Der Sieg des als rechts eingestuften Karol Nawrocki in Polen bewegt die Gemüter. Etablierte Vertreter von Politik und Medien machen keinen Hehl daraus, sich einen anderen Wahlausgang gewünscht zu haben. Keine Frage: EU-Europa muss sich verändern. Wie notwendig das ist, arbeiten wir der COMPACT-Ausgabe „Die Diktatorin“ heraus. Hier mehr erfahren.
In der Stichwahl hat Karol Nawrocki, unterstützt von der rechtskonservativen PiS-Partei, die Präsidentschaftswahl in Polen gewonnen. Ein Paukenschlag! Er setzte sich gegen Rafal Trzaskowski durch, den Kandidaten der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) unter der Regierung von Premier Donald Tusk.
Europas Presse analysiert die Ergebnisse und ihre Auswirkungen auf Polen und die EU sorgenvoll. Während einige Stimmen eine politische Blockade und Spannungen mit der EU befürchten, warnen insbesondere BRD-Blätter vor einer Schwächung des pro-europäischen Kurses.
Mit Angst zur Macht: Eine Fehlkalkulation
Die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita sieht in Nawrockis Sieg einen deutlichen Denkzettel für die Regierungskoalition unter Donald Tusk: „Dieses knappe Wahlergebnis ist auch ein Beweis dafür, dass Donald Tusk und sein Lager nicht in der Lage sind, sich allein mit Angst [vor einer Wiederwahl der PiS] und Abrechnungen [mit der PiS-Politik] an der Macht zu halten. Die Polen sind eindeutig enttäuscht, weil sie nicht sehen, in welche Richtung sich die derzeitige Regierung bewegt.“ Das Ergebnis könnte laut Rzeczpospolita ein Warnsignal für die Parlamentswahlen 2027 sein: „Wenn diese ihre Hausaufgaben nicht macht, wird sie die Parlamentswahlen 2027 mit einem Paukenschlag verlieren.“
Entscheidend für Nawrockis Sieg waren laut dem polnischen Nachrichtenportal Interia die ländlichen Gebiete. Publizist Leszek Jazdzewski analysiert: „Rafal Trzaskowski war nicht glaubwürdig im Werben um die Stimmen der polnischen Provinz.“ Zudem führt er aus: „Ich kann nicht sagen, wie viel davon auf Persönlichkeitsmerkmale zurückzuführen ist und wie viel darauf, dass sich Menschen außerhalb der [städtischen] Mittelschicht objektiv einfach nicht mit jemandem wie ihm identifizieren können. Diese Wahl wurde auf dem Lande gewonnen und in den großen Städten verloren.“
Enorme Machtfülle des Präsidenten
Auch die ungarische Wochenzeitung Hvg blickt besorgt auf die Konsequenzen des Wahlausgangs: „Nawrocki erklärt offen, dass er ein Gegengewicht zur Regierung sein will.“ Das Blatt hebt die angespannte Beziehung zwischen dem neuen Präsidenten und der Regierung hervor: „Der neue Präsident wurde von der Regierungsseite im Wahlkampf gleichsam als Krimineller dargestellt. Es ist mehr als fraglich, wie sich das Verhältnis zwischen Nawrocki und der Regierung nach alldem entwickeln wird, ja, es ist sogar nicht auszuschließen, dass die Regierung von Donald Tusk frühzeitig scheitern wird.“ Hvg betont zudem die Macht des Präsidenten: „Schließlich kann das Staatsoberhaupt alle von der Regierungsmehrheit verabschiedeten Gesetze per Veto verhindern.“
Die belgische Tageszeitung De Standaard warnt vor einer politischen Blockade in Polen: „In Polen droht eine weitreichende politische Blockade, die bis zur nächsten Parlamentswahl Ende 2027 dauern könnte.“Besonders der pro-europäische Kurs von Premier Tusk gerate unter Druck: „Seit seinem Amtsantritt Ende 2023 suchte Tusk die Annäherung an Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Die Wahrscheinlichkeit, dass Konfrontationen mit Europa in den nächsten Jahren mit Nawrocki nur noch zunehmen werden, ist groß.“ Für De Standaard ist klar, dass Nawrockis Präsidentschaft die europäische Integration Polens erschweren wird.
Die slowakische Nachrichtenplattform Aktuality.sk glaubt indes: „Mit Nawrocki als Präsident droht dem Land wenigstens keine Annäherung an Moskau.“ Weiter heißt es: „Der von Kaczyńskis PiS-Partei unterstützte Nationalkonservative ist zwar gegen die EU-Integration, er wird sein Land aber nicht an Russland verkaufen.“
Auch bundesdeutsche Medien kommentieren den Wahlausgang mit Besorgnis. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht in Nawrockis Sieg einen Rückschlag für die europäische Integration: „Die Wahl eines PiS-nahen Präsidenten könnte die Spannungen zwischen Polen und der EU verschärfen.“ Weiter jammert die FAZ: „Tusks Reformagenda, die auf eine engere Zusammenarbeit mit Brüssel setzt, steht vor schweren Zeiten.“
Die Süddeutsche Zeitung analysiert: „Nawrockis Wahl zeigt, wie tief die Spaltung in der polnischen Gesellschaft ist.“ Und weiter: „Die ländlichen Wähler haben sich klar gegen den urbanen Kandidaten Trzaskowski entschieden, was die Kluft zwischen Stadt und Land weiter verdeutlicht.“ Die Zeit warnt: „Mit einem Präsidenten, der die Regierung aktiv blockieren könnte, droht Polen eine Phase der politischen Lähmung.“ Und: „Die Hoffnungen auf eine stabile pro-europäische Regierung unter Tusk könnten durch Nawrockis Veto-Macht zunichtegemacht werden.“
Rührende Sorge um EU-Europa
Die Berliner Zeitung betont die außenpolitischen Folgen: „Nawrockis Skepsis gegenüber der EU könnte Polens Rolle in Europa schwächen.“ Das Blatt fügt hinzu: „Während Tusk auf eine engere Zusammenarbeit mit westlichen Partnern setzt, könnte Nawrocki diese Bemühungen torpedieren.“
Die Taz sieht soziale Spannungen heraufziehen: „Die Wahl zeigt, dass die PiS nach wie vor eine starke Basis hat, vor allem auf dem Land.“ Weiter schreibt die Taz: „Trzaskowskis urbane Ausstrahlung hat ihm in den Städten geholfen, aber die ländliche Bevölkerung konnte er nicht erreichen.“ Die Frankfurter Rundschau: „Tusks Regierung muss nun Wege finden, mit einem gegnerischen Präsidenten zusammenzuarbeiten, um eine Blockade zu verhindern.“
Der Spiegel resümiert: „Nawrockis Sieg ist ein Weckruf für Tusks Koalition.“ Die Regierung müsse nun zeigen, dass sie nicht nur gegen die PiS regiert, sondern eine klare Vision für Polen hat.“
Insgesamt zeichnen die Stimmen aus Europas und Deutschlands Presse ein Bild der Sorge über Polens politische Zukunft. Ein antiglobalistischer polnischer Präsident hat der Pseudo-Wertegemeinschaft nun wirklich gerade noch gefehlt. Es kann also nur besser werden.
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