Papst Leo XIV. startet mit einer schweren Bürde ins Amt: Opfer bezichtigen ihn der Vertuschung von Missbrauch durch kirchliche Würdenträger. Der inzwischen exkommunizierte Erzbischof Vigano bemühte sich schon vor Jahren um Aufklärung. In unserer Spezial-Ausgabe „Das große Erwachen“ arbeiten wir nicht nur diesen Fall auf, Sie finden in dem Heft auch zwei große Grundsatzbeiträge des wackeren Erzbischofs. Hier mehr erfahren.
Selbst im Mainstream pfeift man es von den Dächern: Über dem Pontifikat des neuen Papstes liegt ein dunkler Schatten aus seiner Vergangenheit als Kardinal. „Papst Leo XIV. ist einer von sechs prominenten Kardinälen, die erst im März dieses Jahres von der internationalen Missbrauchsopfer-Vereinigung SNAP angezeigt wurden“, meldet die Frankfurter Rundschau. SNAP steht für Survivors Network of those Abused by Priests (Netzwerk von Überlebenden, die von Priestern missbraucht wurden).
Die Organisation wurde in den USA gegründet, dem Heimatland von Kardinal Robert F. Prevost, wie der neue Pontifex bis gestern noch hieß. „In der Anzeige von Snap wird den Kardinälen {neben Prevost sind dies Peter Erdö, Victor Fernandez, Mario Grech, Luis Tagle, Kevin Farrell} auch vorgeworfen, dass sie in ihrer Zeit als Diözesanleiter sexuellen Missbrauchsvorwürfen gegen Priester und Kirchenmitarbeiter nicht zügig oder umfassend genug nachgegangen seien, sie vertuscht oder mutmaßliche Täter nicht hart genug bestraft hätten“, schreibt der Kölner Express.
Sowohl Prevost als auch die anderen Angezeigten wiesen die Anschuldigungen zurück. Sie verwiesen darauf, dass die meisten Fälle längst durch den Tod der Täter oder einschlägige Urteile der vatikanischen Glaubensbehörde erledigt seien, wie das Domradio aus Köln berichtet.
Die Vorwürfe gegen Leo XIV.
Bei Leo XIV. geht es konkret um Vorkommnisse aus den 1990er Jahren in Chicago sowie Meldungen und kirchliche Maßnahmen ab 2000. Der jetzige Papst war unter anderem als Generaloberer des Augustinerordens in Chicago sowie als Bischof im peruanischen Chiclayo tätig. Ein spezifischer Fall betrifft Richard McGrath, einen Priester in Chicago. Snap behauptet, Prevost habe in diesem Fall nicht ausreichend reagiert, um die Vorwürfe zu untersuchen oder Konsequenzen zu ziehen.

Zudem werfen drei Frauen dem neuen Pontifex vor, zwischen 2006 und 2010 Missbrauchsfälle durch zwei Priester in der Diözese Chiclayo vertuscht zu haben. Laut SNAP habe Prevost weder Ermittlungen eingeleitet noch die Vorwürfe an den Vatikan weitergeleitet oder die beschuldigten Priester diszipliniert. Die Anschuldigungen wurden von der konservativen Zeitung La Nuova Bussola Quotidiana aufgegriffen, die einen Brief der Frauen veröffentlichte. Man konnte dem Kardinal allerdings nichts nachweisen
Pädosexuelles Netzwerk?
Mit der Begründung, einen möglichen Missbrauchstäter oder -vertuscher auf dem Papstthron zu verhindern, hatten bereits vor einigen Jahren konservative Katholiken in den USA für Aufsehen gesorgt. Anlass war damals der Fall des früheren US-Kardinals Theodore McCarrick. Auf Vorwürfe von Missbrauch und Vertuschung, die der ehemalige Washingtoner Nuntius und später – offiziell wegen Unbotmäßigkeit gegenüber Papst Franziskus – exkommunizierte Erzbischof Carlo Maria Vigano im August 2018 veröffentlichte, reagierte der Vatikan 2019 mit einem umfangreichen Dossier – und der Entlassung McCarricks aus dem Klerikerstand.
Über die homosexuellen Umtriebe McCarricks hatte es schon in den 1980er Jahren erste Berichte gegeben. Papst Johannes Paul II. tat sie als Gerüchte ab, auch vor dem Hintergrund, dass der kommunistische Geheimdienst in Polen mit ähnlichen Kolportagen Oppositionelle mundtot gemacht hatte. Sein Nachfolger, der deutsche Kardinal Josef Ratzinger, der als Benedikt XVI. den Stuhl Petri bestieg, nahm die Vorwürfe hingegen ernst.

Ausschlaggebend waren zwei Brandbriefe, die Erzbischof Vigano, damals noch Päpstlicher Delegat im vatikanischen Staatssekretariat, an Benedikt XVI. geschrieben hatte. Daraufhin versetzte der deutsche Pontifex den schwer beschuldigten McCarrick 2006 in den Ruhestand. Er wurde zu einem zurückgezogenen Leben in Gebet und Buße verpflichtet und sollte seine Reisetätigkeit einschränken.
Papst Franziskus hingegen hob das Verdikt 2013 wieder auf und machte den Geschassten sogar noch zu seinem Berater. Vigano, von 2011 bis 2016 Nuntius des Heiligen Stuhls in den Vereinigten Staaten, schlug wieder Alarm: Bis zum Jahr 2017 schrieb er nach eigenen Angaben 17 Briefe an Franziskus, in denen er ihn mit neuerlichen Missbrauchshinweisen über McCarrick zum Einschreiten aufforderte. Vergeblich! Lag der Grund darin, dass Papst und Sexualstraftäter 2001 gemeinsam den Kardinalshut erhalten hatten?
Erst 2018 konnte Franziskus seinen Gesinnungsgenossen nach weiteren Vorwürfen – dieses Mal ging es auch um den Missbrauch eines Minderjährigen – nicht mehr halten. Er schloss ihn im Juli jenes Jahres aus dem Kardinalskollegium aus und entließ ihn im Februar 2019 aus dem Klerikerstand. Doch diese Maßnahmen waren zumindest zum Teil Kosmetik: Noch im September 2018 handelte der angeblich ausgeschlossene McCarrick das Konkordat zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China aus – ein Schlag ins Gesicht der tapferen Untergrundchristen, die in der Volksrepublik politisch verfolgt werden.
Der Aufklärer wird kaltgestellt
Im November 2020 legte das vatikanische Staatssekretariat einen 450-seitigen Untersuchungsbericht in der Affäre McCarrick vor. Alle Vorwürfe gegen den ehemaligen Kardinal wurden darin bestätigt – aber gleichzeitig ausgerechnet Vigano angeklagt, dass dieser nicht energischer eingeschritten sei. Die Rolle von Franziskus als Schutzpatron des viel zu spät Ausgestoßenen blieb dagegen unerwähnt.
Vigano kritisierte damals:
„Die Korruption auf höchster Ebene im Vatikan ist so offensichtlich, dass der Bericht als ein unwürdiger Versuch zu betrachten ist, Bergoglio als eine Art unerbittlichen Bekämpfer der korrupten Kurie erscheinen zu lassen, während die Fakten das genaue Gegenteil beweisen.“
Vigano trieb vor allem die Frage um, welche Seilschaften im Hintergrund McCarrick so lange geschützt haben. Er verwies auf einen vermeintlichen Vorzug, der dessen Aufstieg in der US-Hierarchie der katholischen Kirche begünstigt hat: seine Fähigkeit, große Spendensummen einzutreiben. Woher kamen aber diese Zuwendungen, wenn nicht von den Finanzeliten? Vigano schlussfolgerte:
„Die gleichen Verbindungen, die gleichen Komplizenschaften, die gleichen Bekannten wiederholen sich immer wieder: McCarrick, Clinton, Biden, die Demokraten, die Modernisten und eine ganze Prozession von Homosexuellen und Kinderschändern, das ist nicht irrelevant.“
Kritiker sind der Ansicht, dass Vigano vor allem mit diesem Insistieren den Groll von Franziskus auf sich zog. Exkommuniziert wurde der US-Erzbischof im Juli 2024 schließlich, weil ihm das das Dikasterium für die Glaubenslehre schismatische Bestrebungen vorwarf. Vigano habe „öffentliche Äußerungen“ getätigt, „aus denen eine Leugnung notwendiger Punkte hervorgeht, die für den Erhalt der Gemeinschaft mit der katholischen Kirche notwendig sind“. Konkret hielt man ihm die Leugnung der Legitimität von Papst Franziskus, den Bruch der Gemeinschaft mit dem Papst und die Ablehnung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor.
Kein Ohr für Opfer-Organisation
Während der konservative US-Kardinal Raymond Burke ebenfalls scharfe Kritik an Franziskus übte, stellte sich Prevost auch in diesen Fragen hinter den damaligen Papst. Dass der nun als Papst Leo XIV. amtierende Kleriker reinen Tisch macht, darf bezweifelt werden.
Jesuitenpater Hans Zollner, der als oberster Kinderschutzexperte im Vatikan gilt, kritisierte laut Domradio die Anzeige der Opferorganisation SNAP und erklärte, dass das Thema Missbrauch auch für den kommenden Papst zentral sein werde. Ebenso wichtig wie die Frage, wie sich ein neuer Papst in seiner Vergangenheit verhalten habe, sei laut Zollner das, was er in Zukunft als Papst auf diesem Gebiet zu tun verspreche.
Echte Gottesmänner gegen die Mächte der Finsternis: In unserer Spezial-Ausgabe „Das große Erwachen“ finden Sie nicht nur zwei Grundsatzbeiträge des von Franziskus geschassten Erzbischofs Vigano, wir leuchten auch die dunklen Schatten im Vatikan akribisch aus. Hier bestellen.