Um die Linke bei den anstehenden Parlamentswahlen in Frankreich zu bezwingen, ist eine große Koalition der Rechten unumgänglich. Doch Reconquête und die Republikaner zerfleischen sich lieber selbst, während Le Pen dem Treiben zuschaut, um womöglich die Scherben einsammeln zu können. Besser läuft’s in den USA, wo sich jetzt alle hinter einem Mann sammeln. Warum das so ist, lesen Sie in unserer neuen Spezial-Ausgabe über Trump.
_ von Matisse Royer
Erst gestern hatte ich in meinem Beitrag für COMPACT die Möglichkeiten eines Rechtsbündnisses in Frankreich ausgelotet, dabei aber auch schon die Möglichkeit einer Implosion von Reconquête aufgrund der Differenzen zwischen dem Team von Marion Maréchal und dem Team von Éric Zemmour angedeutet.
Nun ist genau das eingetreten. Wie gestern bekannt wurde, sind Marion und ihre Mitstreiter (Nicolas Bay, Guillaume Pelletier, N. Bay, Laurance Trochu) von Zemmour aus der Partei ausgeschlossen wurden. Blicken wir dazu einmal hinter die Kulissen der französischen Rechten.
Le Pen im Zentrum
Der Ursprung der aktuellen Entwicklung scheint Marine Le Pens Hass auf Zemmour zu sein. Die Vorsitzende des Rassemblement National hat den Wahlkampf 2022 nicht vergessen. Diese Kampagne war geprägt von einer scharfen Konfrontation zwischen Zemmour und Le Pen. Diese Wunden sind offenbar noch nicht verheilt.
Diejenigen, die mir auf Twitter folgen, wissen, dass die explosive Beziehung zwischen den beiden Granden der französischen Rechten die Ursache für das Scheitern der Kooperation zwischen Reconquête und dem Rassemblement National (RN) mit Blick auf die anstehende Neuwahl der Nationalversammlung ist. Marine Le Pen lehnt ein Bündnis ab, an dem Zemmour beteiligt ist.

Am Abend der Europawahlen übernahm Marion Maréchal die Führung der Verhandlungen. Es heißt, Zemmour sei darüber nicht informiert worden. Zwei Tage lang kamen die Informationen, die Zemmour erreichten, über die Presse, also durch Leaks. Das ist für zwischenmenschliche Beziehungen nicht ideal.
Ziel dieses politischen Kalküls war zweifelsohne, Zemmour unter Druck zu setzen. Die durchgesickerten Informationen aus der Presse deuteten schon auf den Bruch zwischen den beiden Teams hin. Die Mannschaft von Zemmour, seiner Frau Sarah Knafo und dem Vorsitzenden von Génération Z (Jugendorganisation von Reconquête), Stanislas Rigault stand dem Team von Marion gegenüber, das neben ihr zumindest aus den drei eingangs erwähnten Mitstreitern bestand, die allesamt ins Europaparlament gewählt wurden.
Putsch gegen Zemmour
Am Dienstagabend erklärte Maréchal, dass es ihr aufgrund der Blockadehaltung von Zemmour nicht gelungen sei, eine Vereinbarung für eine Koalition der Rechten zu treffen. Ihrer Meinung nach blockiere Zemmour die Kooperation wegen seiner schlechten Beziehung zu Marine Le Pen seit 2022.
Nach Marions Statement gab Zemmour zunächst an, sich – bis auf TV-Auftritte – weitgehend zurückziehen zu wollen. Er wolle keinen Posten, er kandidiere nicht, er wolle die Vereinigung und wolle die Talente der Partei dabei einbringen. Nach Zemmours Auftritt begrub allerdings RN-Chef Jordan Bardella die angepeilte Union vollständig.

Am Mittwochmorgen bestätigte ein RN-Abgeordneter, Jean-Philippe Tanguy, dass es keine Vereinbarung mit Zemmour und Reconquête geben werde. Von da an begann Zemmour, für einige Wahlkreise Reconquête-Kandidaten zu organisieren.
Am Mittwochabend erklärte Maréchal, dass keine Kooperation zustandekommen werde, da Zemmour schon Kandidaten in Stellung gebracht habe. Zugleich rief sie dazu auf, die Kandidaten der rechten Koalition zu unterstützen. Also Kandidaten ohne das Etikett Reconquête, die vom RN unterstützt werden. Daraufhin erklärte Zemmour, er sei verraten worden und schloss das Team von Marion Marechal aus. Schon seit 2022 gab es Gerüchte über einen Putschversuch gegen Zemmour. Das schien sich am diesen Tag zu bestätigen.
Überlebt Reconquête?
Marion hat angegeben, sich nicht dem RN anschließen zu wollen, sondern den Koalitionsansatz der Rechten zu unterstützen. Sie bleibt damit dem Ohr ihrer Tante Marine Le Pen nahe. Zemmour indes erklärte, von der „Lügnerin Marion“ betrogen worden zu sein. Schließlich strebe er selbst eine Vereinigung der Rechten an, die er „seit 30 Jahren herbeisehnt“. Also schloss er Marion und die anderen wegen Verrats aus, will aber immer noch für eine große Kooperation zur Verfügung stehen, die inzwischen allerdings nahezu unmöglich erscheint.
Die Kampagne von Reconquête und ihre Zukunft selbst sind durch die aktuellen Entwicklungen gefährdet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Partei an diesem Konflikt zugrunde gehen wird. Marion und die anderen sind jetzt ohne Bewegung im Rücken und stehen außerhalb der Koalition der Rechten, die allerdings noch keine erkennbare Struktur hat, zumal es auch bei den Republikanern zu Auseinandersetzungen über eine Kooperation mit Le Pen und ihrem RN gekommen ist. Dort wurde sogar der bisherige Parteichef Éric Ciotti aus der Partei ausgeschlossen, weil er die Fühler in Richtung Le Pen ausgestreckt hatte.
Die Rechte ist – im Gegensatz zur vereinten Linken, die von der radikalen, antikapitalistischen und extremen Linken bis zur linken Mitte der Sozialistischen Partei reicht – nach wie vor gespalten. Dieser linken Volksfront werden aktuell 28 Prozent vorausgesagt. Wie sieht wohl die Zukunft Frankreichs mit einer linksradikalen Regierung aus?
Matisse Royer, Jahrgang 2001, studiert Medizin in Südfrankreich und engagiert sich für soziale und politische Belange auf Korsika, in der Bretagne und darüber hinaus in ganz Europa.
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6 Kommentare
Nicht nur die Rechte, auch die Linke ist zerrissen:
https://www.egaliteetreconciliation.fr/Le-Front-populaire-2024-deja-dechire-entre-Melenchon-et-Glucksmann-75906.html
https://www.egaliteetreconciliation.fr/Le-Front-populaire-2024-deja-dechire-entre-Melenchon-et-Glucksmann-75906.html
Soweit ich das mitbekommen habe, kann der RN in keinem Fall das gesamte Spektrum der Rechten in F. abdecken. Ob Reconquete überlebt oder nicht … irgendwer wird dieses vorhandene Potential irgendwie formulieren. Marine le Pen hat natürlich die Präsidentschaft im Auge … und muss sich dementsprechend positionieren. Aber was sie inhaltlich zu bieten hat, wird für die Zukunft nicht ausreichen die Probleme zu lösen. Es läuft, wie überall in West-, Nord- und Südeuropa darauf hinaus: Entweder die seit Jahrzehnten ein geströmten Invasoren werde überhaupt erst Mal als solche begriffen … und wieder nach Hause geschickt, oder die europäischen Völker, abgesehen von Osteuropa, werden Geschichte sein.
Als Kommentator aus deutscher Sicht kann man dieser Stelle eigentlich nur die aus meiner Sicht absolut zutreffenden Ausführungen des französischen COMPACT-Gastautors Matisse Royer vom Tag nach der Europawahl wiederholen: "Der bürgerliche Nationalismus des RN stellt für alle Europäer ein Problem dar. Er geht einher mit Zentralismus und Chauvinismus sowie der Weigerung, die Realität des großen Austauschs und die Notwendigkeit der Remigration zu erkennen. Dies ist die Quelle der schlechten Beziehungen zwischen dem Rassemblement National und seinen natürlichen europäischen Partnern."
Mme. Le Pen glaubt (ebenso wie leider zahlreiche AfD-Funktionäre) die Macht nur dadurch erobern zu können, indem sie möglichst viele Konzessionen an die "politische Mitte" und sogenannte "Liberalkonservative" macht. Ich glaube nicht an den Erfolg dieses Rezepts. Egal ob in Frankreich oder in Deutschland: Das Machtkartell des "Tiefen Staats" wird jede ernsthafte Wende zum Besseren in den beiden größten EU-Staaten mit allen (!) Mitteln bekämpfen.
Und um etwas in die Zukunft zu blicken: Was nutzt identitären Europäern eine rechtspopulistische Rechte, die sich nur als Erfüllungsgehilfe der USA (unter wem auch immer) sieht? Das ist nicht das Europa, das ich mir wünsche!
Auch in Frankreich wird das rechte Lager durchsetzt sein von Maulwürfen des Staatsdienstes und linken Gutmenschen um einen wirklichen Einfluss in Politik, Justiz und Gesellschaft zu verhindern. Gut als Abgeordneter gibt es schon hohe Diäten und Gehälter um ein ordentlichen Lebensstandart zu haben und traurig aber wahr hat manch Großer vergessen wo er herkommt. Hinterm Rücken wird auch die systemrelevante Medienmafia ordentlich Honorar springen lassen damit dann Funktionäre und Parlamentarier so agieren wie es das Drehbuch vorgibt. Ich schätze Madame Le Pen hat so einen falschen Charakter als Promi in der patriotischen Welt. Einst hat sie ihren Vater als Gründer des FN aus der Partei geworfen weil er zu ewiggestrig ist und dann gab es einen neuen Namen. Naja Ruhe vor dem politischen Gegner und auf der anderen Seite ein Pakt mit dem System sind nur Welpenschutz. Am Ende bei der ganzen Bühnenshow mit schlecht gelernten Gedicht kann es bitter werden. mfg
schade, denn die revolutionären Wellen der letzten Jahrhunderte gingen immer von Frankreich aus, Deutschland kann immer nur nachziehen
Franzosen, Italiener… sind alle mit einem schablonenhaften Nimbus versehen, der dem Schubladendenken der Masse entspringt, praktisch aber nie zugetroffen hat. Am deutlichsten trat dies hervor, als die Misanthropen dieser Erde die "Pandemie" ausriefen.
Die leere Menge als Haltungsmodell… Sollte man unbedingt in Betracht ziehen, um Enttäuschungen vorzubeugen.