Vor der vorgezogenen Neuwahl des französischen Parlaments verhandeln Rassemblement National, die Republikaner und Reconquête über ein gemeinsames Vorgehen nach Vorbild der Linken. Doch die Verhandlungen haben schon früh einen Dämpfer erhalten. Differenzen bestehen vor allem bei der Remigration. Martin Sellner hat ein ganzes Buch darüber geschrieben. Hier mehr erfahren.
_ von Matisse Royer
Die französische Politik ist nach dem Sieg des Rassemblement National (RN) bei der Europawahl in Aufruhr. Das Ergebnis der Partei von 31,4 Prozent gilt sowohl auf der Linken als auch auf der Rechten als politisches Erdbeben. Der massive Gewinn gestaltet die Machtverhältnisse neu und ruft kontroverse Reaktionen hervor.
Angesichts des Aufstiegs der RN hatte die Linke bereits 2022 eine Koalition, die sogenannten Nupes, gebildet, in der die Grünen, die Sozialistische Partei, die Kommunistische Partei und die Linkspopulisten von Jean-Luc Mélenchons La France insoumise zusammenkamen, um gegen das zu kämpfen, was sie als „Faschismus“ und „Nazismus“ bezeichnen. Diese Linkskoalition gewann damals 150 Sitze in der Nationalversammlung, während der RN 88 Sitze erhielt, was bereits einen historischen Sieg für die Partei von Marine Le Pen bedeutete.
Le Pens neue Volkspartei
Nun erwägen die Linken, diese Volksfront zu erneuern, um dem entgegenzuwirken, was sie als Bedrohung für die Demokratie wahrnehmen. Allerdings hat sich die politische Landschaft verändert: 94 Prozent der französischen Gemeinden haben Jordan Bardella, den Spitzenkandidaten des RN, auf den ersten Platz gewählt, wodurch die Partei enorm gestärkt wurde – auch mit Blick auf die von Macron anberaumten Neuwahlen des nationalen Parlaments.

Der Rassemblement National hat sich bei der Europawahl als stärkste Partei bei den Einkommensschwachen (51 Prozent), aber auch bei Führungskräften, Angestellten und Angehörigen der mittelständischen Berufe durchgesetzt. Das zeigt, dass sich das gesamte französische Volk zunehmend dem RN zuwendet.
Republikaner gespalten
Angesichts dieses Aufschwungs erwägt der Vorsitzende der Republikaner (Les Républicains, LR), Éric Ciotti, ein Abkommen mit dem RN zu schließen – ein historischer Schritt für diese traditionell konservative, gaullistische Partei, die in etwa mit der alten CDU/CSU vergleichbar ist.
Dieser Vorstoß könnte die Republikaner (Europawahl-Ergebnis: 7,3 Prozent) spalten, da sich deren linker Flügel Emmanuel Macron und seiner Partei Renaissance (früher La République En Marche) anschließen könnte, indem er ein Bündnis mit dem RN nach dem Prinzip des Cordon sanitaire ablehnt. Der RN hat seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bereits gezeigt, indem er in einigen Wahlkreisen keinen eigenen Kandidaten gegen die Republikaner aufgestellt hat – eine Strategie, die darauf abzielt, potenzielle Bündnisse zu stärken.
Zemmour ist der französische Max Krah
Zugleich verhandelte auch die Rechtspartei Reconquête (Europawahl-Ergebnis: 5,5 Prozent) mit dem Rassemblement National über eine Kooperation bei den Parlamentswahlen. Für EU-Spitzenkandidatin Marion Maréchal gestaltete sich dies von Anfang an schwierig.
Parteichef Éric Zemmour und seine Ehefrau Sarah Knafo hatten sich für eine andere Strategie entschieden. Sie wollten auch bei der Nationalratswahl die Konfrontation mit dem RN suchen, während Marion einen kooperativen Ansatz wählte.

Marion vertritt die Ansicht, dass Reconquête viel mehr die Linke als die Rechte angreifen müsse, dass der RN als Spitzenreiter akzeptiert werden müsse und dass ihre Partei einen Ausgleich mit dem RN suchen müsse, um bei der Parlamentswahl auf einen gemeinsamen Sieg zusteuern zu können. Zemmour geht es hingegen weiterhin darum geht, den Betrug des RN an seinen Wählern zu entlarven. Er will der Ausgleich zwischen den Enttäuschten des RN und der Republikaner sein.
Die Verhandlungen mit Reconquête wurden jedoch abrupt beendet, als Marine Le Pen gestern bekannt gab, dass sie jegliche Verbindung mit Zemmour ablehnt. Diese Entscheidung wirft Fragen zu Le Pens Beweggründen auf. Die Wunden der Kampagne von 2022, die von Spannungen zwischen Le Pen und Zemmour geprägt war, scheinen noch nicht verheilt zu sein.
Darüber hinaus nimmt man Zemmours konsequente Pro-Remigrations-Linie als unvereinbar mit dem bürgerlichen Nationalismus des RN wahr. Hier wird einmal mehr die bemerkenswerte ideologische Diskrepanz zwischen den beiden Rechtsparteien deutlich, die bereits dazu geführt hatte, dass Le Pen den AfD-Politiker Maximilian Krah auf der europäischen Bühne aus dem Weg geräumt hatte.
Rechtsblock notwendig
Trotz seines Europawahl-Sieges steht der RN also vor komplexen Herausforderungen: Die Differenzen mit Reconquête könnten die rechte Wählerschaft fragmentieren, was die Linksunion und die präsidiale Mehrheit begünstigen würde.

Marion Maréchal bekräftigte zwar ihren Willen, die Ideen von Reconquête weiterhin zu verteidigen und ihren Kampf im Europäischen Parlament fortzusetzen. Doch die Unfähigkeit der Rechten, sich zu vereinen, könnte zu ihrer Niederlage bei der anstehenden Parlamentswahl führen. Dabei wäre gerade wegen des bei diesem Urnengang geltenden Mehrheitswahlrechts die Einheit der Rechten wichtig, da sie einem Block der radikalen Linken und einem zentristischen Block von Macron gegenübersteht.
Der Ball liegt beim Rassemblement National
Die kommenden Tage werden für die politischen Bündnisse entscheidend sein, da die Aufstellung der Kandidaten bis zum 16. Juni abgeschlossen sein müssen. Die Lage ist unklar, wobei sich das politische Kalkül ständig ändert. Wenn der RN nach der Europawahl auch die nationalen Parlamentswahlen gewinnen will, sind Bündnisse unumgänglich.
Das Abkommen mit den Republikanern scheint weiterhin zu stehen, aber Reconquête wird nach derzeitigem Stand außen vor bleiben. Die große Frage ist nun: Werden die Führungskräfte von Reconquête ihren Gründer und Vorsitzenden Eric Zemmour zugunsten einer vom RN kontrollierten Wahlplattform fallen lassen, um im Gegenzug die Perspektive auf eine mögliche Regierungsbeteiligung unter Le Pen zu erhalten?
So markiert der EU-Wahlsieg des RN keineswegs einen Abschluss, sondern öffnet ein neues Kapitel der Rivalitäten und Strategien in der politischen Landschaft Frankreichs. Die Herausforderung für Jordan Bardella und Marine Le Pen wird darin bestehen, diesen Sieg des Volkes in eine parlamentarische Mehrheit umzuwandeln und gleichzeitig die Spannungen und komplexen Allianzen, die sich auf der Rechten abzeichnen, zu managen.
Matisse Royer, Jahrgang 2001, studiert Medizin in Südfrankreich und engagiert sich für soziale und politische Belange auf Korsika, in der Bretagne und darüber hinaus in ganz Europa.
Remigration: Tabu oder Notwendigkeit? Martin Sellner liegt auf einer Linie mit Zemmour und sagt: Die Rückführung illegaler Migranten ist das Gebot der Stunde. Sein Buch „Remigration – Ein Vorschlag“ ist hier erhältlich.
6 Kommentare
Schöner Artikel, bitte an den Aussenminister durchreichen. Bis jetzt sind es nur innere Angelegenheiten von La France.
Wo bleibt eigentlich Die Partei "Die Patrioten", die, glaube ich, vom ehemaligen Generalsekretär von Marie Le Plan gegründet wurde? Davon hört man gar nichts mehr.
Pfff. "Republikaner", auch so ein mehrmals umbenanntes Parteienkonstrukt (damals von Sarkozy… war glaube ich die Zeit wo Tochter Le Pen einen gewissen Bruno aus der RF gedrängt hatte. Einen Parteifreund von Le Pen Senior). Und wenn sie (die Repse) sich in der Tradition eines Verbrechers Gaulle sehen, dann sehen Sie sich in der Tradition der bolschewistischen Partisanenbande die im damaligen Frankreich für Sabotage, Spionage, Mord und Terror mit Recht (geltende Langkriegsordnung zu Nichtkombattanten… Russland erschießt gegenwärtig auch die Söldner in Ukraine auch als Nichtkombattanten) gejagt und standrechtlich erschossen wurden. Und in Tradition ihrer ebenso verbrecherischen Kolonialtruppen gegenüber Deutschen.
Und Krah sollte man als stolzer Deutscher der sich seines Volkes bewusst ist auch nicht über Gebühr loben. Krahs Volksbegriff passt doch wunderbar zu Le Pens neuer Mischmaschmasse. Jeder der Französisch spricht, ein bisschen Brauchtumspflege betreibt, ist für Krah Franzose. Denn das sagte er im Format "Jung und Naiv" in Hinsicht auf die Frage wer für ihn Deutscher sei. Auch das sowjetrussische Geschichtsbild 1:1 als Deutscher übernehmen spricht nicht für ihn.
Kontinuität ist nicht nur in der Gegenwart gegenüber ausländischen Diktaten gefragt sondern auch in Hinsicht auf das Nürnberger Diktat.
Le Pen produziert den Eindruck, dass sie ihren RN strategisch nur als Präsidentin-Wahlverein trimmen will. Ob sie den Mantel der Geschichte, der ihre Partei jetzt gestreift hat, wirklich ergreifen kann? Oder ob der siegreiche Sunnyboy Bartella angewiesen ist, ihn gleich wieder fahren zu lassen? Sieht alles sehr rutschig und wenig zielfokussiert aus …
Ganz schönes Kuddelmuddel…
Alle diese Personen wie Le Pen, Meloni, Weidel, Chrupalla und zu viele noch in der AfD, haben den ernst der Lage immer noch nicht in ihr kleingeistiges Gehirn bekommen. Immer noch spielen sie nur Politik. Es ist zum verzweifeln wie dumm diese Menschen sind.