AfD-Landesschiedsgericht Schleswig-Holstein weist Parteiausschlussantrag des Bundesvorstandes gegen Sayn-Wittgenstein zurück.
Ein heilsamer Dämpfer für die Ausschließeritis in der AfD: Seit September werden vermehrt von der Parteispitze Ausschlussverfahren gegen angebliche Radikale eingeleitet. Bundesweit dürften über 50 Mitglieder betroffen sein. Prominentestes Opfer der Kampagne ist Doris von Sayn-Wittgenstein: Sie ist Landtagsabgeordnete der Partei in Schleswig-Holstein, war bis zu ihrem freiwilligen Verzicht im Dezember 2018 im Zuge der Affäre auch Landesvorsitzende im nördlichsten Bundesland – und wäre auf dem Bundesparteitag vor zwei Jahren fast zur AfD-Bundesvorsitzenden gewählt worden; ihr fehlten nur eine Handvoll Stimmen.
Das Ausschlussverfahren gegen sie hatte der Bundesvorstand angestrengt, gestern wurde der Antrag vom erstzuständigen Landesschiedsgericht Schleswig-Holstein zurückgewiesen. Das ist eine Schlappe für den Bundesvorstand, aber auch für die Landtagsfraktion in Kiel, die die Politikerin bereits ausgeschlossen hat.
Kernpunkt des Verfahrens war Sayn-Wittgensteins Mitgliedschaft im „Verein Gedächtnisstätte“. Die Politikerin stritt die Mitgliedschaft ab, räumt jedoch die Unterstützung des Vereins durch ein Grußwort aus dem Jahr 2014 ein. Damals war Sayn-Wittgenstein aber noch nicht Mitglied in der AfD, und der Verein stand noch nicht auf einer Unvereinbarkeitsliste der Alternativen. Wie er später, noch unter Parteichef Bernd Lucke, dort hingekommen ist, ist kaum verständlich. 2014 war er nach Angaben Sayn-Wittgensteins sogar noch als „gemeinnützig anerkannt“ und habe nicht im Verfassungsschutzbericht gestanden.
Auch heute wird einzig vom Thüringer Landesverfassungsschutz eine Nennung im aktuellen Jahresbericht gemeldet: „Unter dem Deckmantel des Gedenkens an die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs agitiert der rechtsextremistische Verein gegen den demokratischen Verfassungsstaat und versucht, geschichtsrevisionistisches Gedankengut in demokratische Bevölkerungskreise zu transportieren.“ Es ist allerdings bekannt, dass der Thüringer VS im Bundesdurchschnitt zu den am wenigsten objektiven gehört. Gerne lassen die Medien in der aktuellen Berichterstattung auch den Namen Ursula Haverbeck fallen, die den Verein 1992 mitgegründet hat. Freilich wird nicht erwähnt, dass Frau Haverbeck zu dieser Zeit noch eine politisch und juristisch völlig unbescholtene Frau war. Die erste Verurteilung wegen Holocaustleugnung erfolgte 2004.
Jedenfalls gelang dem Bundesvorstand bei den Verhandlungen des Landesschiedsgerichtes der Nachweis nicht, dass Frau Sayn-Wittgenstein Mitglied des Vereins ist. Die Schiedsrichter kritisierten den Bundesvorstand auch ganz grundsätzlich, dass er sich mit manchen Argumenten unter der „Diskurshoheit der heutigen Altparteien“ befinde. Vermutlich werden die Gescholtenen das nicht auf sich sitzen lassen und den Parteiausschluss weiter betreiben: Das letzte Wort hat das Bundesschiedsgericht.
Aber erstmal kann der Sieg für die Meinungsfreiheit gefeiert werden: Geeigneter Anlass ist die COMPACT-Geschichtskonferenz am 9. Juni in Magdeburg, wo Sayn-Wittgenstein zum Thema „Meinungsfreiheit und Geschichtspolitik“ referieren wird. Der AfD-Bundesvorstand wollte auch diesen Auftritt von ihr bei einem unabhängigen Medium verhindern und hat COMPACT dazu aufgefordert, die Politikerin wieder auszuladen. Diesen Eingriff in die Pressefreiheit haben wir scharf zurückgewiesen (siehe Artikel gestern auf COMPACT-Online).
Zu unserer Geschichtskonferenz „Freispruch für Deutschland“ am 9. Juni kann man sich hier anmelden. Außer Sayn-Wittgenstein referieren bedeutende Historiker wie Gerd Schultze-Rhonhof, Jan von Flocken und Wolfgang Effenberger sowie COMPACT-Chefredakteur Jürgen Elsässer. Nutzen sie den Frühbucherrabatt bis 15. Mai!