Nein, von erhöhten Benzinpreisen ist kaum noch die Rede. Es geht ums Ganze, um politischen Richtungswechsel, um den Rücktritt des französischen Präsidenten Macron. Das forderten gestern insgesamt ca. 125.000 Franzosen im ganzen Land. Viele Bürger waren aus dem Umland zu den Pariser Protesten angereist. Macron ließ die Polizei mit ca. 1385 Inhaftierungen antworten. Die Zahl der Verletzten liegt – nach unterschiedlichen Schätzungen – zwischen 130 und 180 Personen, darunter 17 Polizisten.
Paris glich gestern einem Kriegsschauplatz: Tränengas, Pfefferspray und Feuerrauch mischten sich in den Straßen, Pflastersteine flogen die Rauchschwaden. Drohnen und Helikopter überflogen das Protest-Szenario. Anderseits gab es Demonstranten, die sich von Sachbeschädigung deutlich distanzierten, gingen mit erhobenen Armen durch die Straßen. Einige versuchten sogar die Flower-Power-Methode und verteilten Blumen an die Einsatzkräfte.
So unterschiedlich der Ausdruck des Protests, in der Forderung herrschte weitreichende Einigkeit.
Die Botschaft der Demonstranten, auf Transparente oder gleich auf die gelbe Weste geschrieben, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Nieder mit dem Geld-König“ – wodurch Macron mit Ludwig XVI. und die gelben Westen mit den französichen Revoluionären anno 1789 gleichgesetzt werden.
In Pouzin (Ardèche) findet sich gar eine Guillotine mit Plastikkopf. Aufschrift: „Alles Gute zum Geburtstag Manu“. Auf einer Holzwand in Paris ist zu lesen: “Du wirst Weihnachten nicht mehr erleben, Emmanuel!“ Und die Versicherung, dass die Proteste weitergehen werden: „Wir kommen am nächsten Wochenende wieder“.
Unerwartete Solidarität erhielten die „gelben Westen“ von dem in Frankreich wohnenden Hollywood-Star Pamela Anderson. Die schrieb auf antikrieg.com:
„Die „Gelben Westen“´(…) sind eine Massenbewegung des Volkes gegen das derzeitige Establishment. Es ist eine Revolte, die in Frankreich seit Jahren brodelt. Eine Revolte der einfachen Menschen gegen das gegenwärtige politische System, das – wie in vielen anderen westlichen Ländern – mit der Elite zusammenwirkt und seine eigenen Bürger verachtet.“
Zwar distanziert sie sich von den Gewaltausschreitungen: „Ich bin eine engagierte Pazifistin. Ich verabscheue Gewalt.“ Aber „ich weiß auch, dass, wenn Proteste mit Gewalt enden, es allzu oft das Versagen und die Schuld des Staates ist. Das Versagen des Staates, den Menschen Gehör zu verschaffen.“ Auf den Punkt gebracht: „Was ist also die Gewalt all dieser Menschen und verbrannten Luxusautos im Vergleich zur strukturellen Gewalt der französischen und globalen Eliten?“
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