Heute vor 80 Jahren begann die Ardennenoffensive der Wehrmacht. Der tollkühne Vorstoß an der Westfront brach bald zusammen – unter anderem, weil Hitler wieder einmal die Politik über das Militärische stellte. Panzergeneral Hasso von Manteuffel beschreibt in seinen Erinnerungen das Scheitern der letzten großen deutschen Offensive. Dieser Beitrag erschien in zuerst in COMPACT-Geschichte «Panzerschlachten». Jetzt im Rabatt-Paket mit zwei weiteren Weltkriegs-Ausgaben. Hier mehr erfahren.
_ von Hasso von Manteuffel
{Von Manteuffel schildert zunächst eine Diskussion mit Hitler am 2. Dezember 1944, im Vorfeld der Operation. Nur an einem Punkt konnte sich der General durchsetzen, allerdings an einem wichtigen.}
Panzer zuerst, nicht Artillerie
Zum Schluss erbat ich noch für den Angriffstreifen meiner Armee einige Änderungen. Die wichtigste war, dass der Angriff ohne jede Artillerie-Feuervorbereitung bereits um 5:30 Uhr morgens, im Schutze der Dunkelheit, vorgetragen werden sollte. Ich schlug ferner vor, dass vor jeder Division ein Sturm-Bataillon, bestehend aus ausgesuchten Kämpfern, stehen müsse, das in der Frühe antreten und zwischen die vorgeschobenen amerikanischen Stellungen hindurch vorstoßen sollte. Scheinwerfer sollten den Sturm-Kompanien den Weg durch das ausgedehnte Waldgelände jenseits der Our und Ourthe ausleuchten; wir hatten diese Möglichkeit vorher hinter der Front ausprobiert und sie für gut befunden.
Nach fünf Stunden hatten wir alles vorgetragen, was uns Sorgen machte. Doch der Erfolg war gleich Null. An den operativen Grundlagen des Angriffes änderte sich nichts. Weder das Ziel noch der Schwerpunkt oder Gliederung und Ansatz der Kräfte wurden geändert. Die offenen Probleme blieben ungelöst.

Hitler konnte uns anmerken, dass wir von diesem Ausgang der Unterredung nicht befriedigt waren. Er gab, wenn auch widerstrebend, in Bezug auf das Angriffsverfahren der 5. Panzer-Armee nach, so dass ich dies nach meinen Vorstellungen durchführen konnte. Ich würde also in der Dunkelheit, ohne Artillerie-Vorbereitung mit ausgesuchten Sturmkompanien vorn durch die amerikanischen Linien durchzubrechen versuchen. Und zwar an Stellen, von denen ich wusste, dass hier durchzukommen war. Ich hatte mich nämlich vorher, als Kompanieführer verkleidet, an der Our davon überzeugt, dass hier die Amerikaner in den Nächten in ihrer Aufmerksamkeit nachließen.
Es lagen dort abgekämpfte, ruhebedürftige amerikanische Divisonen und eine soeben erst aus den USA herangebrachte Division, die des Nachts in ihren Quartieren unterkroch und am anderen Morgen nach dem Luxus gemütlichen Rasierens zum Dinner und Breakfast antrat. Da war ein schneller Durchbruch möglich. (…)
Hauptproblem: Kein Benzin
{Am 16. Dezember 1944 brach der deutsche Panzersturm los.}
Am 21. Dezember trat dann die Lage ein, die wir für die Versorgung, vor allem mit Treibstoff, befürchtet hatten. Entgegen den Zusagen war nicht genügend Treibstoff nach vorn gekommen, und die 2. Panzer-Division meldete Benzinmangel und musste sich damit begnügen, den Brückenkopf über die Ourthe bis Tenneville zu erweitern.
Am selben Tage erreichte die Panzer-Lehr-Division im Vorstoß auf die Maas Morhet. Die Aufklärungsabteilung, die durch das Pionier-Bataillon verstärkt war, kam bis in die Linie Tillet–Gerimont–Amberloup auf halbem Wege nach St. Hubert. Die 26. Volksgrenadier-Division gewann Sibret. Die Angriffe im Norden und Osten bei Bastogne jedoch schlugen fehl. Die Stadt war nun aber, wenn auch nur mit geringen Kräften, bis auf den Abschnitt zwischen Champs und Senonchamps ostwärts der Stadt völlig eingeschlossen. Am 22. Dezember lagen die Panzer der 2. Panzer-Division wegen Spritmangels völlig fest. Ein Teil konnte noch Hargimont und On nehmen.
Der Treibstoffmangel war das Allerschlimmste, was unseren Panzerverbänden zustoßen konnte. Jodl hatte unsere Bedenken in dieser Hinsicht zerstreut und versichert, dass wir hinreichend Treibstoff erhalten würden, um unseren Vorstoß durchführen zu können. Diese Zusicherung war falsch! Er musste hierbei folgendes in Rechnung stellen: Aus Tarnungsgründen war der gesamte Nachschub, auch Munition und Betriebsstoff, ostwärts des Rheins ausgelagert worden, von wo aus er mit Kolonnen der Organisation Speer entsprechend dem fortschreitenden Angriff in die Truppenlager vorgebracht werden sollte.
Von den hierzu in der Besprechung am 2. Dezember 1944 in Berlin zugesagten 1.000 Lastkraftwagen traf aber nur ein verschwindend kleiner Teil – meines Wissens ungefähr 150 Lastkraftwagen – bei der Armee ein. Nachdem das Wetter mit dem 24. Dezember aufklarte, wurden sämtliche Bewegungen dieser Art von der gegnerischen Luftwaffe erkannt und mit großem Erfolg bekämpft, so dass die Truppe nunmehr unter einem entscheidenden Mangel zu leiden hatte.
Ein weiterer entscheidender Grund für das Fehlen von Benzin war auch die Tatsache, dass das OKW auf mathematisch-schematischer Grundlage den Benzinbedarf einer Division für eine Bewegung über 100 Kilometer berechnet hatte. Meine Erfahrungen im Osten aber hatten mich darüber belehrt, dass nach den Verhältnissen des Kampffeldes dieses Maß mindestens verdoppelt werden musste. Jodl hatte dies nicht verstehen können, und diejenigen Stabsoffiziere, die es wussten, hatten seinerzeit zu meinen Befürchtungen geschwiegen.
Den Erschwernissen in den winterlichen Ardennen Rechnung tragend, hatte ich Hitler das Fünffache des Einheitssatzes an Kraftstoffbedarf gemeldet. Aber bei Beginn der Offensive stand nur das Anderthalbfache dieses Satzes zur Verfügung. (…)
Fazit: Die Gründe des Scheiterns
Zwar hatte sich auf deutscher Seite die Auswahl des Aufmarschraumes als richtig erwiesen, aber das wog die Mängel und Fehler anderer Art nicht auf. Die strategische und die taktische Überraschung waren geglückt. Wenn der Offensive trotzdem ein Erfolg versagt blieb, so ist dies auf folgende Fehler der deutschen Führung zurückzuführen: Die oberste Führung verlegte nicht rechtzeitig den Schwerpunkt von der 6. SS-Panzer-Armee zur 5. Panzer-Armee, um den sich bei letztgenannter Armee anbahnenden Erfolg auszunützen.
Sie tat es auch nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem es vielleicht noch möglich war, sich den Vorschlag der sog. Kleinen Lösung zu eigen zu machen. Der Vorstoß der 5. Panzer-Armee wurde ungünstig durch die geringen Anfangserfolge der beiden Nachbar-Armeen beeinflusst. Überdies wurde die Offensive weder rechtzeitig eingestellt, noch wurden neue Entschlüsse gefasst, als sich der Misserfolg klar abzuzeichnen begann. Auch reichten die personellen und materiellen Bestände in keiner Weise aus, den Angriff aus der Tiefe zu nähren.

Foto: US-Army /CC0
Als der Angriff der 6. SS-Panzer-Armee gescheitert, derjenige der 5. Panzer-Armee dagegen geglückt war und sich zu einem Durchbruch auszuweiten begann, war es notwendig, den Schwerpunkt zur 5. Panzer-Armee zu verlagern, und zwar sofort, denn die Angreifer waren zeitlich bereits im Rückstand. Alle diesbezüglichen Vorstellungen durch die Oberbefehlshaber an der Front blieben vergeblich.
Nach Hitlers Plan lag der Schwerpunkt bei der 6. SS-Panzer-Armee im Norden. Dementsprechend waren auch die Panzer-Reserven bereitgestellt. Model schlug bereits am 18. Dezember vor, diese Divisionen oder zum mindesten einen Teil davon zur Ausnutzung des Angriffes bei der 5. Panzer-Armee einzusetzen. Aus politischen Gründen jedoch wünschte Hitler, dass «seine Waffen-SS» den entscheidenden Schlag führe. Er wollte ihr um des nationalsozialistischen Prestiges willen den Siegesruhm sichern. Deshalb bestand er darauf, dass die zunächst nach-geführten Divisionen im Norden des Gesamtangriffes verblieben, damit Sepp Dietrich noch eine Chance erhalte.
Dazu bemerkte später in Gefangenschaft Feldmarschall von Rundstedt auf Befragen durch die kanadische Armee: «Es war ein fundamentaler Fehler, der die ganze Offensive aus dem Gleichgewicht brachte.» Die zu einem weit späteren Termin der 5. Panzer-Armee zugeführten 2. und 12. SS-Panzer-Division kamen zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Armee bereits in die Abwehr gedrängt worden war, also wieder einmal zu spät.
Das Tempo des eigenen Angriffs war trotz der beispielhaften Hingabe der Gruppe und ihrer Führung nicht schnell genug gewesen, um das entscheidende Wettrennen mit den heraneilen-den gegnerischen Reserven zu gewinnen. Auch fehlten dem Angriff sehr bald die Kraft und die Beweglichkeit, Vorbedingungen jeden Erfolges. Die Gruppe war mit nur einem bis zwei Betriebs-stoff-Verbrauchssätzen anstatt der fünf zugesagten angetreten.
«Die militärische Strategie», so schreibt Chester Wilmot in seinem Werk Der Kampf um Europa, «wurde nicht mehr von rein militärischen Erwägungen bestimmt. Die Entscheidung lag nicht mehr bei Feldmarschall von Rundstedt, sondern bei Hitler.»
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