Die Regierung in Neu-Delhi will sich ihre Handelspolitik nicht von den USA diktieren lassen. Das führt unfreiwillig zu einer Stärkung der BRICS-Staaten und Multipolarität. Wie wir in die Zange genommen wird, lesen Sie in „Der hybride Krieg gegen Deutschland“ – dem neuen Buch von Bestsellerautor Gerhard Wisnewski. Hier mehr erfahren.

    Die öffentliche Drohung von US-Präsident Donald Trump, gegen Indien Strafzölle von bis zu 50 Prozent zu verhängen, sollte das Land nicht auf Rohstoffe aus Russland verzichten, ist ein außenpolitischer Vorgang mit weitreichenden Konsequenzen – weit über den bilateralen Rahmen hinaus.

    Was zunächst wie ein Handelskonflikt wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Teil einer strategischen Dynamik, die den globalen Süden näher zusammenführt. Im Zentrum: Indien – und mit ihm die BRICS-Staaten.

    Ein Angriff, der zur Bündelung führt

    Der Ausgangspunkt: Indien importiert seit Beginn des Ukraine-Krieges große Mengen vergünstigter russischer Energie – nicht nur zur Eigenversorgung, sondern auch zum Weiterverkauf über Dritthändler auf dem Weltmarkt.

    Er will die USA in ein „Goldenes Zeitalter“ führen: Donald Trump am 26. März 2025 im Weißen Haus. Foto: The White House

    Für Washington ist dies ein Affront. US-Präsident Donald Trump wirft Indien nicht nur wirtschaftliche Profite auf Kosten westlicher Sanktionen vor, sondern droht offen mit Vergeltung – in Form massiver Einfuhrzölle. Verbunden wird dies mit weiteren Forderungen: dem Verzicht auf russische Kampfflugzeuge, der Ausweitung amerikanischer Waffenlieferungen sowie der Öffnung des indischen Marktes für US-Agrarprodukte.

    Doch der Versuch, das aufstrebende Schwellenland unter öffentlichen Druck zu setzen, trifft auf kulturelle und geopolitische Realitäten, die sich der gewohnten Logik des US-Druckmodells entziehen. Indien sieht sich nicht als Empfänger, sondern als gleichberechtigter Akteur in einer multipolaren Ordnung.

    Delhi reagiert mit strategischer Gelassenheit

    Die Reaktion aus Neu-Delhi ist zurückhaltend, aber deutlich. Statt auf Konfrontation zu setzen oder sich öffentlich zu rechtfertigen, reagiert Indien mit einer diplomatischen Geste: Der nationale Sicherheitsberater Ajit Doval reist nach Moskau. Offiziell geht es um energie- und sicherheitspolitische Fragen – inoffiziell auch um die Koordination strategischer Positionen innerhalb der BRICS. Dass dieser Besuch öffentlich bekannt gemacht wurde, darf als gezielte Botschaft verstanden werden: Indien handelt souverän, nicht im Schatten Washingtons.

    Zugleich signalisiert Delhi, dass die eigenen außenpolitischen Entscheidungen nicht im Weißen Haus getroffen werden – auch nicht unter einem republikanischen Präsidenten, der mit bilateralen Druckmitteln statt multilateralen Formaten agiert.

    Strategische Autonomie statt Bündnistreue

    Indien verfolgt seit Jahren eine Politik der sogenannten strategischen Autonomie. Das bedeutet: enge Kooperation mit westlichen Ländern in einzelnen Bereichen – etwa im Rahmen des QUAD (mit den USA, Japan und Australien) –, aber keine Bündnisverpflichtung im Sinne exklusiver Lagerzugehörigkeit.

    Hindu-Nationalist und Volksheld: Indiens Premierminister Narendra Modi. Foto: Salma Bashir / Shutterstock.com

    Mit der Drohkulisse Trumps wird dieser Kurs nicht unterminiert, sondern eher bestätigt. Denn: Eine Einordnung Indiens in die Logik westlicher Blockbildung würde bedeuten, die eigenen Interessen im Wettbewerb mit China – dem wichtigsten geopolitischen Rivalen – aufzugeben.

    Gerade im Energiesektor ist dies keine Option. Die Versorgung mit günstiger russischer Energie ist für Indien nicht nur ökonomisch, sondern auch strategisch entscheidend – insbesondere im Wettbewerb mit Peking. Ein vollständiger Bruch mit Moskau würde Delhi geopolitisch schwächen, nicht stärken.

    Der unbeabsichtigte Effekt: BRICS wird greifbarer

    Was sich aus dieser Konstellation ergibt, ist eine Entwicklung, die in Washington kaum intendiert gewesen sein dürfte: die schrittweise strukturelle Konsolidierung der BRICS-Staaten unter dem Druck westlicher Maßnahmen. Was lange als loser Verbund wirtschaftlich heterogener Staaten galt, gewinnt durch äußere Bedrohung eine neue Funktion: als Schutzrahmen gegen übergriffige Handels- und Sanktionspolitik.

    Dabei gilt: Es ist nicht Russland, das auf Konfrontation drängt, sondern die USA, die durch ihre einseitige Druckpolitik Reaktionen provozieren. Indien ist dabei nicht Rebell, sondern Realist: Es orientiert sich an seinen eigenen Interessen, nicht an geopolitischen Loyalitätsforderungen.

    Multipolarität als Folge, nicht als Ziel

    Die laufenden Entwicklungen zeigen: Die multipolare Weltordnung entsteht nicht durch gezielte Gegenmachtbildung, sondern als Reaktion auf den Erhaltungswillen hegemonialer Strukturen. Trump – wie auch viele in seiner Administration – agiert nach einem Machtverständnis, das in der bipolaren Logik des Kalten Krieges wurzelt: Wer sich nicht fügt, wird sanktioniert.

    Doch die Staaten des globalen Südens haben gelernt, solche Maßnahmen nicht mehr als alternativlos zu betrachten. Sie schaffen Alternativen – von neuen Zahlungssystemen bis hin zu regionalen Energieabkommen. Die Reaktion auf westlichen Druck ist nicht Konfrontation, sondern Dezentralisierung.

    Trump wollte Indien disziplinieren. Was er ausgelöst hat, ist eine neue Runde strategischer Selbstbehauptung – nicht nur in Neu-Delhi, sondern auch in Moskau, Peking, Brasília und Pretoria. Die BRICS gewinnen dadurch nicht an Ideologie, sondern an Funktion: als Raum geopolitischer Souveränität gegenüber einem Westen, der sich zunehmend als Blockierer statt als Partner inszeniert.

    Dass diese Entwicklung nicht nur unbeabsichtigt, sondern auch unumkehrbar ist, dürfte eines der prägendsten geopolitischen Phänomene der kommenden Jahre werden.

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