Die Jahreszeiten spielten eine zentrale Rolle bei den Festen und Feierlichkeiten der Germanen. Ihr Brauchtum lebt bis heute fort, wie folgende Beispiele zeigen. Ein Beitrag aus COMPACT-Geschichte „Die Germanen“. Alles über die Historie, Kultur und Lebensart unserer Ahnen. Hier mehr erfahren.
Perchtenfest
Am letzten Tag der Raunächte (siehe unten), zumeist um den 2. oder 5. Januar, wird das neue Jahr mit viel Getöse begrüßt. Vor allem im alemannischen Raum finden zu dieser Zeit die Perchtenumzüge statt. Traditionell ziehen dabei zwölf Personen in schaurigen Perchtenmasken, die das alte Jahr symbolisieren, und zwölf Menschen in schöner Verkleidung, die für das neue Jahr stehen, durch die Orte. Über sie wacht Frau Perchta, im Märchen Frau Holle genannt, die der Erdgöttin Frigg in der germanischen Mythologie entspricht.
Die christliche Variante ist der Umzug der Heiligen Drei Könige, der möglicherweise auch heidnische Ursprünge hat. Nach dieser Lesart repräsentieren Caspar, Melchior und Balthasar die Schöpfungsgötter Odin, Hönir und Loki, die aus dem Ginnungagap, der Leere am Anfang aller Zeiten, die Welt erschufen und nun über die Erde wandeln, um neues Leben entstehen zu lassen.
Fasnacht
Zum ersten Neumond nach dem den zwölf Raunächten folgenden Vollmond begingen unsere Ahnen ein Fest, bei dem vor allem der Licht- und Fruchtbarkeitsgott Freyr angerufen wurde. Zu Beginn wurde ein Ritual abgehalten, bei dem eine Strohpuppe, die den Winter symbolisiert, mit einem großen Feuer verbrannt wurde, zumeist auf einem Berg. Danach brachte man ein sogenanntes Disenopfer dar – ein großes Festessen, um Freyr milde zu stimmen. Für die Natur- und Hausgeister sowie die verstorbenen Ahnen wurde mit aufgedeckt. Heute kennt man die Fasnacht als regionalspezifische Form des Karnevals oder Faschings – als letzte Sause vor der vierzigtägigen Fastenzeit, die am Aschermittwoch beginnt und Ostern endet.

Ostara
Ob die Germanen eine Frühlingsgöttin namens Ostara kannten, ist umstritten. Identisch mit Nerthus, die diese Funktion erfüllte, ist sie nicht. Möglicherweise ist Ostara aber eine Variante der Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin Freyja. Gesichert ist, dass unsere Ahnen um den 20. März ein dreitägiges Fest mit verschiedenen Opferritualen feierten, bei dem Fruchtbarkeitssymbole wie Kaninchen sowie bemalte und vergrabene Eier eine Rolle spielten.
Wurden Letztere durch nahestehende Menschen wiedergefunden, sollte dies für Kindersegen im folgenden Jahr sorgen. Die Kaninchen wurden verbrannt oder verspeist. Im 19. Jahrhundert lebten diese Bräuche zu Ostern wieder auf – mit dem Unterschied, dass der Osterhase den Kindern die Eier bringt, statt als Braten im Ofen zu landen.
Walpurgis
Das Fest, auch Hohe Maien genannt, wurde am zweiten Vollmond nach Ostara gefeiert – und zwar nicht nur in der Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai, sondern zwölf Tage lang. Der Name wird oft auf die Heilige Walburga zurückgeführt, er könnte sich jedoch auch auf die Wallburgen beziehen, zu denen die Germanen zogen, um Wettkämpfe abzuhalten, bei denen der Sieger zum Maikönig gekürt wurde. Die Feier ehrte den Fruchtbarkeitsgott Freyr und die Erdgöttin Gerda, durch deren Vereinigung die Natur zu ergrünen und blühen beginnt.
In der verzerrenden Darstellung der Kirche wurde daraus eine große Hexenorgie auf dem Blocksberg im Harz. Grund dafür war, dass der Maikönig und seine auserwählte Braut sich nackt im Morgentau erfrischten. Auf das germanische Frühlingsfest geht zudem der Brauch zurück, einen Maibaum aufzustellen und zu schmücken.
Sommersonnenwende
Am 21. Juni steht die Sonne auf ihrem Höhepunkt: Der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres markieren den astronomischen Sommeranfang. Danach verkürzen sich die Tage immer mehr. Unsere Vorfahren sahen darin eine Entsprechung von Aufstieg und Tod des lichtvollen Gottes Baldur. Zur Tag- und Nachtgleiche im Herbst versinkt dieser dann in der Unterwelt Hel. Seine Frau Nanna, der Abendstern, folgt ihm – die Nächte sind dann wieder länger als der Tag.
Zur Sommersonnenwende werden in den skandinavischen Ländern bis heute Feuer entzündet oder brennende Räder Anhänge hinabgerollt. Sie symbolisieren die Sonne, die von ihrem Zenit herabsteigt. Wer heiraten will, besiegelt dies mit einem Sprung durchs Feuer. Die Germanen schmückten zudem Teiche und Brunnen, aus denen dann das heilige Mittsommerwasser geschöpft wurde.
Erntedank
Zur Tag- und Nachtgleiche im Herbst, zumeist um den 23. September, dankten die Germanen drei Tage lang den Göttern für ihre Ernte. Baldur stirbt, und Iduna wird von den Riesen entführt. Nun kündigt sich Ragnarök – die Götterdämmerung – an, denn die Geraubte ist die Hüterin der heiligen Äpfel, die den Asen ewige Jugend und Unsterblichkeit schenken. Daher wurde als Opfer der letzte Apfel am Baum hängen gelassen. Zu Ehren von Freyr schlachtete man einen Eber, um ihn dann bei einem Festmahl zu kredenzen, und aus den letzten Korngarben vom Feld wurde der Erntedankkranz geflochten.
Tage und Monate
Bei den Germanen begann die Woche mit dem Sonntag, dem Tag der Sonne, der Baldur geweiht war. Montag, der Tag des Mondes, war Heimdall zugeordnet. Über den Dienstag, den Tag des Thingfriedens, wachte Tyr. Der Tag in der Mitte der Woche, der Mittwoch, galt als Odins Tag, der Donnerstag war dem Donnergott Thor (Donar) geweiht. Der Freitag, der Tag der Freyja, war für Verlobungen und Hochzeiten bestens geeignet, am Sonnabend, dem Abend vor dem Sonntag, war waschen und baden angesagt. Diesen Tag haben die Gebrüder Grimm dem Gott Loki zugeordnet.
Auch die germanischen Monatsnamen hatten jeweils eine spezielle Bedeutung:Hartung (Januar):
Härtester Wintermonat.
Hornung (Februar):
Das Wild wirft sein Geweih ab.
Lenzing (März):
Der Frühling kehrt ein.
Ostermond (April):
Zeit des Ostarafests.
Wonnemond (Mai):
Das Vieh wird auf die Weide (wunni) getrieben.
Brachet (Juni): Das Feld liegt brach und wird gepflügt.
Heuert (Juli): Das Heu wird gemäht und eingebracht.
Ernting (August): Zeit der Ernte.
Scheiding (September):
Der Sommer scheidet dahin.
Gilbhart (Oktober):
Die Blätter vergilben und fallen von den Bäumen.
Nebelung (November):
Über Feld und Wald liegen
Nebelschleier.
Julmond (Dezember):
Zeit des Julfests.
Allerheiligen
Bei den Kelten wurde in der zweiten Vollmondnacht nach der Herbst-Tag- und Nachtgleiche Samhain gefeiert, bei den Germanen galt der Vorabend in der Nacht zum 1. November als Beginn des weiblichen Mondjahres: Die Blätter welken, der Winter naht. Daher wurde den Ahnen und Disen (helfende Geistwesen) in Form eines Opfers gedacht, was im christlichen Allerheiligenfest noch nachklingt. Man schmückte gemeinsam die Gräber der Verstorbenen und hielt ihnen zu Ehren einen Festschmaus ab. Die gefallenen Krieger in Walhalla wurden angerufen, damit sie in der bevorstehenden Götterdämmerung aufseiten der Götter tapfer gegen die Riesen kämpfen.
Wintersonnenwende
Der 21. Dezember markierte bei den Germanen den Beginn des männlichen Sonnenjahres. Es folgten das Julfest und die zwölf Raunächte, die jeweils für einen der zukünftigen Monate standen. Es war eine Zeit der inneren Einkehr, des Träumedeutens und der Zukunftsvoraussagen mittels Runenlegens oder Bleigießens. An Mittwinter sind die Nacht am längsten und der Tag am kürzesten – danach scheint die Sonne wieder länger.
Das Julfest symbolisierte Ragnarök: Fast alle Götter sterben, nur Odins Zwillingssöhne Vidar und Vali überleben, um ihren Vater sowie ihren Bruder Baldur zu rächen. Dieser kehrt am Ende zurück – und zeigt, dass das Licht die Dunkelheit besiegt, sodass neues Leben entstehen kann.
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