Wer den Begriff Wirtschaftswunder hört, der denkt an Toast Hawaii, Heinz Erhardt, Fritz Walter – und an Opel. Dass die einstige Volksmarke jetzt nur noch Ladenhüter vom Band lässt, ist nicht nur ein hausgemachtes Problem, sondern liegt auch an der notorischen Russenfeindlichkeit der Regierung. (Es folgt Ausschnitte aus der aktuellen COMPACT – hier zu bestellen)

    _ von Sven Reuth

    Außer Care-Paketen und Elvis Presley symbolisiert wohl nichts so sehr wie die Autos von Opel die deutsch-amerikanische Freundschaft der frühen Bundesrepublik. Die im hessischen Rüsselsheim hergestellten Fahrzeuge waren Träume aus Stahl und Chrom, mit Panoramascheiben, Haifischmäulern, Heckflossen und Zweifarbenlackierungen. Mondänes Ami-Design, nach dem man zwischen Flensburg und Freising damals lechzte, paarte sich mit solider deutscher Wertarbeit – und das alles zu bezahlbaren Preisen.

    Die Geschichte dieser Leidenschaft reicht jedoch weiter zurück. Schon im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde die Adam Opel AG vom US-Autoriesen General Motors (GM) übernommen – eine Verbindung, die sich zumindest in den ersten Nachkriegsjahrzehnten noch auszahlte. Das Unternehmen traf schlafwandlerisch den Nerv der Zeit, auch als die Modellpolitik in den 1960er Jahren auf eine neue Sachlichkeit ausgerichtet wurde. In einem neuen Werk in Bochum wurde ab 1962 der preisgünstige Kadett hergestellt, mit dem Opel nun auch den Massenmarkt aufrollte und zum größten Konkurrenten der Wolfsburger Platzhirsche von Volkswagen aufstieg. Noch fuhr man in Rüsselsheim auf der Überholspur.

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    Opels Osterweiterung

    In 1970er Jahren, als zunehmend Leistung und Temperament gefragt waren, traf man die Wünsche junger, sportbegeisterter Käufer mit dem nach einem Stachelrochen aus dem Roten Meer benannten Manta (siehe Infobox Seite 34). Der bewährte Kadett erklomm im folgenden Jahrzehnt regelmäßig Platz 1 der Zulassungsstatistik. In den 1990er Jahren war Opel der Trikotsponsor des FC Bayern München und sorgte nach der Wiedervereinigung maßgeblich dafür, dass die stolze Automobilbau-Tradition im Osten nicht abbrach.

    Am 5. Oktober 1990 – zwei Tage nach der deutschen Einheit – rollte in dem alten Eisenacher Werk des DDR-Herstellers Wartburg der erste in Thüringen produzierte Opel Vectra vom Band. 200 Beschäftigte, die von dem Unternehmen zuvor monatelang in Rüsselsheim ausgebildet worden waren, hatten ihn aus vorgefertigten Karosserieteilen zusammenmontiert. In den Folgejahren tätigte Opel in Eisenach die erste Milliardeninvestition eines westlichen Herstellers in den neuen Bundesländern und errichtete ein hochmodernes Montagewerk.

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    Im Jahr 1998 feierten Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Präsident Bill Clinton dieses wirtschaftspolitische Symbol der deutschen Einheit mit einem gemeinsamen Besuch, aber da war in dem Unternehmen schon längst der Wurm drin. Viele datieren den Beginn der Krise auf das Wirken des spanischen Managers José Ignacio López, der von 1987 bis 1993 bei Opel unter Vertrag war, sich als gnadenloser Kostendrücker erwies und zur Symbolfigur eines vom kurzfristigen Einsparungswahn getriebenen Leuteschinders wurde. Aufgrund der langjährigen Produktzyklen in der Automobilindustrie machte sich seine Kostendrückerei in der Qualität erst mit Verzögerung bemerkbar, aber der Ruf von Opel litt zunehmend unter Medienberichten über Mängel bei der Verarbeitung und in der Zuverlässigkeit. Von 1997 bis 2002, in nur fünf Jahren also, schrumpften Absatz und Marktanteil in Deutschland um gut ein Drittel. Parallel dazu musste Opel in den letzten Jahrzehnten immer wieder wertvolle Patente und Neuentwicklungen an die GM-Mutter am Detroit River abgeben. Im Gegenzug verschob diese oftmals Verluste, die im Konzern entstanden waren, in die Bilanzen der europäischen Standorte.

    Verschmähte Liebesgrüße aus Moskau

    Teilweise wurden Gewinne, die von Opel Deutschland erwirtschaftet wurden, über das sogenannte Cash-Pooling, ein konzerninternes Verrechnungssystem, nach Michigan transferiert. Das «Siechtum made in USA» (Handelsblatt, 2012) schlug sich auch in ständigen Personalrochaden an der Spitze der Adam Opel AG nieder. Zwischen 1970 und 2012 gaben sich 14 Vorstandsvorsitzende die Klinke in die Hand, viele davon US-Amerikaner, die nur wenig vom deutschen Markt verstanden.

    Der schwerste Schlag ins Kontor war aber die in Detroit gefällte Entscheidung, Opel von den meisten der wachstumsstarken außereuropäischen Absatzmärkte fernzuhalten, um diese mit anderen Marken aus dem GM-Konzernverbund zu bedienen. Dort, wo das Geld zu verdienen war, durften die Rüsselsheimer gar nicht erst auftreten – die absehbare Folge war eine gar nicht mehr enden wollende Serie an Verlustjahren.

    Viele Opelaner hätten es deshalb gern gesehen, wenn es im Mai 2009 zu der geplanten Übernahme durch den kanadisch-österreichischen Automobilzulieferer Magna von Frank Stronach gekommen wäre, um sich dem Würgegriff der US-Mutter zu entziehen. (…)

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    Der Magna-Deal, der von der Belegschaft und auch weiten Teilen des heimischen Managements begrüßt worden wäre, scheiterte am Ende aber auch an außenpolitischen Ressentiments. Stronach hatte angeboten, zwei mächtige russische Partner – die Sberbank des früheren Wirtschaftsministers Herman Gref und den traditionsreichen Autokonzern GAZ – mit ins Boot zu holen, um dann gemeinsam den Markt des flächengrößten Landes der Welt aufzurollen. Historisch wäre das nichts Neues gewesen, denn schon das 1946 aufgelegte GAZ-Modell Pobeda basierte auf dem in Deutschland entwickelten Opel Kapitän. Die automobile Achse Rüsselsheim – Wien – Moskau kam aber nicht zustande, weil wieder die üblichen kurzsichtigen Reflexe ausgelöst wurden. «Putin zieht die Fäden», schnappatmete die Westdeutsche Zeitung, und Springers Welt machte sich Sorgen über den «Zugriff auf deutsche Autotechnologie». (Ende der Auszüge. Weiterlesen können Sie hier)

     

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