßig Anträge zum Stopp von Ideologieprojekten wie der sogenannten grünen Energiewende, zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder zur Einführung von mehr direkter Demokratie. Die Fraktion kann als Erfolg verbuchen, dass sie mit dem Überwechseln des Abgeordneten Dr. Philip Zeschmann von den Freien Wählern prominente Verstärkung bekam.
Die aktuellste Umfrage zur Landtagswahl in Brandenburg (22. September) sagen einen weiteren Quantensprung der AfD in Brandenburg voraus. 27 Prozent der Befragten der Erhebung von Infratest dimap vom 5. September gaben an, am 22. September AfD wählen zu wollen. Damit wären die Blauen auf Platz eins – vor SPD (23 Prozent), CDU (18 Prozent) und der Wagenknecht-Partei BSW (15 Prozent). Vater dieses Erfolgs ist zweifelsohne Christoph Berndt, der – wie Björn Höcke in Thüringen – daraus mit vollem Recht den Anspruch erhebt, den Regierungsauftrag zu erhalten und Ministerpräsident in Brandenburg zu werden.
Dieses Porträt erschien zuerst in unserer Spezial-Ausgabe «AfD – Erfolgsgeschichte einer verfemten Partei». Wir stellen die führenden Köpfe der AfD vor – und erklären, warum Sie trotz Diffamierung und Unterdrückung siegt. Inklusive Interviews mit Alice Weidel, Tino Chrupalla, Björn Höcke und anderen. Hier bestellen.
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