Papst Leo XIV. hat Pogrome jüdischer Siedler gegen palästinensische Christen im Westjordanland scharf kritisiert. Angesichts des Überfalls auf das Dorf Taybeh sprach er von einer „diabolischen Intensität“ der Gewalt. In unserer Juli-Ausgabe mit dem Titelthema „Der Brandstifter – Wie Netanjahu die Welt anzündet“ entlarven wir die Hintermänner der extremistischen Siedler. Hier mehr erfahren.

    Am Mittwoch letzter Woche fielen israelische Siedler in Taybeh ein und brannten das Dorf nieder. Taybeh ist der einzige vollständig christliche Ort im israelisch besetzten Westjordanland, etwa 1.200 Menschen leben dort. Medienberichten zufolge hatten maskierte Männer am späten Abend Olivenbauern überfallen, Steine geworfen sowie mehrere Autos und Häuser in Brand gesteckt. Mindestens zehn Menschen wurden dabei verletzt.

    Geistliche schlagen Alarm

    Nikodemus Schnabel, katholischer Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem, der selbst schon Opfer christenfeindlicher Spuckattacken seitens ultraorthodoxer Juden wurde, schrieb auf X: „Wann endet dieser unfassbare Hass?“ Dazu postete er Bilder und Videos von den Verheerungen.

    Taybeh ist das einzige Dorf in der Westbank, in der ausschließlich Christen leben!

    Es gibt dort drei sehr lebendige Pfarreien: eine Griechisch-Orthodoxe, eine Melkitische Griechisch-Katholische und eine Lateinische.

    Wann endet dieser unfassbare Hass? https://t.co/SXZ2d8iekI

    — Abbot Nikodemus Schnabel (@PaterNikodemus) June 26, 2025

     

    Taybehs römisch-katholischer Gemeindepfarrer Bashar Fawadleh beklagte:

    „In diesen Tagen leben wir unter dem Feuer, der Barbarei und der Brutalität der Siedler“.

    In Taybeh leben griechisch-orthodoxe, griechisch-katholische und römisch-katholische Christen. Das Dorf blickt auf eine lange Geschichte zurück. Vor mehr als 4000 Jahren von Kanaanitern gegründet, soll sich Jesus Christus in den Tagen vor seiner Kreuzigung dorthin zurückgezogen haben.

    Klare Worte vom Jerusalemer Abt

    Bekannt ist der Ort heutzutage nicht nur für seine Olivenbäume – eigentlich Symbole des Friedens –, sondern auch für das Bier, das in der ansässigen Brauerei hergestellt und weit über die Grenzen des Westjordanlands exportiert wird. Dieses Gebäude fiel auch beinahe den Flammen zum Opfer.

    Pater Schnabel findet gegenüber der Welt klare Worte:

    „Seit Antritt der derzeitigen israelischen Regierung scheint der Begriff ‚Terroristen‘ für die Feinde von außen reserviert zu sein, wie etwa die Hamas oder die Hisbollah. Die Existenz Israels ist aber auch von innen gefährdet, und zwar von denen, die der Autor Amos Oz als ‚jüdische Neonazis‘ bezeichnet hat.“

    Extremisten hätten schon vor zehn Jahren das Benediktinerkloster Tabgha am Nordwestufer des Sees Genezareth in Brand gesteckt, so Schnabel. „Ein Teil von deren kahanistischer Ideologie ist neben fremdenfeindlichem Rassismus nämlich auch ein tief sitzender Christenhass.“

    Die Saat des Hasses

    Damit verweist der Abt auf die Anhänger des Rabbiners Meir Kahane, der eine äußerst radikale Form des religiösen Zionismus begründete. Kahanes erklärte Ziele waren die Beseitigung der liberalen Demokratie in Israel zugunsten einer jüdischen Theokratie, die Vertreibung der meisten Nichtjuden aus Israel und den besetzten Gebieten sowie die Errichtung von Groß-Israel (Eretz Israel). 1990 kam er bei einem Attentat in Manhattan ums Leben.

    Extremistischer Minister: Itamar Ben-Gvir auf dem Weg zur Klagemauer in Jerusalem während des Pessach-Festes im April 2025. Foto: Shutterstock

    Die Ideologie des radikalen Rabbis findet sich heute sogar in der israelischen Regierung wieder – und zwar in Gestalt des Ministers für öffentliche Sicherheit, Itamar Ben-Gvir. Er war Anhänger Kahanes, gehörte früher der Jugendorganisation von Kach an, einer von Kahane gegründeten Partei, die jedoch in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Ben-Gvir ist Vorsitzender von Otzma Jehudit („Judäische Stärke“), die als ideologische Nachfolgepartei gilt. Der heutige Minister ist so extremistisch, dass ihn das israelische Militär nicht einmal zum Wehrdienst zuließ.

    Papst: Situation in Gaza „unerträglich“

    Angesichts des Pogroms von Taybeh hat Papst Leo XIV. bei einer Konferenz der katholischen Hilfsorganisation ROACO (Riunione Opere Aiuto Chiese Orientali) im Vatikan deren Einsatz für bedrohte Christen in Kriegsgebieten gewürdigt. Dabei äußerte sich der 69-Jährige zutiefst besorgt über die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten.

    Der Vatikan: Sitz des Papstes und Zentrum der römisch-katholischen Kirche, der 1,4 Milliarden Menschen angehören. Foto: Viacheslav Lopatin / Shutterstock.com

    Sichtlich bewegt sprach das Oberhaupt der katholischen Kirche von einer „diabolischen Intensität“ der Gewalt und forderte von allen Konfliktparteien die Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Insbesondere betonte er die Notwendigkeit, dringend benötigte Hilfslieferungen nach Gaza durchzulassen und die Zivilbevölkerung zu schützen.

    Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters verurteilte der Papst einmal mehr die Angriffe auf Kirchen und zivile Einrichtungen in den Palästinensergebieten. Die Situation in Gaza sei „unerträglich“. Seit seiner Amtseinführung am 18. Mai hatte Leo XIV. mehrfach Friedensappelle in Richtung aller beteiligten Staaten in der Region gerichtet.

    Auf verlorenem Posten

    In dem christlichen Ort Taybeh patrouillieren seit dem Überfall von den Dorfbewohnern organisierte Nachtwachen durch die Straßen – aus Furcht vor weiteren Angriffen von jüdischen Siedlern. „Wir schlafen nicht mehr“, wird einer der Männer von der Welt zitiert. „Aber wir geben unser Zuhause nicht auf.“

    Sogar die USA haben inzwischen Sanktionen gegen sieben gewaltbereite Siedler erlassen, andere Länder wie Großbritannien und Frankreich haben sich dem angeschlossen. Auch die EU hat Strafmaßnahmen beschlossen. Israelische Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen haben zahlreiche Fälle von Siedlergewalt dokumentiert, die laut UN dazu geführt habe, dass mehr als 1.000 Palästinenser von ihrem Land vertrieben wurden.

    Mehr über die Hintermänner der brandschatzenden Siedler und andere Extremisten in Israels Regierung erfahren Sie in unserer Juli-Ausgabe mit dem Titelthema „Der Brandstifter – Wie Netanjahu die Welt anzündet“. Wir nehmen kein Blatt vor den Mund! Hier bestellen.

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