Nach dem Weltraumflug Sigmund Jähns 1978 wehte Schwarz-Rot-Gold über Kasachstan. In seiner Heimat wurde er zum Helden von Generationen. Im heutigen Deutschland ist er nahezu vergessen. Wir erinnern an ihn und seinen Kollegen Juri Gagarin mit unserer neuen Interkosmos-Medaille aus feinstem Silber. Auch im edlen Set mit drei weiteren Medaillen zur deutsch-russischen Freundschaft im Schmuckrahmen erhältlich. Hier alle Angebote.

    Der Staub der Steppe verdunkelte die Sonne. Entsetzen lähmte die Gesichter der Männer an jenem 3. September 1978. Viel zu hart war Sojus 31 in den Weiten Kasachstans aufgeschlagen. Der vom Wind verwirbelte Fallschirm zerrte die Landekapsel über den Boden. Eine Armada von Hubschraubern eilte heran. Nach bangen Minuten rissen Bergungsmannschaften die Klappe des Raumschiffs auf. Erst jetzt wich die Angst. Der Habicht war gelandet.

    Im Weltraumbahnhof Baikonur hatte Sigmund Jähn eine Woche zuvor, am 26. August, die Erde verlassen. «Der erste Deutsche im All», hatten die Zeitungen der DDR getitelt: «Sigmund Jähn unterwegs zur Orbitalstation.» Die Überschrift war ein Vabanque-Spiel: Bereits sechs Wochen zuvor musste die Nachrichtenagentur ADN ihre Reportage einreichen; die Zensur brauchte Zeit. Während Jähn nach gut zwei Stunden Flug in die Raumstation Saljut 6 umstieg, sammelten Kuriere in den Redaktionen der DDR verschlossene Umschläge wieder ein. Sie enthielten den Nachruf auf den Kosmonauten.

    Doch der Beginn seiner Reise lag nicht in Kasachstan oder Moskau – sondern 33 Jahre zuvor im Thüringischen Bleicherode. Kurz nach ihrem Einmarsch gründete die Rote Armee dort ein Institut für jene deutschen Raketenforscher, die sie in ihrer Besatzungszone fand. 1946 brachte sie 160 deutsche Spezialisten in die Nähe von Moskau. Deren Fachwissen legte den Grundstein des sowjetischen Raumfahrtprogramms.

    20 Jahre später setzte Moskau erneut auf deutsches Wissen. 1967 hoben zunächst neun Staaten des sowjetischen Blocks das Interkosmos-Programm aus der Taufe. Im Austausch für Forschungsergebnisse und technische Entwicklungen versprach der Kreml je einen der prestigeträchtigen Weltraumflüge. Dabei hatten die meisten Länder wenig zu bieten, räumte der führende DDR-Wissenschaftsjournalist Horst Hoffmann nach der Wende ein. Intern setzte Moskau nur auf die Tschechoslowakei und Ungarn – und vor allem auf seinen ostdeutschen Satelliten.

    «40 Jahre Befreiung vom Faschismus» – und als Bild dazu zwei Kosmonauten? Haben die gegen Reichsflugscheiben aus Neuschwabenland gekämpft? Foto: Repro

    Ein Vogtländer im Weltraum

    Von all dem dürfte Sigmund Jähn nichts geahnt haben. Schon früh hatte der Junge aus dem vogtländischen Örtchen Morgenröthe-Rautenkranz in den Himmel geschaut. «Als Sechsjähriger bewunderte ich die Flugzeuge, die in Schwärmen über uns flogen. Ich wusste damals nicht, dass sie gerade Plauen bombardiert hatten», erzählte er 2018 der Lippischen Landeszeitung.

    Nach einer Buchdruckerlehre ging er zur Volkspolizei Luft, einem Vorläufer der NVA. Ein Patent als Jagdflieger war Bedingung für alle, die noch höher steigen wollten. Dazu kam es «ungefähr zwei Jahre vor dem Start, im Sommer 1976. Ich war einer von 15 Männern, die gefragt wurden.»

    Nach 14-tägigem Auswahltraining im Sternenstädtchen bei Moskau legte sich die Sowjetunion auf Jähn und seinen Ersatzmann Eberhard Köllner fest. Offiziell war es ein Empfehlungsbrief an DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann, den die Aspiranten bei ihrem Rückflug nach Berlin trotz Verbots öffneten.

    Weshalb der Sachse zu den Sternen reisen durfte, ist bis heute unklar. Proletarische Herkunft und hervorragende Russischkenntnisse vermuten manche – andere glauben: Die bescheidene Art, sein an Juri Gagarin erinnerndes bübisches Lächeln gaben den Ausschlag.

    Die DDR hatte ihren Teil des Abkommens längst erfüllt. Bereits der erste Interkosmos-Satellit startete 1969 mit einem ostdeutschen Fotometer, dessen Daten die Bodenstation im mecklenburgischen Neustrelitz empfing. Als Carl Zeiss Jena die Multispektralkamera MKF-6 vorstellte, pilgerten westliche Vertreter mit Koffern voller Schweizer Franken nach Thüringen. Doch das Spezialgerät zur kosmischen Fernerkennung kam nur in sowjetischen Raumschiffen zum Einsatz. Insgesamt hielten etwa 250 deutsche Entwicklungen die Interkosmos-Missionen in der Luft.

    Für das Kosmonauten-Programm stand die DDR eigentlich ganz oben auf der Liste – zuvor waren nur Raumflieger aus der Sowjetunion und den USA abgehoben. Doch Moskau zog die Tschechoslowakei vor. Angeblich als Entschuldigung für die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, so ein hartnäckiges Gerücht.

    Der tschechische Kosmonaut Vladimir Remek hält das jedoch für abwegig: «Ich bezweifele, dass das KPdSU-Politbüro überhaupt nachgedacht hat, und wenn ja, dann sicher über alles andere, aber nicht über eine Entschuldigung», sagte er 2008 am Rande der Raumfahrertage, dem jährlichen Stelldichein der internationalen Weltraum-Veteranen in Jähns Heimat Morgenröthe-Rautenkranz.

    Sandmann und Mascha

    Die SED-Führung reagierte pikiert, doch der Ärger war vergessen, als Jähn und sein Kommandant Waleri Bykowski im August 1978 abhoben. «Damit wurde die deutsche Sprache nach Russisch, Englisch, Tschechisch und Polnisch zur fünften Weltraumsprache», betonte das Neue Deutschland.

    Sieben Tage, 20 Stunden und 49 Minuten blickte der Vogtländer auf den blauen Planeten. In verquasten Worten dankte er der SED. «So was Offizielles, das zwischen Politbüro und der sowjetischen Seite abgesprochen war», sagte er später. Authentisch wirkte dagegen die Übertragung des DDR-Kinderfernsehens, für die Jähn in der Raumstation gemeinsam mit einer Figur des Sandmännchens auftrat – inklusive seinem Tête-à-Tête mit Mascha, einem gutherzigen und etwas tollpatschigen Mädchen des sowjetischen Kinderfernsehens.

    Das Planetarium in Halle an der Saale trug seit seiner Eröffnung 1978 den Namen Sigmund Jähn. Es wurde 2018 abgerissen, angeblich wegen Hochwassergefährdung. Der Neubau, an dem noch gearbeitet wird, muss ohne Ehrung des Kosmonauten auskommen. Foto: Ralf Lotys (Sicherlich), CC BY 3.0, Wikimedia Commons

    «Habicht» war ihr Rufzeichen – doch ein eleganter Gleitflug zur Erde blieb Sojus 31 versagt. Als die Kapsel auf den kasachischen Boden krachte, verletzte Jähn sich die Wirbelsäule. Die Schmerzen blieben ein Leben lang, auch wenn er kaum darüber sprach. Völlig benommen schrieb Jähn das falsche Datum an die Außenhaut des Landevehikels.

    Der Kettenraucher Bykowski griff derweil gierig zur Zigarette. Der Geheimdienst KGB beschlagnahmte die Bilder – sie zeigten wohl zu viel Menschlichkeit bei den Helden der Partei. Auch die schwarz-rot-goldene Fahne ohne DDR-Staatswappen, die das kasachische Begrüßungskomitee – aus schlichtem Versehen – in der Stadt Schesqasghan hisste, fand keine Abbildung in ostdeutschen Zeitungen.

    Jähn avancierte zum Volkshelden – nicht wegen, sondern trotz der Propaganda. «Ich war dankbar. Aber Nerven haben mich die großen Auftritte, die mir nicht lagen, schon gekostet», sagte er einmal. «Wie anderen auch war mir das phrasenhafte Parteideutsch zuwider.»

    Privat lebte Jähn in Strausberg bei Berlin. Als dort 2018 ein Kindergarten eröffnete, war der Kosmonaut mit dabei. «Die Kinder kannten ihn zwar nicht, aber die Eltern und Großeltern machten Selfies mit ihrem Helden und waren ganz begeistert», berichtete Bürgermeisterin Elke Stadeler.

    Ihr Amtskollege Konrad Stahl aus Morgenröthe-Rautenkranz kannte «Sig» seit den frühen 1980er Jahren. «Unser Männergesangsverein kümmerte sich um einen Park in der Gemeinde, wir haben Wege gepflegt, sauber gemacht. Plötzlich kam einer in Arbeitsklamotten dazu, von dem ich nicht wusste, wer er ist. Er hat eine Harke genommen und mitgemacht, ohne großes Gewese. Erst als wir später beim Bier zusammensaßen, wurde mir klar, dass es sich bei dem Mann tatsächlich um den Fliegerkosmonauten handelte.»

    Held des Westens: Merbold.
    Foto: NASA

    Deutsch-deutsche Kosmos-Bruderschaft

    Die Agonie der DDR war spürbar, als Jähn 1986 in Moskau einen zweiten Weltraumflug sondierte. «Die sowjetischen Vertreter akzeptierten als Verhandlungsbasis nur harte Währung, die wir nicht hatten», sagte er 2010 in einer Gesprächsrunde des Deutschen Historischen Museums.

    Nach der Wende wurde es still um Jähn. Den meisten Westdeutschen war er unbekannt, dem bundesrepublikanischen Establishment regelrecht verhasst. Der Sachse sei nur ein «Mitesser in der Russen-Rakete», sudelte der Bild-Chefredakteur und später, unter Helmut Kohl, Regierungssprecher Peter Boenisch nach dem Weltraumflug.

    Doch in der kleinen Gemeinde der zehn deutschen Raumfahrer blieb Jähn der Doyen. Auch für Alexander Gerst, 2018 deutscher Kommandant der Internationalen Raumstation ISS. «Auf einer Reise von Moskau nach Peking fand er in einem Laden in Irkutsk ein Abzeichen, auf dem der 1978er-Flug von Bykowski und mir mit unseren Konterfeis verewigt war. Er kaufte es, nahm es mit auf seinen ersten Flug», berichtete Jähn.

    Am 21. August 2019 schloss Sigmund Jähn für immer die Augen. Nur wenige Monate nach seinem Kommandanten Waleri Bykowski. Vier deutsche Raumfahrer – Klaus-Dietrich Flade, Thomas Reiter, Reinhold Ewald und Ulf Merbold – sprachen auf der Trauerfeier.

    Gerst war zu einem Training in Neuseeland und schickte eine Videobotschaft: «Wenn ich nachts in den Himmel schaue und einen Satelliten als kleinen Leuchtpunkt seine ewigen Bahnen im schwarzen Kosmos ziehen sehe, leise funkelnd vom Sonnenlicht angestrahlt, dann kann ich nicht anders, als an dich zu denken, Sigmund.» Eine Kondolenz der Bundesregierung ist nicht bekannt.

    Wir würdigen Sigmund Jähn und seinen Kollegen Juri Gagarin mit unserer neuen Interkosmos-Medaille aus feinstem Silber. Auch im edlen Set mit drei weiteren Medaillen zur deutsch-russischen Freundschaft im Schmuckrahmen erhältlich. Hier alle Angebote.

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