Das sogenannte Eurobarometer misst die Stimmung der EU-Bürger. Die neueste Erhebung will zeigen, dass die Europäer überaus zufrieden mit dem politischen Großprojekt seien und unbedingt mehr davon wollten. Ein genauerer Blick auf die Untersuchung lässt aber Zweifel aufkommen. Soll die Umfrage tatsächlich die sich ausbreitende EU-Verdrossenheit kaschieren?

    Am gestrigen Mittwoch waren alle Zeitungen und Online-Journale voll von den Jubelrufen aus Brüssel. Das Eurobarometer bringt gute Neuigkeiten. Neuigkeiten, die EU-Befürworter dringend gebraucht haben. Die EU sei „bei den Bürgern so beliebt wie nie“ (Tagesspiegel), die Zustimmung zur EU auf einem „Rekordhoch“ (Zeit). Ein Jahr vor den Europawahlen im März 2019 zeigt die Umfrage mit dem Titel „Democracy on the move“ laut den Verfassern des EU-Parlaments die „stetig wachsende Unterstützung und Befürwortung der Europäischen Union“ an. Laut der erhobenen Daten sei diese Unterstützung seit 1983 nie höher gewesen.

    Genau 27.601 Europäer aller Mitgliedsstaaten wurden Anfang April in Interviews nach Ihrer Meinung gefragt. Etwa zwei Drittel (60 Prozent) der Befragten sollen laut der Umfrage der Meinung sein, dass die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU „eine gute Sache“ sei. In Deutschland sollen sogar 79 Prozent dieser Aussage zustimmen. Ebenfalls glauben laut Umfrage 72 Prozent der Deutschen, dass „ihre Stimme in der EU zähle“. 67 Prozent der europaweit Befragten glauben sogar, dass ihr Land von der Mitgliedschaft in der EU „profitiert“ habe (in Deutschland 75 Prozent). Trotz dieses weitverbreiteten Optimismus glauben durchschnittlich nur 32 Prozent, dass die „Entwicklung in der EU in die richtige Richtung“ geht. 42 Prozent halten das Gegenteil für richtig. Und: Nur 31 Prozent der über 20.000 Befragten geben an, dass das EU-Parlament für sie ein „total positives Image“ habe. Ein merkwürdiger Widerspruch.

    EU-Demokratur?

    Auch in Sachen Demokratie sehen die Befragten große Defizite. Nur 46 Prozent der Interviewten sind zufrieden damit, wie die Demokratie in der EU funktioniert. 42 sind damit „nicht zufrieden“. (in Deutschland: 49 Prozent zufrieden/44 unzufrieden – mit der Demokratie in Deutschland sind übrigens 67 Prozent zufrieden…) Dementsprechend hält es auch nur knapp die Hälfte aller Befragten für wichtig, bei den kommenden Europa-Wahlen überhaupt wählen zu gehen. Das lässt tief blicken. „Die EU hat sich in den letzten Jahren immer stärker in Richtung EUdSSR entwickelt“, kommentiert der AfD-Außenpolitiker Petr Bystron die Umfrage auf Nachfrage dieser Redaktion. Die Prozesse in Brüssel seien „intransparent“ und „bürokratisch“, der Wille zur „Zentralisierung der Macht“ in den Händen der demokratisch nur mangelhaft legitimierten EU-Kommission „allzu offensichtlich“.

    Unser Land, unsere Kultur, unsere Zukunft

    Die Umfrageergebnisse fördern weitere interessante Erkenntnisse zutage: Nur 45 Prozent der Deutschen wollen, dass das EU-Parlament „eine wichtigere Rolle“ spielt. Bei den für EU-Bürger wichtigsten Themen Kampf gegen den Terrorismus, Migration und Jugendarbeitslosigkeit scheint die EU aus Sicht der Befragten bislang zu versagen. Nur 26 Prozent halten die bisherige Arbeit zum Thema Migration für „ausreichend“, 58 Prozent sehen sie als defizitär an. Fast gleiche Zahlen beim Terrorismus (32 Prozent sagen ausreichend, 58 Prozent eher mangelhaft) und beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit (29 bzw. 59 Prozent). Trotzdem wünschen sich die Europäer mit durchgängig über 70 Prozent, dass die EU in diesen und anderen Arbeitsfeldern „mehr interveniert“. Auch hierin kann man einen Widerspruch erkennen, über den zu diskutieren wäre.

    EU-Propaganda wirkt

    Es stellt sich die Frage: Wenn die Arbeit der EU als so ungenügend gesehen wird, das EU-Parlament (weiterhin) ein ziemlich schlechtes Image hat und nur wenige davon überzeugt sind, dass sich die EU in die richtige Richtung entwickelt, wie sind dann die Jubel-Meldungen über die gestiegene Zustimmung zur EU zu interpretieren? Für den Diplom-Politologen Petr Bystron ist klar: „Die Berichterstattung über die EU ist in den seltensten Fällen objektiv. Kritiker werden diffamiert, EU-Fans hofiert.“ Warum ist das so? „Weil der linksgerichtete Mainstream – besonders in Deutschland – sich einer post-nationalen Ideologie vollkommen verschrieben hat. Deutschland ist schlecht, also muss Europa gut sein.“

    Die Umfrage zeigt: Es scheint ganz offenbar ein Graben zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu bestehen. Die EU ist viel schlechter als ihr Ruf. Der Ruf aber wird durch die in den Massenmedien fast durchgängig positive Darstellung der EU und die abschätzige Berichterstattung über EU-Kritiker manipuliert. Je genauer man die Bürger zur Arbeit und Funktionsweise der EU befragt, umso kritischer werden die Antworten. Das mühevoll erzeugte, aber dennoch künstliche Image der EU scheint davon aber im Großen und Ganzen kaum betroffen. Das erinnert ein wenig an Umfragen in Deutschland, bei denen sich etwa eine Mehrzahl unzufrieden mit der (Asyl-)Politik zeigt, während gleichzeitig die Arbeit der Kanzlerin als gut bewertet wird. Viele EU-Bürger hoffen, dass die Europäische Union für sie wichtige Probleme angehen und lösen wird – doch das tut sie bislang nicht. Die Hoffnung aber bleibt. Warum?

    Wirklich spannend sind auch die Antworten, die die Befragten auf die Entstehung und Wirkung „neuer Parteien und Bewegungen“ in Europa gegeben haben. Sicherlich sind damit vor allem konservative und nationale Bewegungen, also EU-kritische Stimmen, gemeint. „Wir brauchen echte Veränderungen und diese können die neuen Parteien und Bewegungen bringen“, sagen 56 Prozent der Befragten. Das muss die Fragesteller schockiert haben. Nur 38 Prozent halten „diese Entwicklung“ für eine „Bedrohung der Demokratie“. 50 Prozent stimmen dieser Bedrohungsphantasie überhaupt nicht zu. Gute Neuigkeiten also für die Patrioten Europas – und „Bad news“ für alle Eurokraten, die mit der selektiven Darstellung der Umfrage die Wahrheit auf den Kopf stellen wollten. „Die Zufriedenheit mit der EU steigt nicht, sondern ist im freien Fall. In Italien wurde gerade eine national-konservative Regierung gewählt, in Ungarn, Polen, Österreich, Tschechien und weiteren Ländern regieren patriotische Kräfte bereits. Dieser Trend wird sich fortsetzen“, meint AfD-Außenpolitiker Bystron.

    Politikverdrossenheit auf EU-Maßstab

    Aufschlussreich ist auch, welche Gründe die Befragten Bürger angeben, um zur Europa-Wahl zu gehen. Nur 33 Prozent der Befragten glauben, mit den Wahlen überhaupt etwas ändern zu können. Nur schlappe 30 Prozent sehen die Notwendigkeit zu wählen, weil sie sich als Europäer fühlen. Nur 29 Prozent glauben, dass vor allem deshalb gewählt wird, um die EU zu unterstützen. Als Grund, nicht zur Wahl zu gehen, sagen 60 Prozent: „Weil unsere Stimme nichts verändern wird.“ Diese Zahlen sollten eigentlich gute Gründe für Demut und Zurückhaltung der EU-Befürworter liefern.

    Das Gegenteil scheint der Fall: In den zahlreichen Medienberichten zu den Ergebnissen der Umfrage pickt man sich ganz offensichtlich die Rosinen heraus. Die himmelhochjauchzenden Überschriften lassen sich kaum rechtfertigen. Die Versuche, den Bürgern der EU-Mitgliedsstaaten eine „künstliche Identität“ einzureden und den „positiven Bezug zur Heimat in einem Großreich Europa aufzulösen“, seien „endgültig gescheitert“, so Bystron. In Anbetracht der Tatsache, dass die Briten bereits die Flucht angetreten haben und die EU sich offensichtlich außer Stande sieht, auf die großen Fragen unserer Zeit auch nur ansatzweise Lösungen anzubieten, wirkt die demonstrative Selbstbeweihräucherung merkwürdig zwanghaft. Dass viele Bürger den Brexit laut Umfrage als „Weckruf“ wahrgenommen haben sollen und sich nun – aus Angst vor den Folgen des Zerfalls – stärker pro-europäisch äußern, könnte mit der ständigen Angstmache der Medien zusammenhängen.

    Und überhaupt: Wenn davon die Rede ist, dass die Zustimmung zur EU bzw. die positive Wahrnehmung der EU sich so toll entwickelt hat, ist auch das bereits Augenwischerei. Der Teufel steckt im Detail: Wenn jetzt 67 Prozent der EU-Bürger glauben, dass ihr Land von der EU profitiert und 2010 – also zu Beginn der Finanzkrise – nur 53 dieser Meinung waren, dann sprechen wir bei einer Fehlerquote zwischen 2-3 Prozentpunkten von gerade mal 14 Prozent, die ihre Meinung geändert haben. Daraus eine Welle der Begeisterung abzulesen, während die vielen Gründe für Skepsis ignoriert werden, scheint reichlich manipulativ.

    Die Umfrage im Volltext können Sie hier abrufen.

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