Lange Finger in Moskaus Kassen. Eingefrorene Milliarden, die seit Kriegsbeginn in den Tresoren von Brüssel bis Frankfurt ruhen, sollen jetzt die Ukraine retten. Deutschland und mehrere EU-Partner preschen vor: Russisches Staatsvermögen könnte künftig auch ohne Einstimmigkeit freigegeben werden. Moskau droht mit Konsequenzen. Welche Folgen das haben kann, erfahren Sie in COMPACT: Der Totengräber. Wie Merz Deutschland das Grab schaufelt. Der Kanzler verschärft die Krise. Lesen Sie mehr.
Die offizielle EU-Begründung wirkt technokratisch: Russlands Krieg belaste Europa schwer, daher müsse verhindert werden, dass eingefrorene Gelder nach Moskau zurückfließen. Die neue Verordnung soll noch vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche beschlossen werden.
Achtung: Wo früher Einstimmigkeit galt, soll künftig ein Mehrheitshebel greifen. Für Kritiker ist das ein Dammbruch. Staaten wie Ungarn, die russisches Vermögen nicht antasten wollen, könnten nun überstimmt werden. Milliarden sollen als langfristige Kredite an die Ukraine fließen – Kredite, die Russland eines Tages zurückzahlen müsste. Einmal etabliert, könnte dieser Mechanismus schnell in anderen Bereichen auftauchen: etwa bei Energie, Haushaltsregeln oder nationalen Finanzpolitiken.
Die Linie stand schon lange fest
Möglich machen soll das Artikel 122 des EU-Vertrags, ein Krisenparagraf, der bei „gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ aktiviert werden kann, ein Begriff, den Brüssel zunehmend flexibel auslegt.
Auch die EU-Führung selbst hat in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich gemacht, wohin die Reise gehen soll. Bereits 2022 erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, man werde „russische Vermögenswerte einfrieren und sicherstellen, dass kein Euro zurück in die Kriegskasse Moskaus fließt“ und legte 2023 im EU-Parlament nach: die Union müsse Wege finden, „eingefrorene russische Gelder sinnvoll und nachhaltig zu nutzen, auch für den Wiederaufbau der Ukraine“.

Unterstützung kam damals auch aus Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz betonte nach einem Gipfel im April 2022, die Maßnahmen müssten Russland „dort treffen, wo es weh tut“. Auch EU-Außenbeauftragter Josep Borrell schloss sich der Auffassung an, man müsse „alles tun, um russische Finanzkapazitäten zu blockieren und gleichzeitig die Ukraine zu stärken“.
Der Schlüssel im Büro von Bart De Wever
Der finanzielle Drehpunkt liegt dabei in Belgien. Dort verwaltet der Finanzriese Euroclear rund 185 der insgesamt 210 Milliarden Euro russischen Zentralbankvermögens und genau deshalb kommt der belgischen Regierung eine Schlüsselrolle zu.
Im Zentrum steht Premierminister Bart De Wever, der sich seit Wochen öffentlich gegen das Vorhaben positioniert. Als Regierungschef des Landes, das den mit Abstand größten Teil der eingefrorenen Gelder hält, warnt De Wever vor erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken. Russland könnte im Gegenzug ,,europäische Firmen enteignen oder Bürger bestrafen“, sollte Brüssel Milliarden verschieben, Belgien wäre als Verwahrland davon besonders betroffen.
,,europäische Firmen enteignen oder Bürger bestrafen“
De Wever stellt deshalb drei klare Bedingungen, bevor sein Land überhaupt zu einer Zustimmung bereit ist: Erstens verlangt er eine vollständige Vergemeinschaftung aller möglichen Risiken, damit Belgien nicht allein für eventuelle Schäden aufkommen muss. Zweitens fordert er sofort verfügbare finanzielle Garantien, die im Ernstfall abgefedert werden können. Drittens drängt er auf einen umfassenden Schutzschirm für alle Bürger und Unternehmen, die von möglichen russischen Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein könnten.
Der Kreml droht
Offizielle neue Stellungnahmen aus Moskau liegen noch nicht vor. Doch die Linie des Kreml ist seit Jahren klar dokumentiert. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte bereits nach Kriegsbeginn 2022 ähnliche Überlegungen „schlichten Diebstahl“. Ein Jahr später sprach er von einem „klaren Verstoß gegen internationales Recht“, Anfang 2024 warnte er öffentlich, jede Enteignung werde „Konsequenzen“ haben.
Auch das russische Außenministerium unter Maria Sacharowa feuerte mehrfach scharf auf EU-Pläne dieser Art. Sie sprach in der Vergangenheit von „moderner Piraterie“, warf Brüssel „Enteignung im Kolonialstil“ vor und erklärte, solche Schritte würden „Europas eigene Rechtsordnung zerstören“.
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