Die westlichen Sanktionen gegen Russland verpuffen angesichts neuer Wirtschaftsstrategien und geopolitischer Allianzen. Der Kreml behält das Heft des Handelns in der Hand. Jetzt besonders wichtig: Nicht über, sondern von Putin lesen! In der COMPACT-Edition „Geschichte Russlands“ finden Sie seine wichtigsten Aussagen im O-Ton. Hier mehr erfahren.
Trotz der EU-Sanktionen und massiven Drucks aus anderen Staaten hat Russland einen Weg gefunden, die westlichen Strafmaßnahmen ins Leere laufen zu lassen. Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zeigt: Die Exporte des Landes stiegen 2024 um fast 20 Prozent, die Kriegskasse von Kremlchef Wladimir Putin bleibt prall gefüllt – mit umgerechnet 330 Milliarden US-Dollar. „Ungeachtet der inzwischen bereits 17 Sanktionspakete der EU gegen Russland hat die Rohstoffgroßmacht ihren Export um fast 20 Prozent gesteigert“, berichtet der Spiegel unter Berufung auf die IW-Analyse.
Während der Handel mit westlichen Staaten wie Deutschland, Italien oder den USA um bis zu 92 Prozent eingebrochen ist, hat Russland neue Märkte erobert. Länder wie Indien, China, Brasilien, die Türkei, aber auch Ungarn kaufen russisches Öl, Gas und andere Rohstoffe in Rekordmengen. „Indien und China pumpen Milliarden in die russische Kriegskasse“, beklagt der Spiegel. Putin selbst erklärte unlängst: „Wir haben uns an die Sanktionen gewöhnt und neue Märkte erschlossen.“
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Der Schlüssel liegt in einer bestimmten Strategie: der sogenannten Schattenflotte. Alte, oft marode Schiffe, deren Eigentumsverhältnisse unklar sind, transportieren russisches Öl nach Indien, China und in andere Länder. „Diese Schattenflotte ist ein zentrales Element, um Sanktionen zu umgehen“, erklärt Janis Kluge, Russland-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Doch der Westen stehe vor einem Problem. „Die Sanktionen gegen die Schattenflotte helfen, den Ölpreisdeckel durchzusetzen, schränken aber das russische Exportvolumen nicht ein“, so Kluge weiter.

Die EU hat einen Preisdeckel von 60 US-Dollar pro Barrel russischen Öls eingeführt, doch Moskau findet Wege, diesen zu umgehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski fordert eine Senkung auf 30 US-Dollar, das IW schlägt 45 US-Dollar vor. Doch selbst das dürfte Putin kaum beeindrucken. „Russland hat es geschafft, Alternativen zu westlichen Märkten zu finden, insbesondere durch verstärkte Handelsbeziehungen zu China und Indien“, so Erdal Yalcin, Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Hochschule Konstanz. Indien allein deckt inzwischen 40 Prozent seines Ölbedarfs aus dem sanktionierten Land – ein Zehnfaches im Vergleich zu 2022.
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Während der Westen hoffte, Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen zu können, hat Putin die russische Wirtschaft erfolgreich umgestellt. „Die Rüstungsindustrie boomt, dank gigantischer staatlicher Investitionen“, berichtet T-Online. Der Ministerpräsident der Russischen Föderation, Michail Mischustin, verkündete stolz ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent im Jahr 2024, getrieben vor allem durch die Waffenproduktion. „Die russische Wirtschaft hat nicht nur überlebt, sie befindet sich sogar auf einem Wachstumspfad“, heißt es in der Zeitschrift Internationale Politik und Gesellschaft.
Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem russischen Finanzministerium stiegen die Haushaltseinnahmen im ersten Quartal 2024 um über 50 Prozent auf rund 86,1 Milliarden Euro. Die Arbeitslosenquote liegt bei einem Rekordtief von 2,8 Prozent, die Reallöhne stiegen um 7,8 Prozent. „Die russische Wirtschaft präsentiert sich glänzend“, kommentiert der MDR, meint jedoch: „Langfristig wird ihr die Luft ausgehen.“
Die Partnerschaft mit China und Indien nützt dabei Russland nicht nur wirtschaftlich, sondern stärkt auch seine geopolitische Position. „In einer multipolaren Welt zeigt der Fall Russland, wie schwierig es ist, durch Sanktionen signifikante Veränderungen zu erzwingen“, betont Ökonom Yalcin. Putin selbst droht mit weiteren Exportbeschränkungen für Uran, Titan und Nickel, sollte der Westen die Ukraine weiter mit Langstreckenwaffen unterstützen. „Lieferungen einer Reihe von Gütern an uns werden begrenzt, und auch wir sollten vielleicht über gewisse Beschränkungen nachdenken“, sagte Putin bereits im September 2024.
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Trotz des Export-Booms gibt es Warnsignale. Die russische Wirtschaft leidet unter hoher Inflation (9,9 Prozent im Februar 2025) und einem schrumpfenden Wohlstandsfonds, der seit Kriegsbeginn um 60 Prozent gesunken ist. Der Energieriese Gazprom verzeichnete 2024 erstmals seit 25 Jahren Verluste in Milliardenhöhe.
Auch der Rubel ist angeschlagen: Seit August 2024 verlor die russische Währung fast ein Viertel ihres Wertes. „Die schwächelnde Landeswährung dürfte die Inflation in Russland anheizen“, warnt Ökonom Jewgeni Kogan, Investmentbanker und Professor an der Higher School of Economics in Moskau. Dennoch sieht Finanzminister Anton Siluanow einen Vorteil: „Der Wechselkurs ist heute für Exporteure sehr, sehr günstig.“
Derzeit bleibt Putin allerdings der lachende Sieger im Sanktionskrimi. „Die westlichen Sanktionen haben Russland nicht in die Knie gezwungen, sondern gestärkt“, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Der Export-Boom zeigt: Der Kreml behält die Kontrolle über die wirtschaftliche Entwicklung – und der Westen findet keinen Weg, Moskau nachhaltig zu schaden.
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