Für die Vernichtungsangriffe auf beide Großstädte gibt die offizielle Geschichtsschreibung 35.000 Todesopfer an. Doch bei näherer Betrachtung ist offensichtlich, dass die Verheerungen in der sächsischen Metropole weitaus schlimmer waren. Ein Auszug aus «Dresden 1945. Die Toten, die Täter und die Verharmloser». Der Wahrheit verpflichtet! Hier mehr erfahren.
_ von Wolfgang Schaarschmidt
In seinem Buch «Feuersturm über Hamburg» schreibt Hans Brunswig, Abteilungsleiter Technischer Dienst im Stabe des Kommandeurs der Feuerschutzpolizei Hamburg, er habe Mitte April 1945 mit einem Stabsoffizier der Dresdner Feuerschutzpolizei eine Fahrt durch das Hauptschadensgebiet von Dresden unternommen. Damals sei die Zahl der Toten mit 30.000 bis 35.000 angegeben worden. Er nennt diese Zahl eine begründete Schätzung nach der Zahl der bis dahin geborgenen Gefallenen von 22.096.
Schätzungen eines Feuerwehrmannes

Brunswig ist ein erfahrener Feuerwehringenieur. Er hat die Hamburger Angriffe im Juli 1943 an verantwortlicher Stelle miterlebt und einen fachlich fundierten Bericht darüber veröffentlicht. Dem Einschub in seinem Bericht über Dresden muss widersprochen werden: Nach einer Fahrt durch das zerstörte Dresden wäre die Darstellung der mannigfaltigen Unterschiede im Verlauf und in den Folgen der Angriffe auf Hamburg 1943 und Dresden 1945 am Platz gewesen, bevor er ein Urteil über die Dresdner Opferzahl abgab. So macht seine Aussage eher den Eindruck, als wolle er aus Gefälligkeit Zahlen bestätigen, zu denen Weidauer und Bergander in den sechziger und siebziger Jahren gekommen waren.
Brunswigs Begründung für seine Ansicht steht nicht im Zusammenhang mit seiner Fahrt durch Dresden. Er bezieht sich auf die Lagemeldung 1414 vom 3. April 1945, die von 22.096 «geborgenen» Toten spricht. Dabei muss beachtet werden, dass es heißen müsste: «geborgene und gezählte Tote», denn ob alle geborgenen Toten gezählt worden sind, ist nicht gesichert.
In der Schlussmeldung vom 15. März wird jedoch bezogen auf die bis dahin 18.000 geborgenen Gefallenen die Gesamtzahl auf 25.000 geschätzt. Doch Brunswig übernimmt 1978 die Zahl von Weidauer und Bergander, die sie 1965 bzw. 1974 veröffentlicht hatten, und projiziert sie ins Jahr 1945. Für 30.000 bis 35.000 Tote findet sich in den verfügbaren Quellen von 1945 kein Hinweis.
Das Urteil, es handle sich bei der Zahl von «30.000 bis 35.000» Toten in Dresden um eine «begründete Schätzung», ist jedenfalls nicht aus dieser Inspektionsfahrt gewonnen. Diese Schätzung erschien zuerst 1955 in dem Buch Zerstörung und Wiederaufbau von Dresden von Seydewitz.
Hamburg, Juli 1943
Der Vergleich Dresdens mit Hamburg ergibt im Hinblick auf die Zahl der Opfer einige Kriterien zur Beurteilung der Schätzungen, die zu Dresden vorgenommen wurden. Die Hamburger Zahlen sind in dem abschließenden Bericht des Polizeipräsidenten vom 30. November 1945 enthalten.
1943 ließen es die Verhältnisse noch zu, die Bergungen systematisch durchzuführen. Die Bergungskommandos in Hamburg arbeiteten noch bis weit in das Jahr 1944. Noch Ende November 1943 bargen die Kommandos an manchen Tagen mehr als 100 Tote.

Anders war die Lage in Dresden 1945, wo die nahende Front, der Mangel an allem Notwendigen, schließlich das Ende des Krieges und darauf die Umstellung der gesamten staatlichen Ordnung und die folgenden Notjahre die systematische Bergung verhinderten. Obwohl Hamburg auf Luftangriffe weit besser vorbereitet war als Dresden, hatte es als Folge der Juli-Angriffe 1943 dennoch 35.000 Tote zu beklagen. Der Vergleich soll die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Städten darstellen und das Urteil über die Schätzungen der Dresdner Opferzahl unterstützen.
Das Gebiet des Feuersturms in den Hamburger Stadtteilen Hammerbrook, Hamm, Borgfelde und Rothenburgsort in der Nacht zum 28. Juli entspricht etwa dem Gebiet der totalen Zerstörung Dresdens durch Feuersturm: Hamburg 13 Quadratkilometer – Dresden 15 Quadratkilometer. Ein Teil der Fläche sind Reichsbahnanlagen und Gewässer.
Im betroffenen Gebiet Hamburgs standen vorwiegend unterkellerte, leichtgebaute, vier- bis sechsstöckige Wohnhäuser. Dort wohnten etwa 275.000 Menschen. In Dresdens Feuersturmgebiet hielten sich einschließlich der Flüchtlinge und anderer nicht ständiger Bewohner etwa 467.000 Menschen auf. Diese Zahl erhöht sich durch den Effekt der sekundären Verdichtung: Nach den Angriffen trafen Helfer im Schadensgebiet ein und wurden von den Stunden später erfolgenden Angriffen erfasst.
Die Hamburger erlitten in der Feuersturmnacht am 27. Juli 1943 den 142. Angriff. Den Februarangriffen auf Dresden gingen zwei Angriffe voraus (7. Oktober 1944; 16. Januar 1945).
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