Die #metoo-Bewegung etabliert das Image vom Mann als dem sexistischen Geschlecht. Angenommen, dies träfe zu: Welche Gegenmaßnahmen ließen sich ergreifen? Bei dieser Frage erhält das sogenannte S.C.U.M.-Manifest (1967) der Radikalfeministin Valerie Solanas unerwartete Aktualität (Scum, engl. = Abschaum)
Dass die #Metoo-Kampagne vor allem zur Hysterisierung des Gender-Diskurses diente, zeigt schon die Reduktion ihrer Aussage auf zwei Worte: „Ich auch“ – das umfasst brutale Vergewaltigungen mit Todesfolge bis hin zum Nachpfeifen auf der Straße. Grauenhaftes und Harmloses vermischen sich, suggerieren eine Omnipräsenz des totalen Terrors.
Absurde Reaktionen seitens der Politik ließen nicht lange auf sich warten. So will Schwedens Regierung im Sommer 2018 ein meisterhaft durchdachtes Gesetz einführen: Jedem Geschlechtsakt muss ein vertragliches Einverständnis vorausgehen, sonst wird der Beischlaf automatisch als Vergewaltigung gewertet.
Die armen Schweden müssen künftig für jeden Clubbesuch nebst Gummi noch eine Vertragsvorlage in die Tasche stecken, sonst mündet der One-Night-Stand in einer Vergewaltigungsklage. Beim Gruppensex wird’s dann richtig kompliziert…
In den USA wurde bereits 2013 ein sechsjähriger Junge der Schule verwiesen, weil er seiner Freundin einen Handkuss verabreicht hatte. Die Lehrerin wertete den Vorgang als „sexuelle Belästigung“. Ähnliches könnte demnächst auch in Frankreich passieren, dessen Regierung als Reaktion auf #metoo ebenfalls neue Gesetze plant: Danach stehen Geldstrafen auf Nachrufen, allzu dichtem Nahrücken in der U-Bahn und bedrohlich wirkender Verfolgung.
In der Kunst kommt der Giftschrank wieder zu Ehren: Eine Galerie in Manchester hat letzte Woche das präraffaelitische Gemälde „Hylas and the Nymphs“ (1896) von John William Waterhouse entfernen lassen. Das Bild zeigt einen jungen Mann, den eine Gruppe nackter Nymphen ins Verderben lockt. (Wobei die Bezeichnung „nackt“ nur den Oberkörper meint, der Rest ist von Wasser und Pflanzen bedeckt.) Kuratorin Clare Gannaway will mit dem Wegsperren eine Debatte darüber auslösen, wie man „solche Bilder“ heute zeigen solle. #metoo habe sie zu dieser Abhänge-Performance inspiriert.
„Solche Bilder“, das meint: Bilder, die männliches Begehren darstellen. Das und sein Ausdruck in der Kunst sollen jedoch verschwinden. Aus diesem Grund wird auch das Gedicht von Eugen Gomringer – 2011 auf die Außenfassade der Alice Salomon Hochschule geschrieben – bald übermalt werden (COMPACT-TV berichtete). Urteilsbegründung: Sexistischer Subtext. Die spanischen Verse sagen übersetzt: „Alleen / Alleen und Blumen / Blumen / Blumen und Frauen / Alleen / Alleen und Frauen / Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“. – Was ist daran sexistisch?

Die Antwort darauf wissen vor allem Frau Debora Antmann, hauptberufliche Frauenbeauftragte der Hochschule sowie deren AStA. Frau Antmann findet zwei Stellen im Gedicht irritierend: „Da ist erst mal diese Reihung: Blumen, Alleen, Frauen. Dadurch wird eine Frau, die immer ein Subjekt sein sollte, zum Objekt gemacht, ganz klar. Und dann gibt es den Moment des Beobachters. Oder Bewunderers. Der ist hier aber nicht neutral. Er ist ein Maskulinum.“
Die Frau würde vom Mann gemustert, auf ihre Tauglichkeit zur Sexualpartnerin gescannt. Stünde dort statt „Bewunderer“ aber „Bewunderin“, dann – so glaubt die Frauenbeauftargte – wäre alles anders. Zwar seien die beobachteten Frauen immer noch Objekte, aber „es gibt kein Machtgefälle mehr“.
Nehmen wir uns diese Argumentation genauer vor. Zunächst muss man gegenhalten: Jeder Mensch, der gesehen wird, ist in dem Moment kein „Subjekt“, sondern „Objekt“. Ganze Kunstrichtungen wie der Film, das Theater oder Rock-Shows setzen auf die Seh- und Bewunderungslust des Publikums. Der Star bzw. das „Objekt“ kann dabei männlich oder weiblich sein. Der „Objekt“-Begriff ist hier pure Grammatik, beinhaltet keine Abwertung, keine Verdinglichung. Im Gegenteil: Der Rockstar, den Groupies als „Lustobjekt“ ansehen und ankreischen, wird dadurch nicht „degradiert“.
Aber Frau Antmann und ihre Mitstreiterinnen schert das nicht: Der Blick des Mannes impliziere automatisch „Macht“ und Okkupationswunsch, während bewundernde Frauen davon frei seien. Dass Frau Antmann als bekennende Lesbierin den eigenen Blick sauber halten möchte, ist nachvollziehbar. Dennoch bleibt es eine haltlose Unterstellung.
Kurzum: Die prinzipielle Gleichsetzung vom begehrenden Männerblick mit Okkupation und Degradierung ist blanker Sexismus. Gesetzt jedoch, sie träfe zu: Welche Maßnahmen schlagen Feministinnen dagegen vor? Zensur und bizarre Gesetze à la Frankreich und Schweden dürften kaum ausreichen. Oder träumt man, dass männliches Begehren nur soziale Konditionierung sei, die sich durch Dauermoralisieren wieder abtrainieren ließe? Nein, das verlangt nach härteren Maßnahmen. Zu diesem Zweck könnten #metoo-Feministinnen mit folgenden Bewegungen eine Querfront bilden:
Beispielsweise mit dem IS (oder ISIS): In dessen Herrschaftsgebieten schützt die Burka alle Frauen zuverlässig vor dem Männerblick. Ebenso lohnend wäre eine Zusammenarbeit mit Silicon Valley. Dort arbeiten Computerspezialisten an der Erstellung des Androiden, des künstlichen Menschen auf digitaler Grundlage. Diese Frankensteinschöpfung wäre – falls sie denn gelingt – geschlechtslos, ergo nicht sexistisch.

Es gäbe auch noch einen dritten Weg. Den weist eine Kampfschrift, die vor gut 50 Jahren in Druck ging: Das S.C.U.M. (Society for cutting-up men) – Manifest von Valerie Solanas (1936-88). Das zieht die letzte Konsequenz, beeindruckt heute noch durch absolute Direktheit: Die Autorin genierte sich nicht ihrer Wut, legte sich keinen verlogenen Peace- und Harmonie-Stil zu, verlor sich nicht in gutmenschlicher Wimmer- und Nörgel-Rhetorik, versteckte sich nicht in verbalen Abstraktionen, sondern stellte unumwunden klar: Der Mann ist eine missratene Frau, genetisch minderwertig, ein „untermenschliches Tier“, ein „Bündel konditionierter Reflexe“: Dieses Monster unterdrückt, missbraucht und vergewaltigt non-stop.
Nichts an der männerdominierten Kultur vermag „die Frau zu interessieren, daher bleibt den aufgeklärten, verantwortungsbewussten und sensationsgierigen Frauen nichts anderes übrig, als die Regierung zu stürzen, das Geldsystem abzuschaffen, die umfassende Automation einzuführen und das männliche Geschlecht zu vernichten.“ Vernichtung ist dabei wörtlich zu nehmen. Homosexuelle und Kastrierte, fügt die Autorin gnädig hinzu, seien eventuell zu verschonen. Und die Fortpflanzung? kein Problem. Dank Gentechnik könne man bald ausschließlich weiblichen Nachwuchs produzieren…

In Ihrem Wahn verdeutlicht Solanas das Dilemma aller Ideologien: Die fordern regelmäßig Idealtypen, wollen den „Neuen Menschen“ schaffen. Stoßen sie dabei auf anthropologische Grenzen, beginnt die große Auslöschung: Millionenfach geschehen im Sozialismus. Wenn männliches Begehren mancher Gender-Feministin und #metoo-Aktivistin unerträglich scheint, empfiehlt Valerie Solanas eine ideologietypische Form der Abhilfe.
Und die hat Solanas auch umgesetzt: 1968 schoss sie den Pop-Artisten und Voyeur Andy Warhol über den Haufen. Der starb 1987 an den Spätfolgen des Attentats. – Negierung, also Mord ist immer letzte Konsequenz im Social Engineering. Egal, mit welcher Maskierung es seinen Realitätsverlust zu tarnen versucht.