Nachfolgende kleine Geschichte sendet uns Autor und Zeitgeschichtsexperte Wolfgang Eggert. Wer Parallelen zu unseren Tagen erkennt, dem sei das COMPACT-Spezial „Die Altparteien – Wie sie uns belügen und betrügen“ ans Herz gelegt. Hier mehr erfahren.
_von Wolfgang Eggert
Einst lebte ein teutonischer Held, der eitle Hjalmar. Der träumte davon, in seinem Stamme der Dunklen der erste zu sein – um am Ende König aller Germanen zu werden. Doch wollte es ihm nie gelingen. Stets wurde ein anderer vorgezogen – weshalb sich unser Recke entschloss, auf anderem Wege zu Reichtum zu gelangen.
Er ging auf den Markt, um sich dem gewieftesten aller Händler, dem alten Raffzahn, als Laufbursche anzubieten. Der nahm ihn unter die Fittiche, und es folgte ein schneller Aufstieg. Viele Menschen wurden durch ihn ärmer, wenige, wie er selbst, badeten im Geld. So gelangte er an die Spitze des Krämergeschäfts.
Gute Argumente greifen…
Da sagte der alte Raffzahn eines Tages zu ihm: „Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust. Werde in deinem Stamm der erste und sorge dafür, dass unser Geschäft in deinem Gebiet stets vom Glück gesegnet ist.“ Hjalmar zuckte mit den Schultern. „Sie werden mich nicht nehmen, Herr. Sie haben es nie getan.“ Der Alte entgegnete: „Sie werden es jetzt tun, weil ich gute Argumente für Dich bereithalte“. Dabei zwinkerte er mit den Augen und zog einen Sack voll Goldstücke aus dem Mantel.
Drei Tage später wurde Hjalmar von den Dunklen auf den Schild gehoben. Und so geschah es, dass etliche Märkte und befestigte Städte, die sich in der Herrschaft des Stammes befanden, dem alten Raffzahn günstig seine Händel treiben ließen.
Das gefiel dem alten Raffzahn, und er ließ vom entfernten Thule, wo er wohnte, einen Boten ins Teutonenland senden, auf dass er seinem Schützling eine Nachricht überbringe. „Er will, dass du dich um die Königswürde deines Volkes bewirbst und ihm all die Vorteile für das ganze Germanien bereitest“, vernahm es Hjalmar aus dessen Munde. Die Bedingungen seien günstig, gute Argumente bereits reichlich im Gauklergeschäft und unter den eifrigsten Herolden verteilt.
Schon hörte man allenthalben seinen Namen rufen, und bald war sein Stamm der angesehenste im ganzen Land. Die meisten Mitbewerber, die um Raffzahn wussten, sagten sich: Wenn ich ihn schon nicht besiegen kann, so will ich ihm meine Dienste feilbieten, und vielleicht ein gutes Geschäft machen. Alle dachten so.
Stunde der Aufsässigen
Alle – bis auf die Aufsässigen im Osten, die ihrerseits den König stellen wollten, nicht zum ersten Mal. Doch, und hier wiederholt sich die Geschichte, wollte es ihnen nie gelingen. Stets wurde ihnen ein anderer vorgezogen. Schon wollten die Aufsässigen die Flinte ins Korn werfen – da geschah ein Wunder.
Das mächtige Thule bekam einen neuen König, der gerade die Kunst des Notendrucks erfand, und allen anderen Raffzähnen unter seiner Herrschaft und sonstwo das Handwerk zu legen versprach. Dem schickten die Aufsässigen zur Krönung eine Abordnung, um dem Volksmonarchen zu huldigen. Und ihn um Hilfe zu bitten.
Diese wurde ihnen gewährt.
Am nächsten Tag erhielt Raffzahn Besuch vom obersten Zöllner seiner Herrschaft – und erfuhr mit Schrecken, dass er ab nun höhere Kontributionen zu leisten habe – die sich aber erheblich minderten, wenn er dem Potentaten einen Gefallen erwies: Dazu müsse er lediglich seinen Lehnsmann in Germanien anweisen, dass dieser seine Thronerhebung unter Hinzuziehung der Aufsässigen bestreite. Sie sollten zur Rechten des Königs Platz nehmen dürfen
Kaum brach der nächste Tag an, erhielt Hjalmar bereits Kunde aus dem Geschäft seines Gönners, er möge sich zu einer Besprechung einfinden. Was er tat. Der Auftrag war eindeutig. Und es gab nur wenig an ihm zu rütteln. Allein die Sitzordnung zu Hofe ließ sich ändern, musste geändert werden. Zu verrufen waren die Aufsässigen, dass sie am Thron gesehen werden durften.
Die Zwingburg öffnet sich
Und als abermals der Morgen dämmerte, verkündete der zum Thron Greifende seinen Beamten, dass die Schlacht bereits geschlagen sei. Eine Schilderhebung durch die anderen Stämme brauche es bei der Königswahl gar nicht. Der Kandidat mit den meisten Stimmen sei der Regent. „Sie werden für Ihre Beschlüsse eine Mehrheit im Kronrat suchen müssen“, wandte sein wichtigster Berater ein. „Ja“, erwiderte Hjalmar, „und von wem ich mir diese Hilfe immer wieder hole, bleibt meine Sache, man wird sehen.“
Und er befahl das Tor seiner Zwingburg zu öffnen, dass man einen Herzog aus dem Osten einlasse, der sich zu einem Freundschaftsbesuch angemeldet habe…
Wem diese Geschichte an heutige Gegebenheiten erinnert, der liegt nicht falsch. Wir empfehlen COMPACT-Spezial „Die Altparteien – Wie sie uns belügen und betrügen“: Hier bestellen.