Alles spricht über die AfD. Dass auch das BSW am Wochenende zum Parteitag in Bonn zusammenkam, ging beinahe unter. Tatsächlich setzt die Truppe ihren Negativlauf fort, sackt in Umfragen ab. Zur Lage bei den Wagenknechten ist im aktuellen Januar-Heft des COMPACT-Magazins ein bemerkenswerter Beitrag erschienen. Hier mehr erfahren.
Während Alice Weidel in Riesa mit einer 20-Minuten-Rede die ganze Republik aufmischte, redete BSW-Chefin Wagenknecht eine ermüdende Stunde lang. Dass in dieser Republik viel falsch läuft, hat sie dargestellt, aber warum das BSW davon nicht profitiert, konnte sie der ungeduldigen Mitgliedschaft nicht erläutern können.
In Meinungsumfragen zur Bundestagswahl liegt das BSW nur noch bei fünf Prozent, gelegentlich auch darunter. Das Verhalten der BSW-Fraktionen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen hat geschadet, keine Frage. Diese Steigbügel-Politik zu Gunsten der abgehalfterten Parteien schreckt Wähler natürlich ab. Entsprechend mau war die Stimmung auf dem Parteitag. Ein linker Berichterstatter will „Zerfallstendenzen“ erkannt haben, von Geschlossenheit kann keine Rede sein.
Neue Vorwürfe
Der BSW-Europaabgeordnete Friedrich Pürner warf der Parteichefin undemokratische Vorgehensweisen bei der Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl vor. Die Ergebnisse seien angeblich „schon vor der eigentlichen Abstimmung klar“ gewesen. BSW-Gründungsmitglied Torsten Teichert veröffentlichte einen offenen Brief, in dem er Wagenknecht „komplett irre“ nannte und sich gegen „undemokratische Parteistrukturen“ wandte.
Die rote Parteiführerin hatte direkt nach den Ost-Wahlen zunächst jedwede Regierungsbeteiligung ihrer Truppe an strenge Bedingungen geknüpft. Sie wusste: Jede Aufgabe von Kernforderungen gefährdet den Einzug in den Bundestag. Doch ihre BSW-Statthalter in Thüringen und Brandenburg gierten vom ersten Tag an nach Macht und Posten und schmissen sich Typen wie Mario Voigt von der CDU oder dem abgehalfterten SPD-Onkel Dietmar Woidke in Brandenburg an den Hals. Der innige Schwur, die Ablehnung von Waffenlieferungen und neuen US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden müsse in Koalitionsverträgen verankert sein, wurde in hohem Bogen über Bord geworfen.
BSW mit NATO-Parolen
In Thüringen war der Verrat besonders offensichtlich, denn die dortige BSW-Chefin Katja Wolf segnete schließlich sogar eine sogenannte Friedenspräambel zusammen mit CDU und SPD ab, in der eine „gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur“ und die „Verteidigungsfähigkeit“ der Bundeswehr hochgelobt werden – reines NATO-Kauderwelsch.
Dann wurde es fast schon peinlich. Die drei Koalitionsparteien verkündeten unisono: „Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.“ Man trete diesbezüglich für eine „breit angelegte Debatte“ ein. Für den Frieden bleibt also nur ein bedeutungsloser Stuhlkreis. Welch ein entwürdigendes Schauspiel, das sich Wagenknecht auch persönlich anlasten muss: Trotz anfänglicher Kritik ließ sie Katja Wolf diesen Verrat am Frieden letztlich durchgehen.
Eigene Forderung abgelehnt
In Brandenburg kuschelt das BSW mit der SPD. Auch hier wurden eherne Prinzipien über den Haufen geschmissen, um Ministerpräsident Woidke, seit 2013 im Amt, die Steigbügel zu halten. Federführend vor Ort: Robert Crumbach, zuvor über 40 Jahre in der SPD. Im zurückliegenden Wahlkampf hatte er zwischenzeitlich ein Verbot der AfD gefordert.
Die Brandenburger Landtagsfraktion brachte es Anfang Dezember fertig, einen AfD-Antrag („Frieden in Europa schaffen – für eine Politik der Deeskalation“) abzulehnen, obwohl dieser eins zu eins die Positionen des BSW enthielt.
Zur Erinnerung: Im Wahlkampf konnte die neue Partei mit dem Versprechen punkten, bei inhaltlicher Übereinstimmung auch AfD-Eingaben zuzustimmen und sich nicht von Brandmauern leiten zu lassen. Aber das wurde mit einem Federstrich annulliert: BSW und SPD haben sich per Koalitionsvertrag gegenseitig verpflichtet, keinem AfD-Antrag zuzustimmen, ganz gleich, zu welcher Thematik; ein beinahe sittenwidriges Vertragswerk, das die – per Gesetz! – nur ihrem Gewissen verpflichteten Abgeordneten fesselt.
Auch in Sachsen hat es das BSW fertiggebracht, den unbeliebten CDU-Ministerpräsidenten und Corona-Hardliner Michael Kretschmer im Amt zu halten und ermöglicht ihm nunmehr ein „Weiter so!“ per Minderheitenregierung mit der SPD. In allen drei Ost-Bundesländern hat es das Parteienkartell mit BSW-Gehhilfen also geschafft, die AfD als große Siegerin aller Wahlen im Osten der Republik von Regierungsverantwortung fernzuhalten. Michael Kretschmer gelang dies sogar ohne parlamentarische Mehrheit und mit einer Minderheitenkoalition.
Gegen AfD in Stellung
Jetzt muss sich das BSW auch noch Vorwürfen stellen, undemokratisch aufgestellt zu sein. Wagenknecht überdehne die Vorgaben von Grundgesetz und Parteiengesetz nicht nur, sondern überschreite diese teilweise klar, so Parteienrechtler. Das BSW sei ein „autoritäres Projekt“.
Schon vor der BSW-Gründung hatte sich der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke im Sommer 2023 skeptisch gegeben. Im COMPACT-Interview auf Wagenknecht angesprochen, führte er aus, dass es ihr vermutlich ausschließlich darum gehe, die AfD «als einzig wirklich relevante Oppositionskraft schwächen“ zu wollen. Die Rechnung ging zumindest bedingt auf: Das BSW hat in Thüringen ein AfD-Ergebnis im Bereich der 40 Prozent verhindern können, in Brandenburg soll jeder dritte potenzielle AfD-Wähler sein Kreuz am Ende bei den Wagenknechten gemacht haben.
In der aktuellen Januar-Ausgabe unseres COMPACT-Magazins „Krieg und Frieden“ beleuchten wir die Lage rund um das BSW ausführlich. Hier bestellen.