Mit Hjalmar Schacht saß ein hochrangiger Freimaurer am Kabinettstisch Hitlers. Er hatte die Nazis von Anfang an unterstützt – und war einer der Wegbereiter des Dritten Reiches. Wie man dennoch die Logen im Dritten Reich diffamierte und gegen sie vorging, lesen Sie in dem einzigartigen Dokumentarband „Im Kampf gegen die Logen: Freimaurerei und Nationalsozialismus“. Quellentexte auf fast 400 Seiten! Hier mehr erfahren.
_ von Guido Grandt
Der Bankier Hjalmar Schacht (1877–1970) wurde 1906 als Mitglied von der Loge Urania zur Unsterblichkeit aufgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er der Loge Zur Brudertreue an der Elbe bei. Dort hieß man ihn 1949 willkommen. Ein leuchtendes Beispiel für humanitären Geist hatte er zuvor allerdings nicht gerade abgegeben.
Schacht fungierte von 1923 bis 1930 und von 1933 bis 1939 als Präsident der Deutschen Reichsbank, von 1934 bis 1937 war er zugleich Wirtschaftsminister. Danach diente er bis 1944 als Minister ohne Geschäftsbereich. Bereits 1926 sympathisierte er mit den Nazis, lernte 1930 Hermann Göring, Joseph Goebbels und Adolf Hitler kennen. Zwei Jahre später unterstützte er als Finanzexperte die NSDAP, forderte mit seiner Unterschrift bei einer Eingabe an Präsident Hindenburg, den Führer der Nationalsozialisten zum Reichskanzler zu ernennen und half später entscheidend mit, die Aufrüstung zu finanzieren.
In London führte er sogar Verhandlungen über die „Aussiedlung von Juden“, die als sogenannter Schacht-Rublee-Plan in die Geschichte einging. Das tat er, obwohl er zunächst den Standpunkt vertrat, dass die NS-Rassenpolitik der deutschen Wirtschaft nicht nur schaden, sondern sie auch ruinieren würde, weshalb er die diskriminierende Behandlung von Unternehmen mit jüdischen Inhabern grundsätzlich ablehnte.
Lob für die Nürnberger Gesetze
Allerdings hieß er die 1935 erlassenen Nürnberger Gesetze ausdrücklich gut: „Ich begrüße … die Nürnberger Gesetze, dass er {„der Jude“} wieder zurückgedrängt ist in sein, ich kann ruhig sagen, Ghetto.“ Und er teilte das nationalsozialistische Staatsziel, Juden in der Gesellschaft zu isolieren. Ferner sagte Schacht:
„Die Juden müssen sich damit abfinden, dass ihr Einfluss bei uns ein für alle Mal vorbei ist. Wir wünschen, unser Volk und unsere Kultur rein und eigen zu halten.“
An anderer Stelle meinte der Bankier, dass „kein Jude (…) Volksgenosse sein“ dürfe und befürwortete die gesetzliche Diskriminierung aller deutschen Juden, die sie zu „Staatsbürgern minderen Rechts“ erklärte. Schacht deutete bei einer Rede 1935 in Königsberg auch an, dass er sich mit dem sogenannten Blutschutzgesetz anfreunden könne, das eine Heirat zwischen Nichtjuden und Juden verbot und zudem jeden außerehelichen Geschlechtsverkehr mit Zuchthaus bestrafte. Der Reichswirtschaftsminister erhielt zudem das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP.
Dennoch kühlte sich ab 1937 sein Verhältnis zu den Nazis ab. Schacht wurde 1944 wegen der Mitverschwörung beim Attentat auf Hitler verhaftet und in einer der sogenannten Prominentenbaracken interniert. Amerikanische Militärstaatsanwälte stellten ihn wegen „Verschwörung zur Herbeiführung des Krieges“ und der „Teilnahme an den Vorbereitungsmaßnahmen“ vor das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, wo er freigesprochen wurde.
In Nürnberg freigesprochen
Aufgrund des Entnazifizierungsgesetzes galt er den westdeutschen Behörden dennoch als belastet, weil er der „nationalsozialistischen Gewaltherrschaft außerordentliche wirtschaftliche Unterstützung“ gewährt hatte. Er wurde zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt, bis 1948 inhaftiert und im Berufungsverfahren freigesprochen. 1953 gründete er die Außenhandelsbank Schacht & Co. in Düsseldorf.
Christopher Kopper schreibt in seinem Buch Hjalmar Schacht – Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier:
„Seine {Schachts} Selbsterklärung, er habe sich dem NS-Regime nur aus patriotischen Motiven zur Verfügung gestellt und sei im Amt geblieben, um Schlimmeres zu verhüten, war ausgesprochen fragwürdig – aber fand in der alten (und neuen) Verwaltungselite und in den führenden Wirtschaftskreisen der Bundesrepublik durchaus Zustimmung.“
1953 veröffentlichte der Bankier seine Memoiren unter dem Titel 76 Jahre meines Lebens, die, so Kopper, „voller Ressentiments gegen deutsche wie gegen deutsch-amerikanische Juden“ steckten. Der Biograf des Reichsbankpräsidenten schreibt: „Schacht war nach dem Krieg zumindest phasenweise stärker antisemitisch eingestellt, als er es während der Herrschaft des Nationalsozialismus je war.“
Festes Bruderband
Noch ein anderes maurerisches Klüngelspiel, das bis jetzt nicht als solches erkannt worden ist, spielte sich ab: In der Phase zwischen dem Freispruch des Internationalen Militärtribunals und dem Entnazifizierungsverfahren deutscher Behörden gegen ihn fuhr Schacht von Bayern, wo seine Anwälte einen „vorläufigen Freibrief“ erwirkt hatten, nach Baden-Württemberg zu einem Freund.
Der Nürnberger Polizeipräsident informierte die württembergische Landesregierung von dieser Reise, woraufhin der Minister für Politische Befreiung sofort einen Haftbefehl gegen den früheren Reichsminister erließ. Doch der liberale Ministerpräsident Reinhold Maier wollte Schachts Verhaftung ohne großes Aufsehen verhindern und ließ ihm über Umwegen eine Warnung zukommen. Dennoch wurde er festgenommen, weil er den Hinweis nicht ernst nahm. Fakt ist jedoch, dass der Ministerpräsidenten ihn illegalerweise warnte.
Der Vorgang wird verständlich, wenn man weiß, dass Reinhold Maier selbst ein sehr aktiver Freimaurer war. Von 1924 bis 1933 war er Mitglied der Loge Zu den Drei Cedern in Stuttgart und 1946 sogar Gründungsmitglied der Stuttgarter Loge Furchtlos und Treu, der er bis zu seinem Tod angehörte. Er versuchte also seinem Logenbruder Schacht aus der Klemme zu helfen. Unter anderem zu diesem Zweck war ja auch das „Bruderband“ geknüpft worden.
„‚Bruder‘ Hjalmar Schacht stellt zweifellos für die Geschichte der deutschen Freimaurer eine Belastung dar“, bekennt Freimaurer und Journalist Tom Goeller daher auch reumütig. In seinem Buch Freimaurer – Aufklärung eines Mythos hält er fest:
„Unabhängig von den gerichtlichen Freisprüchen hätte er 1949 nicht mehr in eine Loge aufgenommen werden dürfen. Denn es ist unstrittig, dass er ein entscheidender Steigbügelhalter auf Hitlers Weg zur Macht war. Das alleine hätte genügen müssen, ihn aus der Freimaurerei für immer auszuschließen. Leider muss indes vermutet werden, dass sich die Hamburger Loge ‚Zur Brudertreue an der Elbe‘ 1949 eher geschmeichelt fühlte, einen ‚namhaften‘ Freimaurer zu ihren Mitgliedern zählen zu können, als einen Helfershelfer Hitlers zu bannen; ein weiterer Fleck in der Geschichte der deutschen Freimaurer.“
_ Guido Grandt (*1963) ist Journalist und Autor zahlreicher Bücher. Zudem hat er für öffentlich-rechtliche, private und ausländische TV-Sender über 300 Filmbeiträge recherchiert, gedreht und produziert. Seit 2009 ist er Inhaber des Gugra-Media-Verlags.
Eine ebenso erschreckende wie aufschlussreiche Dokumentation: In dem Buch „Im Kampf gegen die Logen: Freimaurerei und Nationalsozialismus“ erfahren Sie, wie man die Logen im Dritten Reich diffamierte und gegen sie vorging. Quellentexte auf fast 400 Seiten! Hier mehr erfahren.
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