Eine strategische Debatte um die Perspektive der AfD zwischen Ulrike Guérot und Björn Höcke. Heute Teil I: Außen- und Geopolitik.

    Moderiert von Flavio von Witzleben trafen sich die BSW-nahe Publizistin und der Thüringer AfD-Chef zum entspannten Gespräch im Querfront-Format. So etwas sollte es öfter geben! Wir dokumentieren Auszüge aus der YouTube-Sendung.

    Witzleben: Ich möchte noch einmal auf zwei Punkte zu sprechen kommen, die Frau Guérot gerade eben aufgeführt hat. Der eine ist das unklare Verhältnis zu Israel – wie steht die AfD eigentlich zu den Umbrüchen im Nahen Osten? Da gibt es auch innerhalb der AfD keine klare Positionierung. Und zum anderen: das Thema Aufrüstung – Stichwort fünf Prozent. Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag wurde das jetzt beschlossen und von Alice Weidel bekanntermaßen schon propagiert, bevor es überhaupt so beschlossen worden ist. Und natürlich das Verhältnis zu Donald Trump. Das waren noch einmal ganz wesentliche Analysen, die Frau Guérot hier skizziert hat. Wenn Sie da im Detail darauf eingehen: Wie ist Ihr Verhältnis zu Trump jetzt nach knapp sechs Monaten als Präsident der USA? Wie bewerten Sie das Vorgehen im Nahen Osten? Wie bewerten Sie auch das restriktive Vorgehen gegen Universitäten? Und was sagen Sie zu diesem Vorwurf, den auch ich immer wieder höre, dass die AfD im Kern eine zionistische Partei sei, Herr Höcke?

    Höcke: Also, ich habe aus strategischen Erwägungen heraus mich schon vor über zehn Jahren für den landespolitischen Weg entschieden, weil ich der festen Überzeugung bin, dass politische Veränderungen in einem föderalen System wie der Bundesrepublik Deutschland über die Länder erfolgen. Deswegen bin ich kein Bundespolitiker. Deswegen habe ich das Privileg, mich nicht immer zu bundespolitischen Themen äußern zu müssen, wiewohl ich es natürlich manchmal mit meinem sozialen Netzwerk auch tue. Vielleicht nur so viel: Ich fange mal mit Israel an. Die Partei hat in dieser Frage eine ganz stark ausgeprägte West-Ost-Dichotomie. Das ist eine Realität. Die kann ich auch nicht leugnen. Zu Ukraine auch, ja. Das heißt also allgemein zur Außenpolitik: Da sind wir tatsächlich in einem Spannungsfeld als Partei unterwegs, das wir als führende Protagonisten und Funktionäre irgendwie austarieren müssen. Ich selbst bin so vermessen zu sagen, dass ich eine Lösung für diesen Nahostkonflikt hätte. Das ist ein jahrtausendealter Konflikt, ein Religionskonflikt, der zwischen Christen, Juden und Muslimen seit vielen hundert Jahren, Jahrtausenden ausgetragen wird. Dann kommen die Konfliktlinien, die durch die kolonialen Mächte dort produziert worden sind. Dann haben wir jetzt den hegemonialen Kampf um die größten Erdöl- und Erdgasreserven der Welt in der Region seit vielen Jahrzehnten. Und diese ganzen Konflikte haben so viel Leid, Elend, Tod und Hass mit sich gebracht, dass es ganz schwer wird, eine Lösung zu finden, die zu einer dauerhaften Befriedung führt. Das mal vorab. Ich bin der Meinung, und ich will das an der Stelle gar nicht weiter ausführen, dass der Angriff Israels auf den Iran ein Fehler war und nicht mit dem Kriegsvölkerrecht, mit der UN-Charta im Einklang zu bringen ist. Ich halte die Strategie Netanjahus für falsch. Mir scheint es so, dass er das Konzept Großisrael umsetzen möchte, um sicherlich auch die berechtigten Sicherheitsinteressen Israels zu verfestigen und abzusichern, und ob er damit Erfolg haben wird, wage ich zu bezweifeln. (…)

    Trumps Art, Politik zu machen, dieses cowboymäßige, ist nicht meine Art, Politik zu machen, das ist mir viel zu wenig staatsmännisch. Aber ich denke, die Aktion im Iran hat er tatsächlich vor Hintergründen gemacht, die Sie auch in Ihrem Buch als These formuliert haben. Ein Konzept letztlich zu entwickeln, das anerkennt, dass die Unipolarität Vergangenheit ist, dass die USA keine Weltpolizei mehr sein können, sie überdehnt sind und dass sie sich auf eine immer noch dominante Rolle in einer multipolaren Weltordnung einrichten und dass man versucht, die Gebiete der Welt, die irgendwie westlich geprägt sind oder von denen man glaubt, sie unter westlichem Einfluss halten oder bringen zu können, jetzt zu inkorporieren. Israel, die EU natürlich und der mittelamerikanische Raum, Teile Ozeaniens etc. pp. Und das Ziel könnte sein, das ist eine These, die ich sehr interessant finde, die wir auch nochmal diskutieren sollten, also wirklich den westlichen Block USA, EU, also USA und EU als Superstaat zu verschmelzen.

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    Guérot: Jedenfalls ist die Erfindung der »Rule-based Order« im Prinzip eine Wortschöpfung, um nicht mehr vom Völkerrecht reden zu müssen in dem Moment, wo der Westen, also wir, das Völkerrecht nach Strich und Faden bricht. Das ist mir ein Anliegen. Und ich habe in diesem Buch – das war Ihre Frage von Herrn Witzleben – einen Autor zitiert, mit dem ich mich ja intellektuell nicht sympathisiere, sondern nur eine Analyse wiederum versuche: Richard Rosencrance. Ich habe in dem Buch geschrieben, dass ich ihn persönlich 2001 schon in den USA in Berkeley erlebt habe, und er damals mehrere Artikel geschrieben hat, einflussreiche Artikel, in denen er sagte, wegen »The Rise of China«, dem Hochkommen Chinas, müssten jetzt die USA und die EU das machen, was normalerweise Unternehmen machen: sich fusionieren, damit man sozusagen der Stärke Chinas etwas entgegensetzen kann. Und das hat er, Richard Rosencrance, damals »USAEU« genannt – also im Prinzip so eine Art fusionierter Staat EU-USA. Deswegen habe ich diese Karte aus dem Internet gefischt, weil diese rote Linie ja für mich die wirklich entscheidende Frage ist, die dieser Kontinent, also Europa, zu beantworten hat. Wollen wir, wenn man jetzt sozusagen die europäische Karte sich vorstellt, mit sozusagen Eurasien offen – Türkei, Russland und so weiter – wollen wir abgeschnitten sein mit einer roten Linie als westlicher Zipfel eines wie auch immer gearteten atlantischen Imperiums? Vor diesem Hintergrund zitiere ich auch in meinem Buch, dass es vielleicht kein Zufall ist, dass Donald Trump ja mit diesem etwas laxen Spruch angetreten ist, dass Kanada jetzt das 51. Land oder der 51. Bundesstaat der USA werden soll. Jedenfalls macht dieser Artikel von Richard Rosencrance intuitiv Sinn, wenn man sich diese Karte anguckt. Deswegen ist das, was ich eben gesagt habe, nämlich die Tendenz, die ich bei Alice Weidel eher sehe als bei Ihnen, ja, und auch eigentlich nicht so bei Herrn Chrupalla. Ich konzediere ja auch der AfD, dass sie nicht mit einer Stimme spricht. Wo war denn schon die CDU mit einer Stimme? Ja, zwischen Blüm und Dregger oder so. Also eine Partei kann ja viele Stimmen haben. Das ist ja gar nicht meine Kritik. Aber die Frage ist: Haben Sie als AfD, ich sage jetzt mal noch, ein wirklich reales, wirklich alternatives Programm? Es ist ja Ihr Spruch: »Die EU muss sterben, damit Europa werden kann.« Damit kann ich mich tatsächlich identifizieren, insofern als dass ich schon vor 15 Jahren eine Utopie für Europa geschrieben habe, genannt »Europäische Republik«. Aber die Frage ist tatsächlich: Hat dieser Kontinent, hat die AfD, die Alternative sein möchte, zu einem, nennen wir es mal, libertären NATO-westlichen Komplex, der ja im Grunde im Moment scheitert?

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