Sie kamen mit einer Hebebühne. Ihre Botschaft: Ein Aufruf zur angeblichen Verteidigung der Demokratie in den syrischen Kurdengebieten. Am Montagnachmittag haben Anhänger der PKK-Schwesternorganisation YPG das Brandenburger Tor besetzt. Alle Hintergründe zum Dauerkonflikt bietet „Die USA, Israel und der Nahe Osten“ von Historiker Rolf Steininger. Hier mehr erfahren.

    Als im Sommer 2016 Aktivisten der Identitären Bewegung auf das Brandenburger Tor kletterten, um dort eine Botschaft gegen weitere Masseneinwanderung zu entrollen, tobte die Mainstream-Presse. Der Senat kündigte sogar an, die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen zu wollen, um ähnliche Proteste in Zukunft zu verhindern.

    Offenbar jedoch mit mäßigem Erfolg: Am Montagnachmittag besetzten Anhänger der Kurdenmiliz YPG, der in syrischen agierenden Schwesterorganisation der Terrororganisation PKK, die 1978 von Abdullah Öcalan gegründet wurde, das Brandenburger Tor. Neben Fahnen der YPG und ihrer politischen Vertretung, der Partei der Demokratischen Union, entrollten die Besetzer ein Banner: „Für Demokratie in Syrien – Rojava verteidigen“. Letzteres ist der kurdische Begriff für weite Teile der traditionell kurdisch besiedelten Gebiete in Nordost-Syrien.

    Kurden in der Defensive

    Hintergrund der Protestaktion sind die zunehmenden Konflikte zwischen der Türkei nahestehenden Milizen rund um die Freie Syrischen Armee (FSA), sowie den kurdischen Volksverteidigungseinheiten um die YPG, die in den Demokratischen Streitkräfte Syriens (SDF) organisiert ist. In den vergangenen Tagen hatten sich die Kurden aus mehrere Städten zurückziehen müssen und befinden sich in der Defensive. Zudem wird befürchtet, dass zeitnah eine Großoffensive der regulären türkischen Armee beginnen könnte, die sich gegen weite Teile der kurdischen Autonomieregion richtet und deren Bestehen ernsthaft gefährdet.

    YPG-Kämpferinnen. Foto: Free Kurdistan, CC BY 2.0, Wikimedia Commons
    YPG-Kämpferinnen. Foto: Free Kurdistan, CC BY 2.0, Wikimedia Commons

    Paradoxerweise waren es jedoch gerade Gruppen wie die YPG, die – insbesondere durch ihr enge Kooperation mit den USA – den syrischen Staat destabilisiert haben. Auf diesem Nährboden konnten Terrororganisationen wie der Islamistische Staat (IS) oder Hayat Tahrir al-Scham (HTS) gedeihen.

    Statt sich in den letzten fast 15 Jahren vom extremistischen PKK-Gedankengut zu distanzieren und eine politische Vereinbarung zur Koexistenz in einem Syrien unter Bashar Al-Assad zu treffen, hat die kurdische Autonomieregion mit ihrer engen Westbindung das Land weiter destabilisiert und in einen Aufmarschort für US-Soldaten verwandelt, die zwar ganz vorne dabei sind, wenn amerikanische Interessen durchzusetzen sind, aber ihre Verbündeten regelmäßig fallen lassen, wie auch die Kurden bereits mehrmals leidvoll spüren mussten.

    Wenn sich nun die einstigen Kampfgefährten aus pro-türkischen Milizen, mit denen als Zweckbündnis in den Anfangstagen des sogenannten Arabischen Frühlings gemeinsam gegen Assad gekämpft wurde, gegen die Kurden wenden, gilt ein altes Sprichwort: Die Revolution frisst ihre Kinder. Und die Türkei, die schon immer große Sorgen vor einem möglichen Kurdenstaat hatte, sieht jetzt nach dem ersten Streich (Assads Sturz) die Stunde gekommen, um mit dem zweiten Streich nachzusetzen. Für die nächsten Jahrzehnte könnten Fakten geschaffen werden, die jeden kurdischen Selbstverwaltungstraum zunichte machen werden.

    Fremde Konflikte auf deutschem Boden

    Doch zurück nach Berlin: Während junge Patrioten auf dem Brandenburger Tor für eine Welle der Empörung sorgen, spricht die Mainstream-Presse bei den kurdischen Besetzern im üblichen Duktus von „Demokratieaktivisten“, die sich um Syrien sorgen würden. Kein Wort über die Nähe der YPG zur – auch in Deutschland verbotenen – PKK.

    Als wäre diese Form der einseitigen Berichterstattung nicht schon bezeichnend genug, kritisiert kein einziges über die Besetzung berichtendes Medium die Instrumentalisierung eines der bekanntesten Wahrzeichen unseres Landes für einen fremden Krieg.

    Als wäre es ganz normal, dass ausländische Extremisten ihre Konflikte nicht nur auf unsere Straßen tragen und unter „Allahu Akbar“ – Gesängen für ihre Siegesfeiern die Weihnachtsmärkte stürmen, sondern nunmehr sogar ein Denkmal im Herzen der deutschen Hauptstadt öffentlichkeitswirksam okkupieren. Unter stillschweigender Duldung des medialen Establishments.

    Über das aktuelle Geschehen hinaus: Im globalen Spiel der Mächte ist der Nahe Osten eines der Hauptfelder der amerikanischen Politik. Die USA sind die entscheidende Macht in der Region, die von strategischer Bedeutung ist. Der renommierte Historiker Rolf Steininger hat mit „Die USA, Israel und der Nahe Osten“ auf der Basis umfangreicher Akten die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung dazu vorgelegt. Ein Werk, das umfassend informiert. Hier bestellen.

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