Sie ist das berühmteste Opfer des Sexualverbrechers Jeffrey Epstein: Virginia Giuffres Memoiren erscheinen morgen – ein halbes Jahr nach ihrem ungeklärten Tod. Besonders ein israelischer Politiker muss sich vor diesem Buch fürchten. – Lesen Sie alles zur Epstein-Affäre in unserer Spezialausgabe „Geheimakte Kinderschänder – Die Netzwerke des Bösen“.

    Monate nach ihrem Tod spricht Virginia Giuffre noch ein letztes Mal – ein Buch, das bereits jetzt die mächtigsten Männer der Welt erzittern lässt. Das prominenteste Opfer des – 2019 im Gefängnis verstorbenen – Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, hat der Welt postum ihr Vermächtnis hinterlassen: „Nobody’s Girl – A Memoir of Surviving Abuse and Fighting for Justice“ (deutsch: Niemandes Mädchen. Eine Erinnerung, wie ich den Missbrauch überlebte, und mein Kampf für Gerechtigkeit).

    Was als Abschied begann, wird jetzt zur letzten Anklage. Und wieder stehen jene im Rampenlicht, die gehofft hatten, ihre Namen wären für immer aus den Schlagzeilen verschwunden.

     Ein Manuskript wie eine Zeitbombe

    Im April 2025 wurde Giuffre tot in ihrem Haus in Australien aufgefunden. Offiziell: die Nachwirkungen eines Autounfalls und kein Fremdverschulden, doch die Familie geht weiterhin von einem Suizid aus. Der Vater der 41-Jährigen ließ sogar verlauten, „sie“ hätten seine Tochter „gekriegt“, und spekulierte über einen Mordversuch. Kurz darauf tauchten Hinweise auf, dass sie bis zuletzt an einem Manuskript gearbeitet hatte. Der New Yorker Verlag Alfred A. Knopf bestätigt: Das Werk war bereits Ende 2024 fertig, bearbeitet und druckreif – nur die Veröffentlichung fehlte. Morgen, am 21. Oktober 2025, erscheint es – gegen alle Widerstände.

    Abstoßend: Jeffrey Epstein mit einem unbekannten Kind an Bord seiner Boeing 727 („Lolita-Express“). | Foto: Screenshot Daily Mail

    Die Frau, die das System erschütterte

    Virginia Giuffre, die im kalifornischen Sacramento aufwuchs, wurde im Alter von nur elf Jahren von einer Bekanntschaft aus der Familie vergewaltigt, was eine Scheidung ihrer Eltern zur Folge hatte. Über einige Umzüge in der Folgezeit wohnte sie schließlich erneut bei ihrem Vater, einem Angestellten in der Hausverwaltung von Mar-a-Lago, dem Anwesen Donald Trumps. Sie selbst war schließlich vor Ort im Wellnessbereich angestellt und kam dort vermutlich mit Ghislaine Maxwell, der wichtigsten Komplizin von Epstein, in Kontakt.

    Ab 2019 brach Giuffre als erste das Schweigen über Epsteins Missbrauchsring. Ihre Aussagen brachten beteiligte Prominente in Erklärungsnot und motivierten zahlreiche weitere mutige Frauen, an die Presse zu gehen. Doch während sie öffentlich sprach, wurde sie im Privaten zermürbt. Jahrelang kämpfte sie um Glaubwürdigkeit – gegen die gegnerischen Anwälte und gegen ein Netzwerk aus Geld und Macht, das sie als Lügnerin darstellte.

     Der Schatten des Prinzen

    Kein Name steht so sinnbildlich für den gesellschaftlichen Absturz nach der Epstein-Affäre wie Prinz Andrew. Der Bruder des englischen Königs Charles galt einst als Kriegsheld und Charmeur der High Society – bis Virginia Giuffre ihren Mund aufmachte. Ihre Anschuldigungen ließen das royale Image bröckeln wie ein altes Mauerwerk. Sie warf dem Prinzen vor, er habe sie als Minderjährige auf einer Party in London vergewaltigt – vermittelt durch Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein. Insgesamt soll es dreimal zum sexuellen Kontakt gekommen sein. Der Prinz bestritt alles, doch das Foto der Begegnung – Andrew, lächelnd neben der jungen Giuffre – ging um die Welt.

    Ein Prozess blieb ihm erspart, stattdessen kam es zu einem Vergleich in Millionenhöhe – offiziell „ohne Schuldeingeständnis“. Seitdem lebt Andrew im Halbschatten des Königshauses – entmachtet, gemieden, würdelos. Am vergangenen Wochenende, kurz vor der Veröffentlichung des Buches von Virginia Giuffre, legte er, vermutlich auf Druck von König Charles und Prinz William, seine Adelstitel endgültig nieder – die gesellschaftliche Höchststrafe für jeden Aristokraten.

    Ein „Premierminister“ im Visier

    Doch nicht nur royale Kreise geraten durch „Nobody’s Girl“ ins Wanken. Giuffres Memoiren legen fast das ganze verzweigte Netzwerk des Epstein-Sumpfes offen – und führen bis in die höchsten politischen Sphären. Sie schildert unter anderem Begegnungen mit einem Staatsmann, der sie unter dem Decknamen „Premierminister“ auf Epsteins Privatinsel „Little Saint James“ missbrauchte. Der „Premierminister“, so Giuffre in ihrem Buch, habe sie gewürgt, bis sie das Bewusstsein verlor. „Es machte ihm Spaß, mich um mein Leben fürchten zu sehen“, und er wurde davon sehr erregt, als sie ihn anflehte, damit aufzuhören. Dann vergewaltigte er sie.

    Ein Autor der Welt, der das Buch vorab gelesen hat, fasst den weiteren Inhalt zusammen. Giuffre soll geschrieben haben: „Der Premierminister hat mich brutaler vergewaltigt als irgendjemand zuvor. Ich kam (…) mit Blutungen aus Mund, Vagina und Anus. Tagelang tat mir das Atmen und Schlucken weh.“ Später kniete die Teenagerin demnach vor Epstein nieder und flehte ihn an, sie nie wieder zum „Premierminister“ zu schicken. Doch der sagte, das gehöre zu ihrem Job.

    Mit „Premierminister“ gemeint ist vermutlich Ehud Barak, ehemaliger israelischer Premierminister (1999–2001), der Epsteins Privatinsel mehrfach besuchte. Giuffre nennt ihn nicht im Buch, aber in den Gerichtsakten – und weist darauf hin, dass er sich noch heute „entscheidend unglaubwürdig“ verhält. Laut New York Times und Daily Mail wurde er regelmäßig auch auf anderen Anwesen Epsteins gesichtet.

    Virginia Giuffre hat ihre Geschichte noch selbst geschrieben – bevor andere es für sie tun konnten. Und so steht am Ende nicht die Frage, wer sie war, sondern was sie hinterlässt: Ein Vermächtnis gegen das Vergessen. Ein Buch als Mahnung. Sie selbst fand wohl 2019 die besten Worte: „Ich habe keine Angst mehr. Ich werde meine Geschichte erzählen, egal, wer versucht, mich zu stoppen.“

    Und genau das ist der Punkt, an dem COMPACT Spezial ansetzt: wenn Schweigen zur Methode und Macht zur Tarnung wird. Giuffres Geschichte ist ein Symbol für den Bruch im System – und für die unbequeme Frage, wie viele Wahrheiten noch im Dunkel liegen. Mehr erfahren Sie in der Spezialausgabe „Geheimakte Kinderschänder – die Netzwerke des Bösen“

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