Brisant: Unternehmer Elon Musk macht den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski für den Tod eines US-Bürgers verantwortlich, der die Regierung kritisiert hatte. Was steckt dahinter? In der neuen COMPACT-Ausgabe „Die blaue Revolution“ findet sich auch der Beitrag „Restrampe Ukraine“, der tief blicken lässt. Hier mehr erfahren.

    Gonzalo Lira, ein chilenisch-US-amerikanischer Filmemacher und Blogger, starb im Januar 2024 in einem ukrainischen Gefängnis, während er auf seinen Prozess wegen „systematischer Rechtfertigung der russischen Aggression“ wartete. In westlichen Medien wurde der Fall kaum beleuchtet.

    Lira, der sich 2010 in der Ukraine niedergelassen hatte, berichtete via Youtube regelmäßig über den Konflikt mit Russland. 2023 wurde er vom ukrainischen Geheimdienst verhaftet. Seine Familie beschuldigte Kiew, für Liras Tod mitverantwortlich zu sein. Jetzt legt Musk auf X nach: „Selenski hat einen amerikanischen Journalisten getötet.“

    Verschwiegene Folter-Praktiken

    Zu fragen ist: Gehören Folter, das Einsperren von Journalisten oder Korruption auf höchster Ebene zu den Werten, für die die Europäische Union steht? Als das Anti-Folter-Komitee des Europarates im August 2020 ukrainische Gefängnisse inspizierte, stellte man zwar fest, dass die Schwere der Misshandlungen durch die Strafverfolgungsbehörden abgenommen hatte, aber es gab immer noch einschlägige Vorkommnisse.

    Resterampe UkraineCOMPACT+ 

    Im Fall eines Gefängnisses erhielten die Inspektoren des Straßburger Europarates sogar Hinweise auf das berüchtigte Waterboarding nach CIA-Manier und Praktiken in Anlehnung an die Roten Khmer, bei denen Gefangenen Plastiktüten über den Kopf gestülpt wurden, um akute Atemnot hervorzurufen.

    Die EU-Untersuchungen lassen nur vage vermuten, unter welchen Bedingungen der chilenisch-US-amerikanische Journalist Gonzalo Lira in der Ukraine inhaftiert war. Der 55-Jährige, der als scharfer Kritiker der Selenski-Regierung galt, war am 11. Januar 2024 nach monatelanger Haft in einem Krankenhaus in Charkow gestorben. Als Interviewpartner von englischsprachigen Alternativmedien wie The Duran war der Blogger, Buchautor und Regisseur hochgeschätzt. Sein Journalismus unterschied sich deutlich von der sonst üblichen Berichterstattung etablierter Medien.

    „Jetzt musst Du raus!“

    Da Lira seit Jahren in der Ukraine lebte, konnte er aus nächster Nähe über den Kriegsverlauf und den Alltag in Charkow berichten. Dabei sprach er die militärischen Probleme der Ukraine ebenso an wie die Rolle des ukrainischen Oligarchen und Medienzaren Igor Kolomoiski beim Aufstieg Selenskis. Obendrein kritisierte er, dass die Amtsführung des Präsidenten zunehmend diktatorische Züge annehme. In Kontinentaleuropa hatte er vor allem Kontakt zu Martin Sellner. Der Österreicher gegenüber COMPACT:

    „Er war schon lange ein Freund von meiner Frau Brittany und kam auch 2019 zu unserer Hochzeit. Er war ein unglaublich lustiger Kerl, wir lachten viel zusammen. Schon lange vor der Eskalation der Kämpfe lebte er in der Ukraine. Als es dann am 24. Februar 2022 losging, sagte ich zu ihm: ‚Jetzt musst du raus, aber schnell!‘ Leider hörte er nicht auf mich. Ihm war das Risiko bewusst, aber er ging es ein.“

    Als Folge seiner kritischen Berichte geriet Lira ins Visier des ukrainischen Geheimdienstes. Schon im April 2022 hatte die Familie für einige Tage den Kontakt zu ihm verloren, er schien wie vom Erdboden verschluckt. Wie er später im Interview mit The Duran erklärte, hatten ihn Geheimdienst-Leute für einige Tage festgenommen und dabei auch Laptop und Telefone beschlagnahmt. Verbunden war die vorübergehende Freilassung nach Liras Angaben mit der Auflage, seinen Wohnort nicht zu verlassen.

    Anfang Mai 2023 schlug Selenskis Stasi dann erneut zu und verhaftete Lira ein weiteres Mal. Vorgeworfen wurde ihm, er habe Materialien, die Russlands bewaffnete Aggression gegen die Ukraine rechtfertigten, hergestellt und verbreitet. Ziemlich offensichtlich handelte es sich dabei um den Versuch, den Regimekritiker einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Gegen Kaution und weitere Auflagen entließ der Geheimdienst Lira Ende Juli erneut aus dem Gefängnis – schon im August wurde er jedoch abermals eingekerkert. Nun lautete die Begründung, Lira habe gegen die Kautionsbedingungen verstoßen.

    Tatsächlich dürfte der ukrainische Geheimdienst akuten Handlungsbedarf gesehen haben, weil Lira unmittelbar zuvor über X mitgeteilt hatte: „Ich stehe kurz davor, die Ukraine zu verlassen und in Ungarn politisches Asyl zu beantragen.“ Hintergrund des Fluchtplans war eine Befürchtung, die sich später als zutreffend herausstellen sollte: „Entweder überquere ich die Grenze und bringe mich in Sicherheit, oder das Kiewer Regime wird mich eliminieren.“ Sellner kommentierte:

    „Warum haben die Behörden Lira nicht einfach ausreisen lassen? Dann wären sie ihn los gewesen. Aber das reichte ihnen nicht, sie wollten ihn vernichten. Man muss sich mal vorstellen, wenn etwas Vergleichbares auf der anderen Seite der Front passiert wäre: Ein US-amerikanischer Blogger lebt in Donezk und wird wegen seiner Berichterstattung ins Gefängnis geworfen. Ein Aufschrei der Empörung wäre um die Welt gegangen. Aber bei Lira protestierten nur wenige. Man muss sich immer vor Augen halten: Er war kein Spion der Russen, er war kein Kombattant, er hat einfach nur im Internet berichtet und kommentiert, was er in der Ukraine erlebt hat.“

    Gonzalos Schwester erhielt am 4. Januar eine handschriftliche Nachricht, in der ihr Bruder über schwere gesundheitliche Probleme klagte: „Ich hatte eine doppelte Lungenentzündung (beide Lungen) sowie einen Pneumothorax und einen sehr schweren Fall von Ödemen. All dies begann Mitte Oktober, wurde jedoch von dem Gefängnis ignoriert. Sie gaben erst bei einer Anhörung am 22. Dezember zu, dass ich Lungenentzündung hatte. Ich stehe kurz davor, einen Eingriff durchzuführen, um den Druck der Ödeme in meinen Lungen zu verringern, der zu extremer Atemnot führt, bis hin zum Umkippen nach geringer körperlicher Aktivität oder sogar nach nur zweiminütigem Sprechen.“

    „Sie haben ihn einfach sterben lassen“

    Am 11. Januar hörte sein Herz auf zu schlagen. Sein Vater erhob schwere Vorwürfe: „Ich kann nicht akzeptieren, wie mein Sohn gestorben ist. Er wurde acht Monate und elf Tage lang gefoltert, erpresst und in Isolationshaft gehalten, und die US-Botschaft hat nichts getan, um meinem Sohn zu helfen. Die Verantwortung für diese Tragödie trägt der Diktator Selenski mit dem Einverständnis eines senilen amerikanischen Präsidenten, Joe Biden.“ Gonzalo sei „wie ein Tier“ in einer Zelle gestorben, schrieb der niederländische Journalist Joost Niemöller. „Die sogenannte demokratische Ukraine, ein Leuchtturm des ‚freien Westens‘, hat ihn einfach sterben lassen.“

    Folgende Tatsachen sind jedenfalls unbestreitbar: Offensichtlich haben die Verantwortlichen in der Ukraine die schweren Gesundheitsprobleme des Häftlings wochenlang ignoriert und erst kurz vor seinem Tod reagiert. Realistisch betrachtet, dürfte dieses Vorgehen kaum ohne Zustimmung hoher Funktionsträger innerhalb des Machtapparats Selenskis geschehen sein: Der Gefangene war immerhin US-Bürger und durch seine kritische Berichterstattung auch international bekannt.

    Dennoch fehlte es in den westlichen Medien an Interesse und Rückendeckung für Lira. Zwar hatten sich Persönlichkeiten wie der Tesla-Chef Elon Musk und Moderatoren-Legende Tucker Carlson für seine Freilassung eingesetzt. Für einen Großteil der westlichen Massenmedien war sein Schicksal aber kein Thema.

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