Gipfeltreffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in der chinesischen Hafenstadt Tianjin mit Xi, Putin und Modi. Die Bild sieht „Schurken“ am Werk. Wie schwer sich der Westen geopolitisch derzeit tut, arbeiten wir auch in unserer neuen Ausgabe „Der Totengräber“ heraus. Hier mehr erfahren.
Auf betonte Geschlossenheit setzen in erster Linie Putin, Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping und Indiens Premierminister Modi. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sind angereist. Das Signal: China ruft zu Einigkeit auf. Die Welt erlebe Veränderungen wie seit einem Jahrhundert nicht mehr. Man trage eine große Verantwortung für die Wahrung von Frieden und Stabilität.
Daten und Fakten
Zur Koordination von Russland, Indien und China hat als Gegenpol zu westlichen Zusammenschlüssen wie G7 und NATO hatte Geopolitexperte Bernhard Tomaschitz schon vor einigen Jahren für COMPACT spannende Fakten zusammengetragen. Nachfolgend wesentliche Auszüge.
Groß war der Optimismus, als am 15. Juli 2014 die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten bei einem Gipfeltreffen im brasilianischen Fortaleza die Neue Entwicklungsbank sowie den Währungsfonds Contingent Reserve Arrangement gründeten. Die beiden Finanzinstitutionen sollten, so der ambitionierte Plan, eine Konkurrenz zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sein, die von den USA beherrscht werden.
Seit 2009 treffen sich die Spitzen Brasiliens, Russlands, Indiens und Chinas ein Mal pro Jahr, seit 2010 ist auch Südafrika dabei. Die Fünf stimmen darin überein, ein politisches und wirtschaftliches Gegengewicht zur US-Dominanz bilden zu wollen. Deutlich wird das in der im Juli 2014 angenommenen Erklärung von Fortaleza.
Aufrechterhaltung des Friedens
Darin wird dem Unilateralismus der USA eine klare Absage erteilt und stattdessen die „Verpflichtung gegenüber Völkerrecht und Multilateralismus, mit den Vereinten Nationen als seinem Zentrum und Fundament“ besonders hervorgehoben. Ebenfalls an die Adresse Washingtons gerichtet ist das Bekenntnis zur UNO als jener Organisation, deren Aufgabe die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens ist.
Theoretisch haben die BRICS das Potenzial, einer multipolaren Weltordnung zum Durchbruch zu verhelfen. Eine wichtige Folge wäre das Ende der Dollar-Hegemonie in der Weltwirtschaft – etwas, das die USA bisher durch militärische Aggression verhindern konnten.

Wie das ablief, illustrierte Leonid Iwaschow, einer der wichtigsten russischen Militärexperten, bereits 2011: „Saddam Hussein, der den Dollar-Umlauf aus allen Bereichen der irakischen Wirtschaft einschließlich des Erdölhandels verbannte, wurde gestürzt und hingerichtet, und sein Land wurde in Ruinen zurückgelassen.“
Und: „Muammar Gaddafi begann, das libysche Öl- und Gasgeschäft auf goldgestützte arabische Währungen umzustellen, und Luftangriffe gegen das Land folgten fast umgehend. Teheran musste seine Pläne, dollarfrei zu bleiben, auf Eis legen, um zu verhindern, einer Aggression zum Opfer zu fallen.“
Aber gegen die geballte BRICS-Macht seien, so Iwaschow, die „von den Rothschilds und Rockefellers errichteten Finanzimperien, die sich unbegrenzter US-Unterstützung erfreuen, machtlos“: Die fünf Staaten, von denen drei über Atomwaffen verfügen, stellen nicht nur die Hälfte der Weltbevölkerung, sondern verfügen im Gegensatz zu EU und USA auch über riesige Rohstoffvorkommen.
Überwundene Kriselei
Zwischenzeitlich befand sich die BRICS-Koordination in der Krise. Der Gipfel 2017 fand international nur wenig Beachtung.Vor allem aber war er von einem Streit zwischen Peking und Neu-Delhi überschattet: Im Juli hatten chinesische Soldaten damit begonnen, eine Straße am Doklam-Plateau im Himalaya zu verlängern. Der Kleinstaat Bhutan sah darin bestehende Grenzvereinbarungen verletzt und rief seinen militärisch verbündeten Nachbarn Indien um Hilfe, der daraufhin Soldaten schickte, um den Bauarbeiten der Chinesen Einhalt zu gebieten.
Neu-Delhi, das selbst große geopolitische Ambitionen hegt, muss zudem zusehen, wie Peking Schritt für Schritt sein Seidenstraßen-Projekt umsetzt und gemeinsam mit Moskau die eurasische (Wirtschafts-)Integration vorantreibt.
Als Gegengewicht hatte die Regierung des Subkontinents in letzter Zeit die Beziehungen zu Washington verbessert. So bezeichnete US-Außenministerium Ende Oktober 2017 Indien und die USA als „natürliche Verbündete“, die „gegen den Terrorismus Schulter an Schulter zusammenstehen sollten“.
Die USA haben in der Vergangenenheit durch direkte Einmischung das Netz der BRICS-Staaten attackiert. Denn Washington unterstützte 2016 nach Kräften die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Die linkssozialdemokratische Politikerin hatte eine von den USA unabhängige Außen- und Wirtschaftspolitik verfolgt und sich sehr für die BRICS engagiert.
Paul Craig Roberts, der unter Präsident Ronald Reagan Vize-Außenminister der USA war, führte dazu aus: „In Brasilien nutzte Washington Korruptions-Unterstellungen, damit Präsidentin Rousseff vom Unterhaus abgesetzt wurde. Beweise sind nicht notwendig, es reichen Anschuldigungen. Das ist nicht anders als Saddam Husseins ‚Massenvernichtungswaffen‘, Assads ‚Giftgaseinsatz‘. (…) Die von Amerika unterstützten Eliten nutzen einfach ein Amtsenthebungsverfahren, um einen Präsidenten zu entfernen, den sie bei Wahlen nicht besiegen können.
An diplomatischem Einfluss gewachsen
Eine geostrategische Schnittmenge zum BRICS-Projekt hat der sogenannte Schanghai-Pakt, der 1996 von China, Kasachstan, Kirgisien, Russland und Tadschikistan gebildet wurde. 2001 trat Usbekistan bei, und es wurde eine formelle Struktur unter dem Namen Schanghai Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) gegründet. Die Mitgliedstaaten führten gemeinsame Militärmanöver durch, die sich aus russischer und chinesischer Sicht ausschließlich gegen die Gefahren des islamischen Terrorismus und Separatismus richteten, vom Westen aber als Aufbau einer „Anti-NATO“ in Asien gewertet wurden.
Seit 2010 hat die SOZ an militärischer Bedeutung verloren, an diplomatischer gewonnen. Mit der gleichzeitigen Aufnahme von Indien und Pakistan 2017 wurde ein weiteres Zeichen gesetzt. Auch der Iran ist dabei.
Perspektive des Paktes
Dass die BRICS eine Alternative zu der auf Zwang und Gewalt beruhenden US-Hegemonie bieten wollen, betonte Russlands Präsident Wladimir Putin schon früher. In einem Anfang September 2017 erschienenen Artikel schrieb er, innerhalb dieser Organisation wurde „niemand zu irgendetwas gezwungen“. Wenn die Herangehensweisen der Mitglieder nicht übereinstimmen, „arbeiten wir geduldig und sorgfältig, um uns abzustimmen. Diese offene und auf Vertrauen beruhende Atmosphäre ist der erfolgreichen Umsetzung unserer Ziele förderlich“.
Die Perspektive des Schanghai-Paktes ist derzeit besser als die der BRICS-Koordination, weil in ihm mit Brasilien und Südafrika zwei hoch verschuldete Staaten fehlen, die in der Zwangsjacke westlicher Gläubigerinstitutionen (Internationaler Währungsfonds, Weltbank) stecken. Und durch die Teilnahme ehemaliger Sowjetrepubliken an der SOZ ist das Gewicht Moskaus stärker, das sich mit China in der Entwicklung einer Anti-Dollar-Politik einig ist und den bilateralen Handel vermehrt über Rubel und Yuan abwickelt.
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