Hussitenkriege, Fensterstürze und Revolutionen: Zwischen dem Egerland und den Beskiden schrieben die Sudetendeutschen immer auch ein Stück Weltgeschichte. Hier lesen Sie den ersten Teil einer dreiteiligen Serie zur sudetendeutschen Geschichte. Die Vertreibung von über 14 Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland zählt zu den größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts. In der BRD-Erinnerungskultur findet ihr Leid keine angemessene Würdigung. Darum wollen wir an ihr Schicksal erinnern. Hier mehr erfahren.
Ein letzter tödlicher Stoß seines eigenen Bruders Boleslav soll den heiligen Fürsten Wenzel von Böhmen am 28. September 929 oder 935 in der Kirche von Altbunzlau aus dem Leben gerissen haben. Der fromme Mann wurde in die Falle gelockt, weil er die Christianisierung seines Landes entschlossen vorangetrieben und die Oberhoheit des deutschen Königs Heinrich I. anerkannt hatte. Er gab der Wenzelskrone, die bis zum Ende der k. u. k.-Doppelmonarchie 1918 bestand, ihren Namen und zählte zu den Lieblingsmärtyrern von Papst Benedikt XVI.
Marbod: Ein Germanenfürst in Böhmen
Zu dieser Zeit hatte das von ihm regierte Territorium allerdings bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Schon die Kimbern und Teutonen hätten sich bei ihrem Zug nach Süden gerne hier niedergelassen, scheiterten um das Jahr 118 vor Christus aber am Widerstand der Boier.
Dieser keltische Stamm gab dem Land seinen Namen. In den Jahrzehnten vor der Zeitenwende rückten Germanen ein und übernahmen die Herrschaft. Der Heerkönig Marbod errichtete in Böhmen ein mächtiges Reich. Der Cheruskerfürst Arminius warb mit allen Mitteln um die Gunst des Markomannenführers und schickte ihm nach der Schlacht im Teutoburger Wald den abgetrennten Kopf des besiegten Varus.
Doch die große Stunde dieses Stammes schlug dann erst in den Jahren von 166 bis 180 nach Christus. Er vereitelte das Ansinnen des Kaisers Marc Aurel, Böhmen zur Provinz des Römischen Reiches zu machen und drang während der Markomannenkriege selbst bis nach Norditalien vor.
Die Deutschen kommen
Ab dem Ende des 6. Jahrhunderts sickerten zunehmend Slawen in dieses europäische Zentralgebiet ein. Ihre Landnahme gestaltete sich weniger dramatisch als die der Germanen, dafür aber nachhaltiger. Ab dem letzten Drittel des 9. Jahrhunderts herrscht auf der Prager Burg die slawische Dynastie der Premysliden, die sich durch zahlreiche Eheschließungen mit deutschen Adligen allerdings rasch germanisiert.
Herzog Sobieslav II. stellt den Deutschen in der heutigen tschechischen Hauptstadt 1176 einen Freiheitsbrief aus, der als ältestes Dokument dieser Volksgruppe im Ducatus Bohemia gilt. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts treffen dann die ersten großen Wellen sächsischer, bayerischer, thüringischer, rheinländischer und flämischer Siedler mit Zustimmung der Obrigkeit insbesondere in den Randgebieten Böhmens ein.
Ottokar greift nach der deutschen Königskrone
Rasch kommt es zu Städtegründungen nach Lübecker, Magdeburger und Nürnberger Recht. Treiber der Entwicklung sind von den Neuankömmlingen mitgebrachte Innovationen wie der Bodenwendepflug, der die Scholle umbricht und nicht nur ritzt und damit deutlich höhere Ernteerträge ermöglicht. In der Ära von Ottokar II., der über ein vom Erzgebirge bis zur Adria reichendes Territorium gebietet, greifen die Premysliden gar nach der deutschen Königskrone.
Die Frankfurter Königswahl von 1273 zählt sicherlich zu den Schicksalsstunden der deutschen Geschichte. Am Ende wird allerdings mit Rudolf erstmals ein Habsburger Regent des Heiligen Römischen Reiches und beendet das Interregnum, die schreckliche, kaiserlose Zeit. Ottokar wiederum schreibt sich durch die Gründung von Städten wie Zittau, Aussig, Olmütz oder Budweis in die Geschichte ein. Einige Historiker sind der Auffassung, dass Böhmen endgültig deutsch besiedelt worden wäre, wenn der immer nach Möglichkeiten zur Zurückdrängung des slawischen Adels suchende Ottokar auch noch deutscher König geworden wäre.
Die Vertreibung von über 14 Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland zählt zu den größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts. In der BRD-Erinnerungskultur findet ihr Leid keine angemessene Würdigung. Darum wollen wir an ihr Schicksal erinnern. Hier mehr erfahren.
10 Kommentare
Der bekannte Autor SCHULTZE-RHONHOF hat ein ganz außerordentlich gutes und reichhaltiges Buch über die Tschechoslowakei (1918-1939) geschrieben: "DAS TSCHECHISCH-DEUTSCHE DRAMA".
Die CSR war ja einer der drei slawisch dominierten Kunststaaten, die die Alliierten nach 1918 zusammengeschustert haben, ohne jede Rücksicht auf das Votum der vielen Millionen Deutschen, die in diese Länder hineingezwungen wurden. In Polen maßten sich etwa 55 % ethnische Polen die tyrannische Herrschaft über Deutsche, Ukrainer, Weißrussen und Litauer an, in Jugoslawien waren die Serben das "Herrenvolk", in der CSR beherrschten 52% Tschechen 25% Deutsche, 16% Slovaken, Ungarn, Ukrainer, Slonzaken, Rumänen, Hultschiner.
———————-
COMPACT: Gibt’s auch bei uns im Shop: https://www.compact-shop.de/shop/buecher/gerd-schultze-rhonhof-das-tschechisch-deutsche-drama-1918-1939/
"Ab dem letzten Drittel des 9. Jahrhunderts herrscht auf der Prager Burg die slawische Dynastie der Premysliden, die sich durch zahlreiche Eheschließungen mit deutschen Adligen allerdings rasch germanisiert."
Das passt zu folgendem Werk
Die Vorgeschichte Des Deutschen Volkes
https://archive.org/details/helmut-schroecke-schroecke-helmut-die-vorgeschichte-des-deutschen-volkes
Das deutsche Volk erweist sich als einziges großes Volk Europas, das in seiner Geschichte nie biologisch überfremdet wurde und seine Sprache aus dem Indogermanischen über das Germanische zur deutschen Hochsprache ohne Bruch entwickeln konnte.
Der Panslawismus ist eine aggressive Pan-Bewegung, die alle sogenannten „slawischen“ Länder vereinen möchte. Die Ideologie kam in den 1830er Jahren auf; die eigentlichen Wortführer wurden die Tschechen, besonders der Dichter Jan Kollár (1793-1852). Rußland benutzte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in steigendem Maße den Panslawismus („Panrussismus“), um namentlich seine Balkanpolitik zu fördern und sah sich als Schutzmacht der slawischen Völker. In der Sowjetunion wurde diese Vorstellung unter der Tarnung des Bolschewismus dann weitgehend durchgesetzt, jedoch gegen den Willen der anderen slawischen Völker.
Der Panslawismus war Hauptursache für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, weil er die Existenz des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn bedrohte und zudem eine Gegnerschaft zwischen Rußland und den Mittelmächten heraufbeschwor bzw. schürte. Des Weiteren war er mitverantwortlich für den Völkermord am deutschen Volk und die Vertreibung von Millionen Deutschen aus ihrer Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg.
@Hugo:
Eine Quellenangabe wäre ganz gut.
Haben Sie das von Wikipedia, ausm Spiegel oder der BpB?
Wollen Sie bestreiten, daß es slawische Länder gibt ? Nur sind es eben auch verschiedene Nationen. Z.B. wollen Polen kein Teil Russlands sein, auch wenn beide Slawen sind. ( Manche nichtslawische, deutsche Germanennachkömmlinge wollen aber gern in die Russische Föderation, hihi.)
Auch heute hätten ja manche Deutsche gern einen Slawen als Deutschen König : Zar Wladimir Putin.
@Philophobus:
Wir Sachsen haben wenigstens Erfahrungen, mit nem Deutschen der polnischer König war.
Es gereichte uns zum Wohle – und nebenbei zu jeder Menge Eyecandy für den archtiktonisch interessierten Ästheten.
edit: "architektonisch"
(Wobei "archtiktonisch" bestimmt ein tatsächlich nutzbares Wort ist.
Es leitet sich folgendermaßen ab: ‚arch-‚ als Vorsilbe zu Deutsch ‚erz‘, wie Erzbischof, Erzfeind – höchster, erster, schlimmster.
‚tiktonisch‘ ist eine Verschmelzung vom social media ‚TikTok‘ mit ‚tektonisch‘ aus der Geologie.
Es beschreibt quasi die "seismischen Beben höchster Stufe, welche auf Tiktok (oder anderen SM) durch eine Person ausgelöst werden.
Anwendbar bspw. auf die Herrschaften Trump, Musk, Hersh, …)
Na ja, fast. Wie weit Ottokar selbst "Slawe" war , ist durchaus fraglich . Schon der Name Ottokar ist nicht slawisch. Unbestreitbar war Böhmen ganz überwiegend slawisch.
Böhmen/Tschechien war sozusagen das Silicon Valley oder das Ruhrgebiet des Mittelalters. Deshalb war es umkämpft.